Samstag, 31. Juli 2010

Händel: Berenice, Regina d'Egitto (Virgin Classics)

Der Earl of Shaftesbury berichtete, er habe am 12. Mai 1737 einer Probe von Händels Oper Berenice beobachtet, und "ein unsägliches Vergnügen empfunden": "Der erste Akt ist durchweg in einem gefälli- gen Stil gehalten, voller vorzügli- cher eleganter Arien und recht neu. Der zweite Akt ist mehr dem großen Geschmack verpflichtet und kann (...) zu Recht erhaben genannt werden. (...) Der dritte beginnt mit einem kurzen, aber guten Vorspiel, und dieser Akt ist eine Mischung aus dem großen und dem gefälligen Stil." Händel gehe es besser, so der Earl, "aber nicht gut genug, um das Cembalo selber zu spielen, der junge Smith soll das für ihn übernehmen."  Was war geschehen? 
1737 war nicht das Glückjahr das Komponisten. Zwar hatte die Opera of the Nobility zwei ihrer Stars, den Kastraten Senesino und die Cuzzoni, sowie ihren musikalischen Leiter Porpora verloren. Händel trat mit einem gewagten Programm an, um den Konkurrenten vom Markt zu fegen - doch am Ende dieser musikalischen Fehde waren beide Operngesellschaften pleite. Und im April hatte der Komponist obendrein einen Schlaganfall erlitten, der wohl vorübergehend seinen rechten Arm lähmte.
Man glaubt es kaum, aber Berenice wurde nach ihrer Uraufführung am 18. Mai 1737 noch zwei- oder dreimal wiederholt - und verschwand dann fast vollkommen aus dem Repertoire. Dabei ist das Werk wirklich hörenswert. Die Musik ist erstaunlich heiter, wenn man das Sujet bedenkt, ideenreich und schwungvoll. Die Handlung freilich beschränkt sich auf kuriose Verwicklungen, wie sie entstehen, wenn Menschen nicht miteinander, sondern ausschließlich übereinander oder gar nicht reden. So dauert es fast drei Stunden, bis sich die beiden Paare endlich sortiert haben: Berenice verzichtet auf Demetrio zugunsten ihrer Schwester Selene, die dieser ohnehin liebt, und beugt sich der Staatsraison. Denn Rom fordert ihre Verheiratung mit dem eigenen Heiratskandidaten Alessandro.
Händels Musik freilich erzählt, das dies keine glückliche Entscheidung gewesen sein kann. Und in der Tat - die historische Berenike wurde wenige Tage nach der Hochzeit von ihrem Mann ermordet, der wiederum dafür vom erzürnten ägyptischen Volk gelyncht wurde. Dem Publikum jener Zeit dürfte das bekannt gewesen sein. 
Die vorliegende Aufnahme entstand anlässlich einer konzertanten Aufführung der Oper im November 2009 am Théatre des Champs Elysées in Paris. Es singen Klara Ek (Berenice), Ingela Bohlin (Alessandro), Franco Fagioli (Demetrio), Romina Basso (Selene), Mary-Ellen Nesi (Arsace), Vito Priante (Aristobolo) und Anicio Zorzi Giustiniani (Fabio); es spielt Il Complesso Barocco unter Alan Curtis. Dieses Ensemble ist durchweg ausgewogen besetzt; wer Händel liebt, dem sei an dieser Stelle ein ungetrübtes Hörvergnügen angekündigt.

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