Montag, 26. April 2010

Wiener Serenaden (Musicaphon)

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts brach in den europäischen Metro- polen ein regelrechtes Gitarren- fieber aus. Virtuosen reisten umher und konzertierten, und komponierten effektvolle Stücke für "ihr" Instrument. Besonders beliebt war offensichtlich damals die Kombination von Gitarre und Fortepiano.
Doch mit der Mutation der Gitarre vom Konzertinstrument zur "Klampfe" der Wandervögel und mit der Weiterentwicklung des Klavierbaus verschwanden diese Werke ebenso schnell wieder aus dem Repertoire.
Denn diese Besetzung - und das zeigt auch die vorliegende CD deutlich - ist nur mit den Instrumenten jener Zeit attraktiv. Der moderne Konzertflügel und die Konzertgitarre, wie sie heute gespielt wird, unterscheiden sich im Klang und in ihren dynamischen Möglichkeiten derart drastisch, dass an ein Zusammenspiel nicht sinnvoll zu denken ist. Die historische Gitarre und das Fortepiano hingegen erreichen einen erstaunlichen Grad klanglicher Verschmelzung und erscheinen auch dynamisch bestens ausgewogen. 
Maximilian Mangold spielt eine sechssaitige Gitarre nach einem Original von Johann Anton Stauffer (Wien, um 1840), angefertigt 2003 von Bernhard Kresse, Köln. Dieses Instrument ist kleiner und leichter als moderne Konzertgitarren, hat eine kürzere Mensur, eine geringere Halsbreite und wird natürlich auch entsprechend dem historischen Original auf einen Kammerton von 430 Hertz gestimmt. Kristian Nyquist musiziert auf einem Fortepiano, das 2002 in der Werkstatt von Michael Walker, Heidelberg, entstanden ist. Dabei handelt es sich um den Nachbau eines Flügels der europaweit berühmten Wiener Klavierbaumeisterin Nanette Streicher aus dem Jahre 1814, mit einer Wiener Mechanik, wie sie ihr Vater Johann Andreas Stein entwickelt hatte.
Die CD beginnt und endet mit Werken von Anton Diabelli, bei denen vor allem das Fortepiano dominiert. Seine Grande Sonate Brillante op. 102 gibt jedoch beiden Solisten Gelegenheit zu einem virtuosen konzertanten Dialog voll Spielwitz, aber auch zu melodischer Gestaltung. Insbesondere der letzte Satz, eine Pastorale, bietet so manche verblüffende harmonische Wendung.
Die Grandi Variazione e Polonese sulla "Nel cor piú non mi sento"
op. 65 von Mauro Giuliani - bekannt auch in einer Fassung für Streichquartett und Gitarre - erscheint fast wie eines seiner Gitarren- konzerte. Zwar übernimmt das Klavier die Einleitung und einige Zwischenspiele, aber beherrscht wird das Werk ganz eindeutig von der Gitarre. 
Es folgen zwei hübsche Miniaturen  aus der Feder von Caspar Joseph Mertz - Einsiedlers Waldglöckchen und die Barcarole op. 41 sind kurze, romantische Charakterstücke. Die CD endet mit der Sonate pour le Piano Forte et Guitare, op. 71 von Diabelli, einem flotten, heiteren Werk, das vielleicht am ehesten an eine Serenade erinnert. Mangold und Nyquist erweisen sich als exzellente Solisten, die perfekt aufeinander abgestimmt musizieren. Sie machen aus diesen hübschen Biedermeierstücken ein Musikerlebnis. Bravi!

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