Mittwoch, 21. April 2010

Chopin - Nikolai Demidenko (Narodowy Instytut Fryderyka Chopina)

Wer eine Vorstellung davon bekommen möchte, wie Chopins Musik zu Lebzeiten des Künstlers geklungen haben könnte, der sollte in diese CD hineinhören.
Wie aus traumferner Zeit hallt die Berceuse Des-Dur op. 57 zu uns herüber, gefolgt vom Nocturno cis-Moll op. 27 Nr. 1. Nikolai Demi- denko spielt einen Flügel aus dem Hause Pleyel, gebaut 1848 in Paris, seit 2005 im Besitz des Narodowy Instytut Fryderyka Chopina. Ein solches Instrument bevorzugte Chopin; er nahm es mit nach Mallorca, um dort damit zu arbeiten, und auch im Sommer begleitete es ihn einst von Paris nach Schloss Nohant. Der Klang wirkt ätherisch; er erscheint sehr klar und obertonreich - und leider auch enorm hallig, was wohl der Aufnahme geschuldet sein dürfte.
Die CD enthält überwiegend Werke aus Chopins Jugendzeit; 1825 schrieb er das Rondo c-Moll op. 1 . Die Variationen in B-Dur über das Thema Reich mir die Hand aus Mozarts Oper Don Giovanni op. 2 werden auf 1827/1828 datiert, die Polonaise d-Moll op. 71 Nr. 1 mit der Werknummer 11 soll in den Jahren 1825 bis 1827 entstanden sein. Demidenko ergänzt dies durch das Rondo Es-Dur, op 16, die Tarantella As-Dur op. 43, den Bolero a-Moll op. 19, sowie das Allegro aus dem Klavierkonzert A-Dur op. 46. Dieses Werk komponierte Chopin mit dem Ziel, es in seinem ersten Konzert nach seiner Rückkehr nach Polen zu spielen. Doch angesichts der Entwicklungen in seiner Heimat hat er wohl eingesehen, dass dies illusorisch ist - und ein reines Klavierstück daraus gemacht. Umspielt von den unvermeidlichen Arabesken des brillanten Stils, erklingen hier die Lieder der Aufständischen. Demidenko spielt dies wie ein Echo der Kämpfe, das sich in den Salon verirrt. Der Pianist, geschult nach russischer Tradition, aber seit etlichen Jahren mit Wohnsitz in London und mit britischem Pass, gestaltet Chopins Werke sanglich, durchhörbar und klar strukturiert. Und dennoch vermisse ich hier jenes Fünkchen Originalität, das aus einer guten eine exzellente Interpretation macht, die aus der Flut der Chopin-Aufnahmen im Jubiläumsjahr herausragt. Schade.

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