Montag, 29. Juni 2009

Franz Liszt: Lieder - Ruth Ziesak (Berlin Classics)


So ähnlich müssen Engel singen: Glockenrein und himmelsklar klingt der Sopran von Ruth Ziesak, alles, was sie anstimmt, wird pure Melodie. Und Gerold Huber am Klavier begleitet diese Sphärengesänge angemessen. Mehr als 80 Lieder hat Franz Liszt komponiert, 21 davon stellt Ziesak in dieser Einspielung vor. Man hört und staunt: Diese Lieder sind intime Miniaturen, irgendwo zwischen Schumann, Mendelssohn und Meyerbeer. Ziesak bringt das Kunststück fertig, mit ihrer Auswahl zugleich die Entwicklung des Liedkomponisten Liszt aufzuzeigen - von der großen, nahezu ariösen Form der frühen Jahre hin zur Klarheit und Konzentriertheit der späten Werke. Eine grandiose CD, allerdings mit einem winzigen Makel: Etwas mehr Textverständlichkeit bleibt zu wünschen.

Sonntag, 28. Juni 2009

Junior-Klassik: Piccolo, Sax & Co. (Deutsche Grammophon)

Wie begeistert man Kinder für Orchesterinstrumente? Ganz einfach: Man kuschelt sich mit ihnen aufs Sofa, und startet diese CD. "Piccolo, Sax & Co." erzählt die Geschichte von den kleinen Geigen, die irgendwann herausgefunden haben, dass es auf der Welt noch ganz andere Musikinstrumente geben muss. Und so gehen die Streicher auf Entdeckungsreise - die Kinder folgen ihnen mit Begeisterung. Alternativ dazu kann man auch Benjamin Brittens "The Young Person's Guide to the Orchestra" lauschen - erst einzelnen Variationen eines Themas von Henry Purcell, perfekt auf die jeweilige Instrumentengruppe zugeschnitten, nebst Erläuterung. Und dann gibt's noch einmal das ganze Stück, ohne Unterbrechungen - und zwar, als Belohnung für die Eltern, in einer Aufnahme, die Britten selbst dirigiert hat.

Paganini: Violin Concertos 1&2 - Kristóf Baráti (Berlin Classics)


Paganinis Violinkonzerte? Noch eine Aufnahme? Muss das denn sein?? Und dann noch als Debüt? Der Kritiker gähnt, während er die CD in den Player hineinschiebt - und reibt sich gleich darauf verwundert die Augen. Denn statt plumper Virtuosenmätzchen gibt's große Linien. Die rasanten Tonleitern, Doppelflageoletts und Springbogen-Attacken werden ergänzt durch schöne Töne und durch eine Spiritualität, die man von diesen Bravourstückchen eher nicht gewohnt ist. Baráti spielt diese Musik mit einer Leichtigkeit, die erstaunen lässt. Der 30jährige Ungar, der in Budapest an der Franz-Liszt-Akademie studiert hat, muss sich um Technik offenbar nicht sorgen. Mag die Passage noch so schwierig sein - Baráti formt seinen Ton, strukturiert mit deutlichen Zäsuren und setzt auf Nuancen. Er lässt seine Stradivari singen, und macht Musik: Paganini kultiviert statt verschwitzt, elegant statt dämonisch, leichtfüßig statt banal-akrobatisch. Der Kritiker ist erfreut und putzmunter: Bravo, Baráti! Gern mehr!

Wenn Mutti früh zur Arbeit geht - Kinderlieder aus der DDR (Barbarossa)

Zu DDR-Zeiten wurde im Kindergarten viel gesungen. Außerdem gab es eine enorme Menge Kinderchöre - die Kinder auf dieser CD singen durchweg exzellent! - und ein riesiges Repertoire Kinderlieder. Manches davon, wie "Hör ich die Soldaten singen", lässt einen heute gruseln. Aber wenn bei "Der Volkspolizist" die Flöte laut loskichert, dann weiß jeder, der Ohren hat, wie ernst seinerzeit manch patriotischer Akzent genommen wurde, den die "Volksbildung" dem Liedgut aufgebürdet hat. Diese CD enthält aber nicht nur Schmunzelnummern wie "Zum Frauentag" oder "Im Selbstbedienungsladen", sondern auch Klassiker wie das Bummi-Lied, "Der Schaffner hebt den Stab" oder "Wir gehen heute wandern". Und deshalb lieben unsere Kinder sie. Also: Mehr davon! - und wenn es geht, etwas weniger Museum, und etwas mehr Spaß zum Mitsingen.

Meine Klavierstunde (Berlin Classics)

"Die beliebtesten Unterrichtsstücke", verspricht Berlin Classics - und diese CD ist als nostalgische Erinnerung an die eigene Jugend ebenso brauchbar wie zur Motivation angehender "Tastenlöwen". Denn gerade die "einfachen" Stücke sind es ja oftmals, die dem Musizierenden Kopfzerbrechen bereiten. Hier sind sie alle in mustergültigen Aufnahmen zu hören, gespielt von großen Pianisten - von Schumanns "Fröhlichem Landmann" über Bachs Inventionen bis hin zu Beethovens "Für Elise".

Schweitzer/Wieland: Alceste (Berlin Classics)

Ein lang vergessenes Werk wurde in Weimar anlässlich der Wiedereröffnung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek aufgeführt: Die "Alceste", mit einem Text von Christoph Martin Wieland und Musik von Anton Schweitzer, seinerzeit ein erfolgreicher Komponist. Simone Schneider, Cyndia Sieden, Christoph Genz und Josef Wagner wagen sich an die höllisch schwierigen Partien dieses Kammerspiels, unterstützt vom Kammerchor Michaelstein und dem Concerto Köln unter Michael Hofstetter. Musiziert wird mit Bravour, daran gibt es nichts auszusetzen. Doch lediglich dem Engagement der Künstler ist es zu danken, wenn man beim Hören dieses schier endlosen Opus' nicht in den Schlaf sinkt. Ich glaube nicht, dass diese Oper außerhalb musealer Schutzräume ein Publikum finden wird - manche Werke sind auch zu Recht im Staub der Jahrhunderte versunken.

Richard Wagner: Der fliegende Holländer (Berlin Classics)


Marianne Schech als Senta, Sieglinde Wagner als Amme Mary, Gottlob Frick als Daland, Rudolf Schock als Erik, Fritz Wunderlich als Steuermann und Dietrich Fischer-Dieskau als Holländer - das ist eine Besetzung, wie sie schwerlich besser vorstellbar wäre. Die legendäre Aufnahme von 1962, mit dem Chor der Deutschen Staatsoper und der Staatskapelle Berlin unter Franz Konwitschny - nach wie vor unerreicht. Sehr erfreulich, dass Berlin Classics in der Eterna Collection solche Schätze wieder zugänglich macht.

Samstag, 27. Juni 2009

"cielo e mar" - Rolando Villazón (Deutsche Grammophon)

Ein Tenor zwischen Himmel und Bruchlandung. Villazón kann offenbar nur Volldampf. Und er sucht sich ein ebenso atemberaubendes wie strapaziöses Repertoire für dieses erste Solo-Recital bei der Deutschen Grammophon aus: Große Arien, große Gefühle, große Linien, höchste Ansprüche. Wenn dieser Sänger nicht so sympathisch wäre, dann würde man wohl die Schultern zucken - schon wieder eine Sternschnuppe, und der Musikmarkt ist daran ja nicht gerade arm. So wünscht man sich, dass eine gute Fee kommt und Villazón zu mehr Effizienz verhilft, zu einer Gesangstechnik, die uns diese schöne Stimme bewahrt. Denn das ist sie, ohne jeden Zweifel.

Moritz Moszkowski: Sämtliche Klaviertranskriptionen (Berlin Classics)

Musik aus einer fernen Zeit, als das Klavierspiel noch selbstverständlich zur Ausbildung jeder gutbürgerlichen höheren Tochter gehörte - und, wer Musik hören wollte, dafür sorgen musste, dass sich jemand ans Piano setzt. Es gab seinerzeit verschiedene Gründe, Orchesterstücke für Klavier zu bearbeiten. Die Musik von Wagner, Chopin oder Brahms in die "gute Stube" zu holen, war einer davon. Das Vergnügen am brillanten Kabinettstück ein anderer. Moszkowski beherrscht beide Extreme gleichermaßen, wie diese CD zeigt. Da finden sich effektvolle, aber technisch nicht übermäßig anspruchsvolle Sätze einerseits - und hochvirtuose Paradestücke gleich daneben. Christof Keymer, Dozent an der Musikhochschule Hannover, erweist sich als kundiger Reiseführer durch diese musikalische Landschaft. Und Moszkowskis Transkriptionen können neben denen eines Franz Liszt durchaus bestehen, das wird man spätestens bei den Wagner-Paraphrasen feststellen. Die Stücke sind von einer hinreißenden Eleganz, außerordentlich klangschön, und sie verblüffen zudem gelegentlich durch ein Augenzwinkern. Der große Pianist und Komponist Moszkowski erweist sich als Mann mit Humor. Spätestens, wenn "Anton Notenquetscher am Klavier" einen Gassenhauer zwischen Bach und Weber parodiert, wird jeder Zuhörer schmunzeln.

Edition Ferenc Fricsay - Johann Strauss: Die Fledermaus (Audite)


Diese Aufnahme stammt aus dem Jahre 1949 - und sie lässt schon bei der Ouvertüre aufhorchen. Denn wer hier den Schmelz der Historie erwartet, den Mief des deutsche Stadtttheaters, der wird angenehm überrascht: Delikat, auserlesen, pikant und gut durchdacht. Man könnte heutzutage wenig besser machen.
Fricsay wählt sehr überwiegend forsche bis flotte Tempi. Und das Sängerensemble ist stark besetzt; es beeindruckt durch Homogenität und - mit wenigen Ausrutschern - klare, saubere Intonation. Die Texte sind zudem von einer fantastischen Verständlichkeit. Das gilt nicht nur für die Dialoge, die dank Dialogregisseur Heinz Tiedjen Hörspielqualität erreichen, sondern auch für die Gesangsstücke. Der Rias-Kammerchor zeigt sich geschmeidig. Und auch das Rias-Symphonie-Orchester folgt Fricsay durch Walzernacht und Kerker-Katzenjammer, dass es eine Freude ist. Verbindlichen Dank an das Label Audite, das immer wieder solche Perlen im Archiv ausgräbt.

Freitag, 26. Juni 2009

Antonio Vivaldi: L'Élite des Concertos Italiens (Stradivarius)

Vivaldi und kein Ende. In den Archiven müssen bergeweise Stücke des fleißigen Komponisten liegen - und immer wieder zeigen Aufnahmen, dass da wohl noch manche Überraschung zu erwarten ist. Eine solche gelingt Musikern um Giorgio Sasso mit der vorliegenden Sammlung von Violinkonzerten. Teils traditionell, teils erstaunlich modern, teils eher moderat, teils hoch virtuos. Immer aber schwungvoll und lustvoll interpretiert. Diese Auswahl ist eine Freude - gern mehr davon!

Horowitz in Hamburg - The last Concert (Deutsche Grammophon)

Kaum zu glauben - aber diese Schätze schlummerten jahrelang im Archiv: 1987 gab der greise Vladimir Horowitz in Hamburg sein allerletztes Konzert. Er spielte vor allem kurze Stücke - Schumanns "Kinderszenen", Schubert, Chopin, Liszt und Mozart. Das Publikum zeigte sich hingerissen, und dazu hatte es auch allen Grund. Denn seine Interpretationen sind atemberaubend; sie beeindrucken durch Klarheit und musikalische Intelligenz, wie man sie im Konzertsaal nur selten erleben darf. Horowitz lässt den Flügel singen. An die Stelle blendender Virtuosität treten wohlüberlegte Nuancen, Innigkeit und Intensität. Dennoch wirkt sein Klavierspiel so frisch, dass man überrascht ist, wenn man dann im Begleittext liest, dass Horowitz damals immerhin 83 Jahre alt war. Unvergleichlich!