Dienstag, 31. Mai 2011

Il primo uomo - Arias for Nicolini; Egorov (Deutsche Harmonia Mundi)

"He acted to Perfection, and did not sing much inferior. His Variations in the Airs were excellent", schwärmte der Komponist John Galliard über einen Sänger, der zu Lebzeiten europaweit einer der ganz großen Stars war: Nicolo "Nicolini" Grimaldi (1673 bis 1732) war primo uomo assoluto - ein Kastrat, dessen Stimme in  Umfang und Klang so einzigartig war, dass große Komponisten wie Händel und Scarlatti bedeutende Partien eigens für ihn schrieben. 
Mit zwölf Jahren debütierte Nicolini in Neapel. Seine ersten Erfolge hatte er als Sopranist in Opern von Francesco Provenzale und Alessandro Scarlatti. 1699 debütierte er in Rom, 1700 in Venedig, und während auf den Bühnen Europas sein Stern empor stieg, wurde seine Stimme immer tiefer. 1708 kam Nicolini nach England, wo das Publikum zuvor offenbar noch keine Kastraten erlebt hatte. So wurde er nicht nur gefeiert, sondern auch bespöttelt - doch die Euphorie überwog spätestens, nachdem Nicolini 1711 bei der Uraufführung von Händels Oper Rinaldo die gleichnamige Titelpartie übernommen hatte. Dem Sänger gelang es innerhalb von drei Jahren, das verwöhn- te und eher skeptische britische Publikum für die italienische Oper zu begeistern.  
Diese CD stellt vier wichtige Opernpartien Nicolinis vor, die er von den Anfängen seiner Karriere bis 1715 gesungen hat: Rinaldo und Amadigi von Händel sowie Tigrane und die Partie des Icilio aus La Caduta de' Decemviri von Scarlatti, mit der seine Gesangskarriere begann. Auf der Bühne stand er bis an sein Lebensende; 1732, mit
58 Jahren, hatte er die Hauptrolle in Salustia übernommen, der ersten Oper von Giovanni Battista Pergolesi, doch während der Pro- ben erkrankte der Sänger und starb. 

Seine Zeitgenossen lobten sein Auftreten ebenso wie seinen Gesang. So nannte der Dichter Joseph Addison Nicolini "the greatest perfor- mer in dramatic Music that is now living or that perhaps ever appeared on a stage." Das sind hohe Ansprüche für das Debüt des jungen russischen Countertenors Dmitri Jegorow, der auf der vor- liegenden CD gemeinsam mit dem Orchester La Stagione Frankfurt unter Michael Schneider musiziert. Der Sänger stammt aus St. Pe- tersburg und hat an der Chorschule der Staatlichen St. Petersburger Glinka-Kapelle eine Ausbildung zum Organisten, Chorleiter und Kirchenmusiker absolviert. Diese solide musikalische Basis hat er dann noch durch ein Gesangsstudium in Mainz bei Professorin Claudia Eder ergänzt. 
Jegorow hat eine angenehme, warm timbrierte Stimme, die er sehr gezielt führen und einfärben kann. Sein Stimmumfang ist enorm, die Geläufigkeit vielleicht hier und da noch ausbaufähig. Aber die Intensität, mit der er beispielsweise das legendäre Cara sposa gestaltet, beeindruckt. So hofft man, dass dem jungen Sänger eine Karriere beschieden sein möge, die jener Nicolinis ähnelt - möge er klug mit seinen Ressourcen umgehen; sie sind ohne Zweifel beacht- lich. 

Kreuzchorvespern: Erstanden ist der heilige Geist (Berlin Classics)

Die Passionszeit und das Osterfest gehören zu den Höhepunkten des Kirchenjahres - und auch der Kirchenmusik. Das gilt auch für den Dresdner Kreuzchor, der mit dieser Aufnahme von Chorwerken zur Passions- und Osterzeit die Reihe der Kreuzchorvespern fort- setzt. 
Eingespielt werden dafür Werke, die immer wieder zu den tradi- tionsreichen Musikgottesdiensten in der Dresdner Kreuzkirche er- klingen. Die Kreuzchorvesper am Samstagabend steht dabei zwischen Cruxifixus und Resurrexit, zwischen Bachs Passionen und Schütz' Auferstehungshistorie - und vereint Werke vom gregorianischen Choral Christus factus est bis zu Timor et tremor von Francis Pou- lenc. 
Für die CD wurde Kreuzchor-Repertoire vom Mittelalter bis zur Moderne ausgewählt, was den jungen Sängern unter Kreuzkantor Roderich Kreile reichlich Gelegenheit bietet, die Leistungsfähigkeit des Chores und seiner Solisten unter Beweis zu stellen. Der Kreuzchor gehört heute ohne Zweifel wieder zu den besten deutschen Knaben- chören; er beeindruckt mit einem homogenen, ausgeglichenen Chorklang über alle Register bei exzellenter Textverständlichkeit. 

Bach: 6 Partitas; Ashkenazy (Decca)

Darf man Bachs Clavir-Übung auf einem modernen Konzertflügel spielen? Ist der Steinway das ge- eignete Instrument für das legen- däre Opus 1 des großen Komponi- sten? Puristen der historischen Aufführungspraxis werden sich sicherlich schon beim Gedanken daran mit Grausen wenden.
Allein die beiden CD überzeugen durch Musik. Erstaunt stellt man fest: Wenn man die sechs Partiten so spielt wie der Dirigent und Pianist Wladimir Aschkenasi, dann ist das sogar ein Gewinn. Diese Interpretation ist großartig, denn sie verwendet den Konzertflügel als Medium, um der Poesie und der Struktur von Bachs Werken Ausdruck zu geben - und nicht, um vorzuführen, wie Bach klingt, wenn man die dynamischen und spieltechnischen Möglichkeiten des Instrumentes ausreizt. Aschkenasi spielt ungemein diszipliniert und zurückhaltend, mit extrem sauberer und sorgsamer Artikulation, und stets bis ins kleinste Detail durchhörbar. Dennoch wirkt sein Spiel immer feder- leicht und tänzerisch; Bach hätte diese klug differenzierende Auf- nahme mit Sicherheit gefallen. 
Bei seiner letzten CD Music for two pianos, bei der Wladimir Aschke- nasi gemeinsam mit seinem ebenfalls als Pianist auftretenden Sohn Wowka Werke von Debussy und Ravel eingespielt hat, habe ich mich gefragt, warum man sich die Klavierversion von Werken anhören soll, die zumeist auch in exzellent orchestrierten Varianten erhältlich sind. Eine Antwort habe ich seinerzeit nicht gefunden. Die vorliegen- de Aufnahme von Bachs Partiten hingegen ist derart exzellent und ringsum gelungen, dass man sie gern weiterempfiehlt. Bravo! 

Samstag, 28. Mai 2011

Bläserkammermusik der Brüder Graun (Musicaphon)

Ihre Manuskripte signierten sie Graun, ihre Musikstücke können nicht einmal Experten in jedem Falle sicher einem der Brüder zuordnen, und auch sonst waren ihre Lebenswege erstaunlich eng verflochten: Johann Gottlieb (1698 bis 1771) und Carl Heinrich Graun (1703 bis 1757) besuchten beide die Kreuzschule in Dresden. Johann Gottlieb erhielt Violin- unterricht bei Johann  Georg Pisendel; er ging später als Konzertmeister nach Merseburg, wo übrigens zu seinen Violinschülern auch Wilhelm Friedemann Bach gehörte, und wechselte dann in den Dienst des Prinzen Waldeck nach Arolsen. 
Carl Heinrich konnte schon in Dresden von seiner schönen Stimme profitieren. 1725 wurde er als Tenorist nach Braunschweig engagiert, wo er bald darauf Vizekapellmeister wurde, und seine ersten Opern komponierte - unter anderem für die Hochzeitsfeierlichkeiten des preußischen Kronprinzen Friedrich. Der war davon so angetan, dass er die Gebrüder Graun in seine Hofkapelle aufnahm. 
Das Ensemble Concert Royal aus Köln hat auf dieser CD Bläser-Kammermusik der Graun-Brüder eingespielt, die mit teilweise sehr kuriosen Besetzungen überrascht. Da finden sich unter anderem Trios für Oboe d'amore, Horn und Fagott, zwei Concerti für konzertieren- des Horn, Oboe d'amore und Basso continuo, sowie ein Concerto à 4 für zwei Oboen, Trompete und Fagott. Karla Schröter und Eric Douchy, Oboe d'amore, Anette Sichelschmidt, Barockvioline, Rafael Vosseler, Barockhorn, Friedemann Immer, Barocktrompete, Trudy von der Wulp, Barockfagott und Roman Giefer, Cembalo, sind zweifellos durchweg exzellente Instrumentalisten. Aber diese CD erfüllt nicht ganz die hohen Erwartungen, mit der man sie gestartet hatte. Diese Werke zwischen Spätbarock und galantem Stil hätte man sich eleganter, farbiger und mit mehr Esprit vorgetragen gewünscht. 

Freitag, 27. Mai 2011

Tchaikovsky: String Quartets (Berlin Classics)

Diese Doppel-CD enthält nahezu alle Kammermusikwerke von Pe- ter Tschaikowski (1840 bis 1893): Die drei Streichquartette D-Dur, op. 11, F-Dur, op. 20 und es-Moll, op. 30 sowie das Streichsextett
d-Moll
, op. 70 und einen Streich- quartettsatz aus seiner Studien- zeit. Da fehlt eigentlich nur das Klaviertrio a-Moll, op. 50 - doch das hätte klanglich wahrscheinlich nicht recht in das Umfeld gepasst. 

Die Damen vom zu Recht mittler- weile außerordentlich renommier- ten Klenke Quartett musizieren, beim Streichsextett verstärkt durch Harald Schoneweg, Viola, und Klaus Kämper, Violoncello, gewohnt kultiviert, intelligent und harmonisch. So darf man Tschaikowski neu entdecken - und staunt über die enorme Freiheit, mit der er sich in der Gattung bewegt, sowie über den beeindruckenden Reichtum an Klangfarben. Wunderbar! 

Donnerstag, 26. Mai 2011

Donizetti: Linda di Chamounix (Dynamic)

Die Geschichte von dem jungen Mädchen, das von ihrem Vater in die Stadt geschickt wird, um sie vor den Nachstellungen des Grund- herrn in Sicherheit zu bringen, und das bald ins Gerede kommt, weil ihre Unterkunft dort gar zu kostbar und ihre Garderobe gar zu aufwen- dig geraten sind, gehört zu den Klassikern des Belcanto. 
Gaetano Donizetti (1797 bis 1848) hat seine Oper Linda di Chamou- nix 1842 für Wien komponiert, und er war damit sehr erfolgreich. Da- für wurde er sogar zum Hofkapellmeister ernannt. Viel hat Donizetti danach nicht mehr komponiert. Die vorliegende CD-Box enthält einen Mitschnitt, der 2009 in seiner Heimatstadt anlässliche des Bergamo Musica Festivals aufgezeichnet wurde. Leider kann die technische Qualität dieser Aufnahme in keiner Hinsicht überzeugen. Schade drum, aber das ist unmöglich drei CD lang zu ertragen.  

Concerti Curiosi (Signum Classics)

Allmählich werden sie wieder- entdeckt - jene barocken Solo- konzerte, die nicht (mehr) unseren Vorstellungen entsprechen, wie ein Solokonzert auszusehen hat. Mitunter liegt es am Solo-Instru- ment: Ein Fagott als Solist im Konzert des städtischen Sinfonie- orchesters? Da fliegen die Brauen in die Höhe. Schon eine Viola wäre ein Ereignis. Über eine Harfe, Violine, ein Violoncello oder ein Klavier hingegen wundert sich kein Mensch.
Vieles ist also Konvention, und es ist nicht zuletzt Ensembles wie Charivari Agréable unter Kah-Ming Ng zu verdanken, wenn wir darauf aufmerksam werden - und entdecken, dass da noch immer wunder- schöne Musik auf ihre Wiederaufführung wartet. Die Werke auf dieser CD sind geistreich, handwerklich perfekt gemacht, und so originell, dass man einige gleich noch einmal hören möchte, um sich verwun- dert die Augen zu reiben: Eine Sonate für Zink und Streicher, wie sie Pietro Baldassari (etwa 1683 bis nach 1768) komponiert hat, wäre vor hundert Jahren schon deshalb nicht aufführbar gewesen, weil kaum noch jemand in der Lage war, den Zink zu blasen. Dieses Instrument, das man sich wie eine Blockflöte mit Trompetenmundstück vorstellen muss, war bis Mitte des 17. Jahrhunderts sehr beliebt, weil es die menschliche Stimme besonders gut imitieren soll - und es ver- schwand mit dem Aufkommen der modernen Violine nahezu schlag- artig. 
Auch unter den wenigen überlieferten Werken von Johann Daniel Berlin (1714 bis 1787), einem dänisch-norwegischer Komponisten, findet sich eine Sinfonia à 5 für Zink. Die Violinen, damals noch neu und sozusagen in Erprobung, sind auf dieser CD ebenfalls mit zwei Werken präsent - beide stammen aus Großbritannien, und beide verwenden das Streichinstrument gleich im Rudel: Johann Christoph Pepusch (1667 bis 1752) schrieb ein Concerto für gleich vier Violinen (aber ohne Orchester); sein Kollege William Croft (1678 bis 1717) hingegen billigte den fünf Soloviolinen, die er für seine Sonata vorschreibt, immerhin noch die Unterstützung durch ein Continuo zu. 
Weniger experimentell, sondern eher solides Handwerk sind das Favoritkonzert für Orgel oder Cembalo von Pietro Domenico Paradisi (1707 bis 1791), das Concerto à 5 für Oboe von Anton Reichenauer (1694 bis 1730), das doch stark an Vivaldi erinnert, sowie das Con- certo Nr. 3 für Trompete von Johann Wilhelm Hertel (1727 bis 1789). Bei der Auswahl sowie der Anzahl der Soloinstrumente und bei der Gestaltung der diversen Parts scheinen sich die Musiker seinerzeit wohl eher an den Vorlieben des Publikums, der Besetzung der je- weiligen Kapelle und den Fähigkeiten der Beteiligten orientiert zu haben als an abstrakten Regelwerken oder hochfliegenden ästheti- schen Konzepten. Mancher Virtuose schrieb sich schlicht die Kon- zerte für sein Instrument selbst. So scheinen denn die Handschriften aus jener fernen Zeit in erster Linie Auskunft über die Musizierpraxis zu geben. 
Wer solche Werke aufführen will, der muss freilich erheblichen Auf- wand treiben, um aus Autographen ein brauchbares Aufführungs- material zu erstellen. In diesem Falle hat sich die Mühe gelohnt. Kah-Ming Ng und seine Musiker haben für ihre 20. CD ein interessantes Konzept gefunden. Die Solisten sind durchweg exzellent, und die ausgewählten Raritäten werden frisch und schwungvoll präsentiert. Hörenswert! 

Dienstag, 24. Mai 2011

Volkslieder (Carus)

Mit der dritten und letzten CD ist nun das Nachfolge-Projekt der Wiegenlieder vollständig: Auch die Volkslieder sollen das Singen mit Kindern befördern, und wie schon bei den Wiegenliedern werden diese CD ebenfalls durch schön illustrierte Liederbücher, einen Klavierband sowie die Internet-Seite www.liederprojekt.org er- gänzt. So können sich Eltern die lang vergessenen Texte besorgen - und die Noten gleich mit, falls die in dem jeweiligen Haushalt noch jemand lesen kann. 
Falls nicht, ist das aber auch nicht schlimm - viele der Lieder, die hier als "Volkslieder" von namhaften Sängerinnen, Sängern und Instru- mentalisten eingespielt wurden, sind so bekannt, dass garantiert jedermann etwas zum Mitsingen findet.
Unter den Musikern sind Stars wie Tenor Jonas Kaufmann, Roman Trekel, die Liedermacher Konstantin Wecker und Johannes Wader, Dietrich Fischer-Dieskau, Angelika Kirchschlager, Peter Schreier und Kurt Moll, aber auch Ensembles wie der Dresdner Kammerchor, Singer Pur, die Singphoniker oder der Kinderchor der Staatsoper Stuttgart. Die Künstler haben auf ihre Gagen verzichtet, um diese einmalige Sammlung möglich zu machen. Und natürlich gehen pro verkaufte CD und verkauftes Buch wieder zwei Euro an Projekte, die das Singen mit Kindern fördern. 
Das Beiheft freilich weist auch darauf hin, dass der Begriff des "Volks- liedes" dehnbar und belastet ist. Musikantenstadl, allzu romantische Schwärmerei und Marschgesang haben die beteiligten Künstler mit großer Sensibilität vermieden - und stellen hier ihre persönlichen Favoriten vor, zum Anhören und Mitsingen. 

Montag, 23. Mai 2011

Blow: Venus and Adonis (Wigmore Hall Live)

Venus and Adonis von John Blow (1649 bis 1708) gilt als die erste englische Oper. Sie entstand for the entertainment of the King und erklang wahrscheinlich im Sommer 1681 erstmals in Oxford vor König Karl II. Die handelnden Personen sind Venus, die Göttin der Liebe, Adonis, der Gott der Schönheit, und Cupido, der Sohn der Venus, der mit einem seiner Pfeile ver- sehentlich seine Mutter getroffen und so dafür gesorgt haben soll, dass sich die Göttin in Adonis verliebte. Außerdem treten Hirten auf, Jäger, eine Gruppe von Eroten; auch die Grazien tanzen - bis schließlich der von einem Eber tödlich verletzte Adonis herbeigetragen wird, und das Idyll mit einem Trauerchor endet.  
Es ist überliefert, dass bei der Uraufführung des Werkes Moll Davies, eine Mätresse des Königs, in der Rolle der Venus auftrat. Den Cupido sang ihre Tochter Lady Mary Tudor, die damals erst neun Jahre alt war. Eine solche Besetzung traute sich freilich Elizabeth Kenny, die Leiterin des Theatre of the Ayre, nicht, als sie mit ihrem Ensemble im vergangenen Jahr in Wigmore Hall gastierte. Dennoch ließ sie Kinder mitsingen - einige Mädchen vom Salisbury Cathedral Girls' Choir sind als kleine Cupids zu hören, die im zweiten Akt von Cupido unter- wiesen werden. Der Live-Mitschnitt des Konzertes in Wigmore Hall erweist sich generell als eine wirklich hübsche, stimmungsvolle Aufnahme. 

Liszt: The Piano Concertos (Capriccio)

Als Franz Liszt (1811 bis 1886) 1842 nach Weimar ging, hatte er große Pläne. Ein musikalisches Zentrum wollte er aus der Stadt Goethes und Schillers machen. Doch Bürger und Hof waren für die Neudeutsche Schule nur bedingt zu begeistern. Und auch dem Klavier- virtuosen, der in Weimar so manches zu Papier brachte, was er zuvor nur skizziert hatte, wurde die Ruhe in dem thüringischen Städtchen bald zuviel. Zwar hielt er dort etliche Jahre mit Fürstin Carolyne von Sayn-Wittgenstein in der Altenburg aus; komponierte, dirigierte und unterrichtete etliche Schüler. Doch diese Beziehung ging 1861 in die Brüche. Liszt reiste wieder viel, und in seinen letzten Lebensjahren schrieb er vor allem geistliche Musik. 
 In Weimar beschäftigte sich Liszt intensiv mit dem Orchester. Dabei entstanden Werke wie seine beiden Klavierkonzerte. Jenö Jandó hat sie gemeinsam mit dem Budapest Symphony Orchestra unter András Ligeti eingespielt. Die Drei-CD-Box aus dem Hause Capriccio enthält zudem noch die Fantasie über Ungarische Volksthemen für Klavier und Orchester, die Wandererfantasie, die Fantasie über Beethovens "Ruinen von Athen", die Grande Fantaisie symphonique über Berlioz' Lélio, die Malédiction, die Polonaise brillante und die Fantasie über Webers Freischütz sowie den Totentanz für Klavier und Orchester. Die Interpretationen haben Stärken und Schwächen, wobei ich den Solisten deutlich besser finde als das Orchester. 

Sonntag, 22. Mai 2011

A Musical Journey to Russia and France (Genuin)

Rieko Yoshizumi stammt aus Oita, gelegen auf der südjapanischen Insel Kyushu. Sie hatte seit ihrem vierten Lebensjahr Klavierunter- richt, lernte dann in Tokio am staatlichen Gymnasium für Musik und an der legendären Hochschule für Kunst und Musik, und absol- vierte anschließend ein Aufbaustu- dium an der Hochschule für Musik Detmold. Seit 2000 ist sie Profes- sorin an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden.
Auf dieser CD begibt sich die Piani- stin auf Klangreise nach Russland und Frankreich. Modest Mussorgski und Claude Debussy gelten als ziemlich typische Vertreter der Musik des jeweiligen Landes - was könnte russischer sein als das Große Tor und Kiew? Und was französischer als die Hommage à Rameau? Doch Vorsicht! Klischees sind eine heikle Angelegenheit; zumal sich die Komponisten des Mächtigen Häufleins - sie selbst nannten sich Nova- toren - ziemlich intensiv mit dem Schaffen ihrer französischen Kolle- gen auseinandergesetzt haben. Diese wiederum ließen sich Noten aus Russland mitbringen. So sind die Unterschiede letzten Endes gar nicht so gewaltig, und insbesondere Mussorgskis Einzelstücke Une Larme und Méditation zeigen, dass auch die Gruppe der Fünf Einflüssen des Westens nicht gänzlich abgeschworen hatte. Schließt man die Augen und lauscht, so ist der Graben zwischen den Images und den Werken Mussorgskis nicht allzu beeindruckend. 
Rieko Yoshizumi musiziert wunderbar differenziert. Ihr Spiel ist außerordentlich farbenreich, kultiviert und nuanciert; ihre Präzision ist bewundernswert. Sie bietet Zwischentöne und wasserklare Strukturen statt Klangbrei und lärmiges Pathos. Hier ist jeder Akzent wohlüberlegt. All das macht diese Aufnahme zum Erlebnis. Brava! 

Telemann: Lukas Passion 1748 (cpo)

In seiner Funktion als Cantor Johannei und Director Musices der Stadt Hamburg hatte Georg Philipp Telemann unter anderem die Passionsmusik für die Hansestadt zu liefern und zu leiten. Dabei wechselte jährlich das Evangelium, das als Grundlage für die musikali- sche Gestaltung der Gottesdienste diente. Man könnte aber auch sagen: Alle vier Jahre war derselbe Bibeltext zu vertonen. Telemann freilich bereitete es keine Schwierigkeiten, dennoch für Abwechslung zu sorgen. So ließ er den Bericht des Evangelisten an sehr unter- schiedlichen Punkten einsetzen und enden; und auch die Arien sowie die Kirchenliedversen, die das Evangelium kommentierten, boten vielfältige Möglichkeiten zur Variation. 
Von Invocavit bis Judica erklang die Passion dann in den fünf Haupt- und acht Nebenkirchen, jeweils in zwei Teilen, vor und nach der Predigt. 52 Passionen und Passionskantaten von Telemann listet das Werkverzeichnis auf. Anlässlich der 20. Magdeburger Telemann-Festtage wurde das letzte derartige Werk vorgestellt, das noch im Archiv seiner Wiederentdeckung harrte: Die Lukas-Passion aus dem Jahre 1748, neu ediert von Carsten Lange am Zentrum für Telemann- Pflege und -Forschung Magdeburg. 
Hermann Max und seine Ensembles Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert haben das Werk im März 2010 erstmals wieder auf- geführt. Der Live-Mitschnitt dieses Konzertes durch MDR Figaro erschien nun bei cpo. Neben den Solisten Veronika Winter, Sopran, Anne Bierwirth, Alt, Julian Podger, Tenor, Clemens Heinrich, Bass/Jesus und Matthias Vieweg, Bass/Arien und Pilatus, sind etliche Mitglieder der Rheinischen Kantorei in kleineren Partien zu hören. Das Ensemble ist in diesem Falle mit 16 professionellen Sängern besetzt. Die Aufnahme ist sehr gelungen; sie erfreut nicht zuletzt durch eine hohe Textverständlichkeit. 

Mozart: String Quintets (Hyperion)

Als Wolfgang Amadeus Mozart von seinen Italienreisen, auf denen er für seine Opern gefeiert worden war, nach Salzburg zurückgekehrt war, da erschien ihm dieses be- schauliche Städtchen schrecklich provinziell und spießig. Salzburg sei kein Ort für sein Talent, klagte der junge Komponist in einem Brief an einen Freund: "Erstens sind die Leute von der Musik in keinem Ansehen, und zweitens hört man nichts; es ist kein Theater da, keine Oper! -- Wenn man auch wirklich eine spielen wollte, wer würde dann singen?" Und so reisten Vater und Sohn Mozart umgehend nach Wien, in der Hoffnung, bei Hofe  Anstellung  zu erhalten. Kaiserin Maria Theresia aber ließ die Mozarts abblitzen; dort galt die frühere Wunderkind-Show als vulgärer Fami- lienzirkus. 
Also fuhren die Musiker wieder nach Hause, und der siebzehnjährige Wolfgang komponierte fleißig. 1773 entstanden Streichquartette, eine Sinfonie, das erste Klavierkonzert, und das Streichquintett in B-Dur KV 174. Anders als seine Kollegen, ergänzt Mozart dabei das Streich- quartett nicht um ein zweites Cello, sondern um eine zweite Viola; es ist bekannt, dass er die große Schwester der Violine gern spielte und ihren Klang sehr schätzte. Das spürt man auch in den Quintetten, wo die Mittelstimmen generell anspruchsvoll gehalten sind, und teilweise deutlich eigenständige Aufgaben haben. Das gilt auch für die später entstandenen Werke, die noch Haydnscher klingen, und außerordent- lich kunstvoll strukturiert sind - mitunter auch ziemlich düster. Das Nash Ensemble, eines der führenden britischen Streichquartette, hier verstärkt durch den Bratscher Philip Dukes, spielt Mozarts Quintette sehr klassisch, was ihre Nähe zu Haydn noch unterstreicht. 

Samstag, 21. Mai 2011

Libera - Eternal (EMI Classics)

Wie begeistert man Jungs für einen Kirchenchor? Man steckt sie in ziemlich exotische Gewänder - und macht Popstars aus ihnen. Bei Libera jedenfalls, dem Boys Choir der Pfarrei der anglikanischen St. Philip’s Church von Norbury im Süden von London, funktioniert dieses Konzept offenbar prächtig. Chorleiter Robert Prizeman kom- biniert für seine Chorbuben sakrale Musik und handelsüblichen Pop- sound. 
Das Ergebnis klingt mitunter ziemlich wattig-mystisch; die stärksten Stücke auf dieser CD sind ohne Zweifel die "echten" Klassiker, die nicht ganz so viel Puderzucker ab- bekommen haben, wie Mother of God von John Taverner, das Nacht- gebet von Hänsel und Gretel aus Humperdincks gleichnamiger Oper oder Air on the G string von Bach, blitzsauber gesungen in einem Arrangement von Robert Prizeman. Doch welcher Kantor hätte heut- zutage nicht gern ein solches Ensemble mit 25 bis 30 sangesfreudigen Knaben im Alter von sieben bis 16 Jahren!
Und erfolgreich sind die Jungs. Sie haben mittlerweile etliche Alben eingespielt, an den Soundtracks von Kinofilmen wie Romeo und Julia und Hannibal mitgewirkt, und ihre Konzertreisen führen sie bis nach Brasilien. Die Buben singen wie die Engel. Allerdings wird man den Verdacht nicht los, dass auch die Toningenieure an diesem Sound kräftig mitgewirkt haben - gar zu überirdisch hallt manches Lied.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Wiegenlieder (Carus)

Es war ein Erlebnis ganz besonde- rer Art, das den Sänger Cornelius Hauptmann veranlasste, diese Initiative ins Leben zu rufen: In einem Stuttgarter Gymnasium zu Gast, stellte er erschrocken fest, dass kaum einer der 12jährigen noch das Lied Der Mond ist auf- gegangen kennt. In vielen Fami- lien wird überhaupt nicht mehr gesungen. 
Das muss sich ändern, meinte Hauptmann - und begeisterte auch seine Kollegen für ein einzigartiges Projekt: Auf zwei CD spielten die Musiker Schlaf- und Wiegenlieder ein, für jede Woche des Jahres eines. Mehr als 120 Mitwirkende fanden sich zusammen - Sängerinnen und Sänger aller Stimmgattungen, teilweise mit ihren Kindern, En- sembles und Chöre, Pianisten und viele andere, die auf ihre Gage ver- zichteten, um Kinder für das Zuhören und Mitsingen zu begeistern. 
Es ist eine opulente Besetzung. Selbst Peter Schreier und Theo Adam, eigentlich längst im Ruhestand, kehrten für die beiden Wiegenlieder-CD noch einmal ins Studio zurück. Entsprechend gelungen ist die Edition. "Ich treffe auf Menschen, die wissen, dass Kinderohren nur das Allerbeste hören sollten, und denen es ein Anliegen ist, dass unsere traditionellen Schlaflieder weiterleben und Brücken schlagen können zu den etwas anspruchsvolleren Kunstliedern", freut sich Hauptmann. 
Bundeskanzlerin Angela Merkel übernimmt die Schirmherrschaft über dieses Projekt, und der Carus-Verlag erstellt zusätzlich zu jeder CD auch noch ein Liederbuch, das das Mitsingen erleichtert, und einen Klavierband für jene raren Haushalte, in denen die Hausmusik noch nicht gänzlich von Medien geliefert wird. Für  jedes verkaufte Exemplar werden zwei Euro in Projekte investiert, die das Singen mit Kindern fördern. 
Der Rundfunksender SWR2 und auch andere ARD-Rundfunkanstalten senden ein Jahr lang ein "Wiegenlied der Woche", mit Kommentaren zum Liedtext, zur Geschichte und mit Sängerinterviews. Auch der Reclam-Verlag und die Wochenzeitung Die Zeit unterstützen das Wiegenlieder-Projekt. Mitsing-Versionen sämtlicher Lieder nebst Text und Noten sind übrigens auch im Internet zu finden: www.wiegenlieder.org lautet die Adresse der Projekt-Webseite. 

Dienstag, 17. Mai 2011

Märsche aus dem kaiserlichen Wien (Ziehrer-Edition)

Die Österreicher müssen zur Zeit der Monarchie nach Musik schier verrückt gewesen sein. Regiments- kapellen, Platzkonzerte, Marsch- musik, viele, viele Feste, die eben- falls musikalisch umrahmt werden wollten, Operetten, Bälle - kurz und gut, wer das liebevoll zusammen- gestellte Beiheft zu dieser CD liest, der ahnt, wozu die vielen Märsche seinerzeit gut waren. 
Carl Michael Ziehrer (1843 bis 1922), der die meisten der hier vom Original C.M.Ziehrer Orche- ster eingespielten Werke komponierte, war ein Zeitgenosse der Strauss-Söhne. Seine Musik ist der des "Walzerkönigs" durchaus ebenbürtig; er wurde als Kapellmeister des berühmten K.u.k. Infan- terie-Regimentes Hoch- und Deutschmeister Nr. 4 weithin gefeiert, und wurde 1908 zum vierten und letzten k.k. Hofballmusikdirektor ernannt. 
Die jungen Wiener Musiker, die nun sein Erbe pflegen, musizieren mit Leidenschaft und jenem Temperament, das die Musik des versinken- den Habsburger-Reiches einst in ganz Europa so beliebt gemacht hatte. Diese schmissigen Märsche lassen auch gänzlich unmilitärische Menschen beschwingt mitpfeifen - mir jedenfalls gefällt die CD sehr. 

...per flauto (MDG)

Das Ganassi-Consort aus Köln, 1980 gegründet, hat 1988 diese wunderschöne CD mit italienischer Blockflötenmusik des 17. Jahrhun- derts eingespielt. Das Ensemble hatte sich benannt nach Sylvestro Ganassi, Autor des Lehrwerkes La Fontegara, das 1535 erschienen ist und uns heute zeigt, auf welch hohem Niveau damals (Block-) Flötisten musizierten. Die Forma- tion hat sich längst aufgelöst, doch das ändert nichts daran, dass man dieser "alten" Aufnahme mit Gewinn und Freude lauscht. Handwerkliche Perfektion, Musizierlust und obendrein eine geschickte Zusammenstellung von Werken, die bis auf ganz wenige Ausnahmen sonst nirgends zu hören sind, sorgen für Hörgenuss. Bravi! 

Donizetti: Lucrezia Borgia (Nightingale)

In dieser Oper ist die Heldin mal nicht nur Opfer, sondern auch Täterin - und was für eine! Gaetano Donizetti (1797 bis 1848) macht in dieser Oper gemeinsam mit dem Librettisten Felice Romani frei nach Victor Hugo aus der histori- schen Lucrezia Borgia eine Har- pyie, die eine Spur von Leichen hinter sich herzieht - und es auch sonst mit den guten Sitten nicht so genau nimmt. 
Kaum eine andere Heldin hat Männerphantasien derart beschäftigt wie die attraktive und gebildete Fürstin, der man(n) schon zu Leb- zeiten allerlei Ausschweifungen andichtete. Wie aufreizend der Gegenstand noch im 19. Jahrhundert war, das wird schon daran ersichtlich, dass die Premiere des Werkes 1833 an der Scala einen ziemlichen Skandal verursachte. Und da war die deftigste Szene, in der Lucrezias Opfer in ihren Särgen ausgestellt werden, bereits von der Zensur gestrichen. Die abschließende Bravourarie Era desso figlio mio hingegen, die Donizetti auf Drängen der Primadonna komponier- te und später eigenhändig wieder strich, bildet auch hier das Finale. 
Vom Erbe Rossinis findet sich in dieser Oper überhaupt keine Spur mehr. Donizetti schlug hier ein neues Kapital auf, das allerdings ande- re fortschreiben mussten, weil der Komponist 1848 der Syphilis erlag. Lucrezia Borgia ist eine Perle des Belcanto, stark in der musikalischen Gestaltung und Charakterisierung, farben- und ideenreich. Man ver- meint mitunter, eine Partitur von Verdi vor sich zu haben; doch es ist genau anders herum - in den Opern Verdis hört man noch ein Echo Donizettis. 
Die Sängerin Edita Gruberová hat ihr Rollendebüt als Lucrezia 2008 (!) in Barcelona gegeben. Man glaubt es kaum, doch das Geburtsjahr 1946 hört man ihr wirklich nicht an. Die Koloratursopranistin zeigt sich auch in dem vorliegenden Live-Mitschnitt aus dem Jahre 2010, der in der Kölner Philharmonie aufgezeichnet wurde, faszinierend gut in Form. Die Stimme sitzt, da gibt es nichts zu mäkeln. Die slowaki- sche Nachtigall ist ein Sängerwunder, und in Franco Vassallo hatte sie einen rabenschwarzen Don Alfonso an ihrer Seite. José Bros sang ihren Sohn Gennaro heroisch-pathetisch; kein Wunder, dass sich Lucrezia zu ihm hingezogen fühlt. Silvia Tro Santafé führte mit war- mem Mezzo als Maffio Orsini die Runde seiner Kumpane an; die Nebenrollen sind nicht überragend, aber solide besetzt. Zu hören sind zudem der Chor der Oper Köln und das WDR Rundfunkorchester Köln unter Andrej Jurkewitsch. 

Montag, 16. Mai 2011

Bach: Magnificat (Newton)

Aufgezeichnet 1993 in der Jesus-Christus-Kirche Berlin - ursprüng- lich für Philipps - begeistert diese Doppel-CD mit einer fast durchweg erstklassigen Besetzung. Zu hören sind Barbara Bonney, Sopran, Bir- git Remmert, Mezzosopran, Rainer Trost, Tenor und Olaf Bär, Bariton, ein hervorragend studierter Rias-Kammerchor und das ebenfalls exzellente Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach unter Lei- tung von Peter Schreier. 
Es ist sehr erfreulich, dass Newton Classics diese Aufnahme nun wieder zugänglich macht. Sie ist rundum gelungen, und begeistert besonders, weil sie so ganz auf die Sänger, die menschliche Stimme, und damit auf Bachs Botschaft konzentriert ist. Eine der besten Aufnahmen von Bachs Magnificat, kombiniert mit vier Missae, die selten zu finden sind - meine unbedingte Empfeh- lung! 

Sonntag, 15. Mai 2011

Kodaly: Sonata for solo cello (Hyperion)

Großartige Musik für Violoncello, grandios interpretiert. Zoltán Kodály (1882 bis 1967) schuf mit der Sonate für Cello solo op. 8 aus dem Jahre 1915 das wohl faszinie- rendste Werk für dieses Instru- ment seit Bachs berühmten Suiten. 
Kodály schöpfte aus einer reichen Tradition: Gemeinsam mit seinem Freund Béla Bartók reiste er durch Ungarn, und zeichnete mit einem Phonographen die Lieder auf, die auf dem  Lande gesungen wurden. 1906 legten die beiden Musik- ethnologen die erste Ausgabe der derart gesammelten Volkslieder vor - und unterstützten so die Bestrebungen Ungarns, sich aus Habs- burgs Vielvölkerstaat zu lösen. In dem Ringen um Befreiung war die Frage nach der nationalen Identität, nach der originär ungarischen Kultur von Bedeutung, und Bartók und Kodály gaben Antworten, die damals gern gehört wurden.
1912 wurde Kodály Professor an der Hochschule für Musik in Buda- pest. Und während seine ersten Werke rundum ziemlich üppig ausfielen, erscheint seine Kammermusik konzentriert, geradezu diszipliniert in klassischen Formen, in die Kodály  aber jene Harmo- nien, Melodien und Rhythmen kleidete, die er auf seinen Reisen durch das Land erlebt hatte. Für die Streicher, die diese Werke spielen wollen, kann das durchaus Höchstschwierigkeiten bedeuten. So nutzt Kodály bei seiner Cello-Sonate die Skordatur, um Klangfarbe und Ausstrahlung des Instrumentes zu verändern. Die Wirkung ist ganz erstaunlich, wie Solistin Natalie Clein bestätigt: "Ich kann mir vor- stellen, die Kodály (selbst ein Amateur-Cellist) viele Stunden mit seinem Instrument damit verbrachte, die Klänge und Eindrücke seiner musikethnologischen Reisen nachzuempfinden. Das Stück wirkt nicht einsam, wie dies bei einer Solosonate der Fall sein kann; vielmehr höre ich Echos von Zigeunerstreichern, Flöten, Zithern, Pfeifen und die menschliche Stimme. Eine der größten Errungen- schaften von Kodály war seine Kombination von ,Volkskunst' mit einer intellektuelleren, geschulten Annäherung, und das Ergebnis ist sehr lohnend zu spielen." 
Auf dieser CD wird sie ergänzt um die Sonatina von 1922, die Neun Epigramme aus dem Jahre 1954, in denen der Musikpädagoge Kodály seine Lehrmethode demonstriert, sowie die Romance lyrique, ein Frühwerk aus dem Jahre 1898, und das Adagio von 1905/1910 - beides klingt noch sehr nach Brahms, zeigt aber in diesem Zusammen- hang die enorme künstlerische Entwicklung Kodálys innerhalb we- niger Jahre. Natalie Clein, Violoncello, und Julius Drake am Klavier laden ein zu einer Reise an die Grenzen Europas - sehr spannend, und erstaunlich modern. 

Samstag, 14. Mai 2011

Händel: Alessandro Severo / Manzaro: Don Crepuscolo (MDG)

Manche Werke namhafter Kompo- nisten der Barockzeit werden von den Nachgeborenen nur mit Nase- rümpfen zur Kenntnis genommen. Geprägt durch den Genie-Kult der Romantik, durch die Vorstellung des Komponierens als eines weihe- vollen Dienstes an der geheiligten Kunst, fällt es uns schwer, zu ak- zeptieren, dass es in der Barockzeit durchaus üblich war, aus alten Werken neue zu machen. Dieses Verfahren nannte man pasticcio - nach dem Vorbild eines Kuchens, der aus Kuchenresten erzeugt wurde.
Bach beispielweise hatte überhaupt kein Problem mit dieser Art des künstlerischen Recyclings, und auch Händel hat dieses Verfahren genutzt. Er schuf gleich drei Werke, indem er eigene Musik mit einem neuen Libretto versah und dem neuen Funktionszusammenhang an- passte: Oreste (1734), Alessandro Severo (1738) und Giove in Argo (1739). Man kann darüber rätseln, ob es den Komponisten grämte, gelungenes Material aus wenig erfolgreichen Opern in der Schublade verschwinden zu sehen, oder ob er schlicht unter Zeitdruck stand.
Für Alessandro Severo jedenfalls, nach einem Libretto des Metasta- sio-Vorgängers Apostolo Zeno, verwendete Händel 19 Arien, En- sembles und Sinfonien aus Arminio, Giustino und Berenice - Opern der letzten Saison, die der Musikunternehmer in der Tat nie wieder aufführte. Die verbleibenden zehn Arien und ein  Duett stellte er aus anderen, älteren Werken zusammen. Hier und da kleine Änderungen, damit Musik, Text und Handlung harmonieren (mitunter wohl auch, damit die Arien und die Fähigkeiten der Sänger zueinander passen), neue Rezitative und eine neue Ouvertüre - fertig. 
Die Handlung ist ebenso dramatisch wie albern: Julia, die Mutter des Herrschers Alexander, hat diesen mit Salustia verehelicht. Doch wider erwarten ist die Ehe überaus glücklich. Das macht Julia eifer- süchtig; sie überlistet ihren Sohn und lässt sich von ihm ein Doku- ment unterschreiben, das seine Trennung von der geliebten Ehefrau mitteilt. Salustia wiederum, von Julia zur Dienerin degradiert, bittet ihren Vater Marziano um Hilfe. Dieser will Julia vergiften. Doch Salustia vereitelt diesen Plan. Als Marziano und seine Gefolgsmänner kommen, um Julia zu ermorden, rettet Salustia ihre Schwiegermutter erneut. Diese bereut ihre Intrige, und die Oper endet mit allgemeiner Versöhnung und einem Lobpreis der Liebe. 
Alessandro Severo wurde zu Händels Lebzeiten nur einmal aufge- führt, und geriet in Vergessenheit, bis die Oper dann wiederentdeckt und 1997 beim Londoner Händel-Festival erstmals wieder vorgestellt wurde. George Petrou, der für Dabringhaus und Grimm bereits etliche Aufnahmen von Händel-Opern dirigiert hat, stellt bei dieser Erstein- spielung zugleich erstmals auf CD die Armonia Atenea vor, ein Projekt der Athens Camerata, das er seit 2009 leitet. Es singen Kristina Hammarström, Giulia, Mary-Ellen Nesi, Alessandro, Marita Solberg, Salustia, Irina Karaianni, Albina, Gemma Bertagnolli, Claudio und Petros Magoulas, Marziano. Und als Zugabe gibt's Don Crepuscolo, Azione comica d'un atto solo von Niccolò Manzaro - eigentlich Nikolaos Halikiopoulos Mantzaros (1795 bis 1872), der aus Korfu stammt, aber auch in Italien sehr angesehen war. Sein Einakter, der sich über den Antikenwahn seiner Zeitgenossen lustig macht, erweist sich als eine Tour de Force für den Solisten, der die gesamte Show als Einzelkämpfer bestreitet. Bassbariton Christophoros Stamboglis hat an dem Kabinettstückchen hörbar Vergnügen. Musiziert wird generell frisch, theatralisch und stilistisch kompetent. Bravi! 

Freitag, 13. Mai 2011

Liszt: The complete songs (Marsyas)

Das Münchner Label Marsyas legt anlässlich des 200. Geburtstages von Franz Liszt eine Gesamtauf- nahme seiner Lieder vor. Zumin- dest zwei der angekündigten sechs CD sind bei der Klassik-Tochter des renommierten Jazzlabels Enja Records im vergangenen Jahr er- schienen: Kling leise, mein Lied mit dem Bariton Adrian Eröd und Was Liebe sei mit der Mezzosopra- nistin Janina Baechle. Weitere sollten folgen, unter anderem mit der Sopranistin Anne Schwane- wilms, dem Tenor Ferdinand von Bothmer und dem Bassisten Josef Wagner. 
Den Klavierpart übernahm Charles Spencer, der langjährige Liedbe- gleiter von Christa Ludwig - ideal für dieses Projekt, denn er bringt einerseits die virtuosen Klavierbegleitungen Liszts perfekt zur Gel- tung, andererseits erweist sich Spencer aber auch als kongenialer Partner der Sänger, wie die beiden ersten CD zeigen. Liszts Lieder sind interessant; er testet die Form aus bis an ihre Grenzen. Zuweilen geraten ihm diese Werke beinahe schon zu Arien, und sie verlangen oftmals geradezu nach großen Stimmen. 
Nicht immer war Liszt mit seinen Liedern zufrieden. Er hat sie korri- giert, revidiert und manche wohl auch verworfen. Parallel zur CD-Edition war auch eine Gesamtausgabe des Notenmaterials inklusive Begleitbuch bei der Verlagsgruppe Hermann in Wien vorgesehen. Neugierig möchte man prüfen, auf welche Version sich die Heraus- geber abschließend festgelegt haben. Doch im Katalog des Verlegers findet sich von Liszt bislang keine Spur. 
Auch das ambitionierte CD-Projekt, das eigentlich in diesem Jahr abgeschlossen werden sollte, fand bisher offenbar keine Fortsetzung. Das ist schade, denn musikalisch erscheint eine solche Edition durchaus spannend. Schließlich spiegelt das Liedschaffen die Ent- wicklung Liszts wie kaum eine andere Gattung seines Werkes. 

Dienstag, 10. Mai 2011

Cavalli: Artemisia (Glossa)

Francesco Cavalli ( 1602 bis 1676) gehört mit Claudio Monteverdi und Antonio Cesti zu den erfolg- reichsten Opernkomponisten der ersten Generation. Mitte des
17. Jahrhunderts begann in ganz Europa eine rege Nachfrage nach Werken der neuen Gattung. Denn der europäische Adel reiste gern zum Karneval nach Venedig - und Venedig war schier verrückt nach Opern; dort gab es bereits 1637 die erste kommerzielle Oper, und schon bald existierten etliche Opernunternehmen, die untereinander heftig konkurrierten.

Cavalli entwickelte gemeinsam mit dem Librettisten Giovanni Fausti- ni das oftmals kopierte Erfolgsmodell: Eine Liebesintrige, die zwei Paare erst entzweite und dann wieder zusammenführte, allegorisch überhöht, mit anspruchsvollen Arien und einem mitunter bissig kommentierenden Orchesterpart, der aber nicht zu üppig ausfiel - denn die Musiker mussten schließlich auch aus den Einnahmen ent- lohnt werden. 
In der Oper Artemisia, uraufgeführt 1657 in Venedig, treiben Cavalli und sein Librettist Nicolò Minato dieses Prinzip auf die Spitze - hier sind es gleich drei Paare, deren Beziehung in Gefahr ist. Allen voran Königin Artemisia, die heftig um König Mausolo trauert und seinem Mörder Meraspe Rache schwört. Doch der Verbrecher ist nicht etwa entflohen, sondern er steht als Diener Clitarco im Dienst der Königin - und wird von dieser leidenschaftlich geliebt. Das aber kann sie nicht wirklich zulassen. Denn vom Diener trennt sie der Stand, von Meraspe der Mord an Mausolo. 
Clitarco aber wird von Artemia begehrt, der wiederum ein Ramiro hinterherschmachtet. Und die Königin belästigt ihr General Alindo - sehr zum Ärger seiner Verlobten Oronta, die, verkleidet als Aldimiro, in seine Dienste getreten ist, um den Untreuen zurückzugewinnen. Genügend Chaos also, über das sich dann noch drei komische Figuren in einer Nebenhandlung lustig machen dürfen - und Cavalli hat daraus ein Verwirrstück gemacht, dass ebenso reich ist an Tempo wie an schönen Melodien. Artemisia ist zwar ganz sicher noch kein Belcanto, aber schon hörbar auf dem Wege dorthin.
Claudio Cavina und das Ensemble La Venexiana haben diese Oper im vergangenen Sommer erstmals wieder aufgeführt, und wurden dafür zu Recht gefeiert. Ein Mitschnitt dieser offensichtlich halbszenischen Aufführung, die ihre Premiere in Hannover-Herrenhausen hatte, und dann später auch in Frankreich und Italien zu erleben war, ist nun bei dem Label Glossa erschienen - ganz exzellent musiziert, und wirklich zu empfehlen. 

Montag, 9. Mai 2011

Flute Concertos (Profil)

Flötenmusik zwischen Antonio Vivaldi und Louis Spohr. Man lauscht erstaunt - aber ein Blick in das beiliegende Faltblatt, Beiheft kann man das nicht nennen, be- stätigt den Verdacht: Es gibt Flö- tensalat, bestehend aus Einzel- sätzen, Auswahlkriterien nicht nachvollziehbar; Solisten und Begleitorchester sind zwar durch- weg gut bis sehr gut, aber die Auswahl ist auch hier nicht nach- zuvollziehen. Da sind wir von der Edition Günter Hänssler aber eigentlich besseres gewohnt! Flötenkonzerte wünscht man sich mit mehr Würze und auch ein bisschen Hingabe angerichtet, diese beiden Silberscheiben mit ihrem klingenden Chaos jedenfalls machen keinen Appetit auf den nächsten Gang. Zurück in die Küche! 

Sonntag, 8. Mai 2011

Anne Chollet à l'orgue de St-Francois, Lausanne (Gallo)

Die Orgel in der Pfarrkirche Saint-Francois von Lausanne wurde 1776/77 von Samson Scherrer erbaut. Knapp hundert Jahre später, das Klangideal hatte sich gewandelt, wünschte sich der Organist ein expressiveres Klang- bild - und ließ die Orgel auf eigene Kosten durch die Firma Walcker umbauen. Im 20. Jahrhundert veranlassten seine Nachfolger erneut Erweiterungen; die Firma Kuhn aus Männedorf baute das Instrument drastisch aus und zudem eine elektrische Traktur ein. 
In den 90er Jahren wurde die Kirche saniert. Dafür musste auch die Orgel ausgebaut werden. Die Gemeinde entschied sich, bei dieser Gelegenheit die Orgel grundsätzlich in ihrem gewachsenen Zustand zu belassen. Allerdings wurde durch Kuhn wieder auf eine mechanische Traktur umgestellt. Die Register wurden auf fünf Manuale verteilt, und zuvor stumme Pfeifenbestände von Scherrer wurden wieder spielbar gemacht. Der französisch-orchestrale Charakter des Instru- mentes blieb erhalten.
Darauf setzt die Organistin und Pianistin Anne Chollet, ausgebildet am Lausanner Konservatorium. Auf dieser CD spielt sie die Bilder einer Ausstellung von Modest Mussorgski, Bachs berühmte Chaconne und den Totentanz von Franz Liszt. An ihrer Fingerfertigkeit gibt es nichts zu mäkeln, allein ihre Registratur finde ich nicht besonders geschickt. Denn dort fehlt die Abwechslung. Alles versinkt in einem weichen, pseudoromantischen Klangbrei; Extreme meidet Chollet. Doch so geht den Charakterstücken Mussorgskis der Charakter verloren. Bachs Chaconne wird langweilig. Und Liszts Totentanz gerät zu einem ziemlich beliebigen virtuosen Einerlei. Schade drum.

Pleyel: Klavierwerke (Gramola)

Joseph Stephan Camille Pleyel (1788 bis 1855) war der älteste Sohn des Musikunternehmers Ignaz Joseph Pleyel. Er hat ganz offenbar das Talent seines Vaters geerbt, und wurde ein heraus- ragender Klavierbauer, erfolgrei- cher Verleger, Komponist und einer der besten Pianisten seiner Zeit. Wie exzellent er das Instru- ment beherrschte, davon gibt Masha Dimitrieva auf dieser CD einen Eindruck. Die Pianistin erhielt ihre Ausbildung am Moskauer Konservatorium, der großartigen russischen Klaviertradition folgend - und sie spielt wahrlich beeindruckend. Über Figurationen, die wie gestochen im Raum stehen, errichtet sie Melodiebögen, die wie Brücken den Hörer durch diese Flut an pianistischen Einfällen gelei- ten. Pleyels Werke sind außerordentlich anspruchsvoll; sie verlangen von einem Interpreten nicht nur Virtuosität, sondern auch Sinn für Phrasierung und dynamische Gestaltung. Dimitrieva bringen diese brillanten Kabinettstücke nirgends in Verlegenheit. Sie stellt sich mit Spielfreude, ja mit Humor jeder Herausforderung - und demonstriert dabei ganz nebenbei die Klangmöglichkeiten des herrlichen Hammer- flügels Opus 1614 von Ignaz Joseph Pleyel aus dem Jahre 1831, der sich im Besitz des Pleyel-Museums im niederösterreichischen Ruppersthal befindet.

Ritual Obsessions (Genuin)

Zwei Klaviere und Schlagwerk - Béla Bartók schrieb für diese Besetzung eine Sonate, die unter Eingeweihten als Gipfelpunkt in seinem Schaffen gehandelt wird. Denn ihre Strukturen sind die pure Mathematik; man fühlt sich da ein wenig an die Zeiten vor Bach erinnert, als die Musik nicht nur als eine rhetorische, sondern vor allem auch als eine mathematische Kunst galt. 
Davon freilich ist beim Anhören dieser CD nichts zu spüren. "Nach- dem wir die Bartók-Sonate und ,Le Sacre du Printemps' zwei Jahre lang immer wieder aufgeführt und neu überdacht hatten, war die Aufnahme letztlich eine völlig freie Begegnung mit fantastischer Musik. Sollte es gelungen sein, auf dieser CD eine Ahnung der ent- spannten und fröhlichen Atmosphäre jener Apriltage in Lübeck wiederzugeben, wäre das für uns die größte Freunde", schreiben Lucia Huang, Sebastian Euler, Johannes Fischer und Domenico Mel- chiorre im Beiheft.
Die Pianisten, die seit 1999 als Duo d'Accord konzertieren, und die beiden Schlagzeuger, die seit 2006 als eardrum percussion duo gemeinsam musizieren, haben Strawinskis Ballett kongenial an diese Besetzung angepasst. Die Frage, ob das erlaubt ist, stellt sich ohnehin nicht - der Komponist selbst hat seinerzeit bereits eine Fassung für Klavier zu vier Händen veröffentlicht. "Basis unserer Interpretation war Strawinskis eigene Reduktion seines Balletts für Klavier zu vier Händen. Diese haben wir dann für die erweiterten Möglichkeiten von zwei Klavieren bearbeitet und dann erst einmal die Pauken- und Schlagzeugstimmen der Orchesterfassung hinzugenommen", berich- ten die Musiker. "In der sich über einen langen Zeitraum erstrecken- den Probenarbeit wurde dann viel mit der Stimmenverteilung expe- rimentiert mit dem Ziel, all das Material, das Strawinski aus techni- schen Gründen in seinen Klaviersatz nicht integrieren konnte, schlüssig in unseren Quartettklang einzubetten. An einigen Stellen erscheint dies sehr vordergründig, oft aber so subtil, dass man nur eine ,neue' Instrumentalfarbe wahrzunehmen meint, deren Elemente im Gesamtklang nicht zu orten sind." 
Das Ergebnis muss man gehört haben - denn diese Version klingt gänzlich anders als die oftmals träge-sinnlich interpretierte Orche- sterfassung. Sie ist erstaunlich transparent, mitunter schroffer und kantiger als das Original,  reduziert und kraftvoll, von einer bedroh- lichen Anmut. Grandios! 

Samstag, 7. Mai 2011

Pfeiffer: Overtures & Concertos (Accent)

In den 80er Jahren bemühten sich Künstler und Restauratoren, den Verfall von Schloß Batzdorf auf- zuhalten. Das Rittergut, gelegen in den Elbhängen zwischen Dresden und Meißen, bestand schon im Mittelalter - und entsprach nicht gerade dem Ideal sozialistischen Wohnraums. So war die Gemeinde Scharfenberg nicht abgeneigt, als sich 1983 die Künstler meldeten, die das Anwesen sanieren und sich dort niederlassen wollten. 1990 gründeten sie den Verein Schloß Batzdorf e.V., um das alte Gemäuer endgültig erwerben zu können.
Damals begannen die Bewohner dieser etwas anderen WG auch damit, in das alte Schloß mit seinem historischen Rittersaal zu Konzerten einzuladen. 1993 fand sich dort ein Ensemble zusammen, das sich mit einer gewissen Ironie Batzdorfer Hofkapelle nannte. Die Musiker hatten hervorragende Ideen; so starteten sie mit der szenischen Aufführung eines Hasse-Intermezzos die Batzdorfer Barockfestspiele. Was als "No-Budget"- Projekt befreundeter Musiker begann, das hat sich mittlerweile aufgrund der exzellenten künstlerischen Qualität zu einer regionalen Kultveranstaltung entwickelt. Später kamen Pfingst- spiele und der Batzdorfer Adventsmarkt dazu, die ebenfalls alljährlich zahlreiche Gäste in das wiedererstandene Schloss locken.
Die Batzdorfer Hofkapelle ist mit ihren Produktionen mittlerweile europaweit bekannt und etabliert. Hatten sich die Musiker, durchweg ausgewiesene Spezialisten für Alte Musik, anfänglich auf die Schätze konzentriert, die im reichen Handschriftenbestand der Dresdner Staatsbibliothek schlummerten, finden sie ihre Anregungen nunmehr auch jenseits der Grenzen Sachsens. So haben sie 2009 bei einem Konzert in Neumarkt Werke Johann Pfeiffers (1697 bis 1761) vorge-stellt. Es wurde vom Bayerischen Rundfunk mitgeschnitten und erschien nun als CD bei Accent.
Pfeiffer, Sohn eines Nürnberger Glasermeisters, studierte in Leipzig und Halle/Saale, und trat 1720 als Geiger in den Dienst Herzogs Ernst August von Sachsen-Weimar. 1726 wurde er Konzertmeister der Weimarer Hofkapelle, und begleitete den Herzog auf Reisen - 1733 beispielsweise nach Bayreuth. Dort begann die Schwester des preußi- schen Kronprinzen Friedrich als Gattin des Erbprinzen Friedrich von Brandenburg-Bayreuth damals gerade mit dem Aufbau eines Hofes, der diesen Namen auch verdiente. Sie engagierte Pfeiffer 1734 als Hofviolinisten, und machte ihn bald darauf zum Kapellmeister. Wilhelmine, musikalisch offenbar bereits in Berlin sehr gut geschult, nahm Kompositionsunterricht bei Pfeiffer. Ihr Lieblingsinstrument war die Laute; sie war von dem berühmten Dresdner Lautenisten Sylvius Leopold Weiss ausgebildet worden, und selbstverständlich nahm Hoflautenist Adam Falkenhagen, ein Kollege Pfeiffers bereits in Weimar, in der Hierarchie der Hofkapelle des Markgrafen hinter dem Kapellmeister den zweiten Rang ein.
Für Falkenhagen schuf Pfeiffer möglicherweise sein Konzert für Laute, Streicher und Basso continuo B-Dur, das Möglichkeiten und Stärken dieses Instrumentes sehr schön zur Geltung bringt. Überhaupt zeu- gen die Werke des Komponisten davon, dass dieser oftmals seine Musik für die verfügbare Besetzung  und nach dem Geschmack seines jeweiligen Dienstherrn geschaffen hat - und zwar so, dass trotz diverser Beschränkungen letzten Endes ein repräsentables Ergebnis entstand: Klangvoll, mehr oder weniger modern, stets originell, ge- legentlich sogar überraschend. Ein Bravi! an die Musiker der Batz- dorfer Hofkapelle für diese Entdeckung.

Freitag, 6. Mai 2011

Richter: Sonatas for Flute, Harpsichord and Cello 1 (Naxos)

Die Werke von Franz Xaver Richter (1709 bis 1789) verraten, dass der Musiker, der aus Mähren stammt, eine ausgesprochen solide Ausbil- dung erfahren haben muss. Es wird spekuliert, er sei ein Schüler des kaiserlichen Kapellmeisters Jo- hann Joseph Fux in Wien gewesen; belegt ist das freilich nicht. Denn über seine Kindheit und Jugend wissen wir so gut wie nichts. Rich- ter selbst schrieb, er sei in Italien gewesen. 
Er wirkte zunächst als Bassist am Stuttgarter Hof, dann als Musikdirektor in Ettal. 1740 ging Richter als Vize-Kapellmeister zum Fürstabt von Kempten im Allgäu, Anselm von Reichlin-Meldegg. 1747 ist er dann unter den Hofmusikern von Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz zu finden. In der berühmten Mannheimer Hofkapelle war er als Sänger engagiert, und er hat zudem fleißig komponiert. Richter schrieb während seiner Mannheimer Jahre etliche Sinfonien und auch zahlreiche geistliche Werke. So schuf er 1748 für den Kurfürsten das Karfreitagsoratorium La deposizione dalla croce. In den 1750er Jahren reiste er nach Frankreich, England und in die Niederlande. 
Zu den Schülern Richters gehörten Henri Joseph Riegel, Carl Stamitz, Frantisek Xaver Pokorný und Joseph Martin Kraus. 1767 vollendete er seine Kompositionslehre Harmonische Belehrungen oder gründli- che Anweisung zu der musikalischen Ton-Kunst oder regulairen Composition, die er Kurfürst Carl Theodor widmete. 1768 wurde er von seinem Dienstherrn zum Kammerkompositeur ernannt. Im April 1769 ging er als Domkapellmeister nach Straßburg. 
Diese CD enthält die ersten drei seiner zwölf sonate da camera für obligates Cembalo, Flöte oder Violine und Violoncello. Es handelt sich dabei um Triosonaten, in denen alle drei Instrumente interessan- te Aufgaben finden. So ist hier das Cembalo mitnichten auf die Conti- nuo-Begleitung reduziert, und die Flöte wiederum, die sich mit der Cembalo-Oberstimme die Soli zuspielt, übernimmt gelegentlich auch die Begleitfunktion. Richters Sonaten sind musikalisch ungemein spannend, elegant und ausdrucksvoll. Die jungen finnischen Musiker Pauliina Fred, Traversflöte, Heidi Peltoniemi, Violoncello und Aapo Häkkinen, Cembalo, haben daran hörbar Vergnügen. Weitere Auf- nahmen sind offenbar geplant; auf die Fortsetzung dieses Projektes darf man gespannt sein. 

Liszt: Complete Piano Transkriptions from the Operas of Richard Wagner (Neue Sterne)

"Ich sah Liszt eine Probe zu mei- nem Tannhäuser dirigieren und war erstaunt, durch diese Lei- stung mein zweites Ich wieder zu erkennen: was ich fühlte, als ich diese Musik erfand, fühlte er, als er sie aufführte; was ich sagen woll- te, als ich sie niederschrieb, sagte er, als er sie ertönen ließ. Wunder- bar!", lobte Richard Wagner seinen Kollegen, Freund und späteren Schwiegervater. 
Franz Liszt (1811 bis 1886) sorgte nicht nur für die Uraufführung des Lohengrin 1850 in Weimar, sondern er spielte Wagners Werke auch selbst gern und viel in Salons und Konzerten. Dafür schuf er Klavier- transkriptionen, wie dies damals üblich war - allerdings sind Liszts Bearbeitungen nicht die typischen "Best-of"-Auszüge zum Hausge- brauch für die höhere Tochter, sondern Virtuosenstücke, geschaffen, um zu beeindrucken. Liszt lässt sich von Wagners Werken inspirieren, doch was er dann daraus macht, das hat durchaus sehr eigenständige Qualität. So reizt den Klaviervirtuosen nicht das eigentliche Lied der Spinnerinnen aus dem Fliegenden Holländer, sondern vielmehr die Klangmalerei, mit der Wagner die Arbeit des Spinnens beschrieb. Es ist beeindruckend, was Liszt daraus macht. Und Albert Mamriev lässt die Tasten sausen. Der junge Pianist spielt Liszts Wagner-Transkrip- tionen mit der angemessenen virtuosen Brillanz. Aber etwas mehr Mut zur eigenständigen musikalischen Gestaltung darf Mamriev in Zukunft gern zeigen. 

Viotti: Violin Concerts (Dynamic)

Giovanni Battista Viotti (1755 bis 1824) gilt - obwohl er selbst wenig unterrichtet hat - als einer der Väter der modernen Violintechnik. Er war ein Schüler von Gaetano Pugnani, der wiederum bei Tartini studiert hatte. 1775 trat Viotti in Turin in die königliche Kapelle ein, damals ein angesehenes Or- chester; 1780 begleitete er seinen Lehrer Pugnani auf eine Konzert- reise, die die beiden Virtuosen bis nach St. Petersburg führte.
1782 trat Viotti in Paris erstmals im Concert Spirituel auf, und ließ sich anschließend in Paris nieder, wo er mit seinen Werken beim Adel und bei Hofe sehr erfolgreich war. So stand er im Dienst von Königin Marie Antoinette. 

Nach dem Ausbruch der Revolution floh Viotti nach England. Dort wiederum wurde er bald verdächtigt, für die Revolutionäre zu spio- nieren, und sah sich gezwungen, das Land zu verlassen. Der Virtuose verbrachte einige Jahre in Deutschland, pendelte den Rest seines Lebens zwischen London und Paris, zunächst als Teilhaber eines Weinhandels, der wohl grandios scheiterte, und dann auf Wunsch Ludwigs XVIII. als Intendant des Théatre Italien sowie der Opéra; damit war er aber ebenfalls nicht besonders erfolgreich. 1821 kehrte er endgültig nach London zurück. 
Viotti muss ein großartiger Violinvirtuose gewesen sein. Seine Violin- konzerte - 29 an der Zahl - beeindrucken weniger durch artistische Mätzchen als vielmehr mit herrlichen Melodien, Anmut und einer überaus modernen harmonischen Gestaltung. Sie wurden zum Vor- bild für eine ganze Generation, und prägten die französische Violin- schule mit stilistischen Modellen, die von Pierre Rode, Pierre Baillot und Rodolphe Kreutzer, aber auch von Mozart, Beethoven und Brahms bewundert und weitergeführt wurden. 
Das Label Dynamic hat die erste Gesamteinspielung seiner Konzerte für Violine und Orchester vorgelegt, mit Franco Mezzena als - glanzvollem - Solisten, der zugleich die Symphonia Perusina leitet. Die vorliegende Box enthält die CD 3, 6 und 7 daraus mit den Konzer- ten Nr. 5, 6, 7, 9, 13, 15, 16, 17 und 23. Ich kann die Aufnahme sehr empfehlen - und es ist wundervolle Musik, an der Schwelle von der Klassik zur Frühromantik, mitunter mit einem Hauch galanter Nostal- gie. 

Mittwoch, 4. Mai 2011

Rameau: Zais / Hippolyte et Aricie (Crystal Classics)

Jean-Philippe Rameau (1683 bis 1764) stammte aus einer Organi- stenfamilie, und lange sah es so aus, als sollte er ebenfalls sein Da- sein in diesem Beruf fristen. Der Komponist war schon 50 Jahre alt, als er Hippolyte et Aricie, seine erste tragédie en musique, auf die Bühne brachte - und über Nacht damit berühmt wurde. Er sollte noch etliche weitere Werke für die Bühne schaffen, die ihm Wohlstand und eine große Anhängerschar bescherten. 
Ludwig XV. erhob Rameau in den Adelsstand, er wurde 1845 zum Compositeur de la Musique du Cabinet du Roi ernannt, und erhielt obendrein eine Pension in Höhe von 2000 Livres. Rameaus Musik folgt der französischen Tradition; sie ist einfallsreich, aber für heutige Ohren auch reichlich konventionell. Michi Gaigg spielt die Orchester- suiten aus Zais und Hippolyte et Aricie mit ihrem L'Orfeo Barock- orchester frisch und tänzerisch, sehr passend für das ballettlastige französische Musiktheater jener Zeit. 

Dienstag, 3. Mai 2011

Sarasate: Music for Violin and Orchestra 3 (Naxos)

Die junge chinesische Violinistin Tianwa Yang - Jahrgang 1987 - legte kürzlich bei Naxos den drit- ten Teil ihrer Gesamteinspielung der Werke des großen spanischen Violinvirtuosen Pablo de Sarasate (1844 bis 1908) für Violine und Orchester vor. Ihre Technik ist erneut exzellent, und ihre Gestal- tung zeugt von einem ausgepräg- ten Sinn für den musikalischen Effekt, ohne aber gar zu zirzensisch zu werden. 
Yang spielt die Konzertfantasie über Mozarts Zauberflöte op. 54 sowie den ersten Solopart von Navarra op. 33 auf einem Instrument Sarasates, einer Violine von Jean Baptiste Vuillaume aus dem Jahre 1842. Den zweiten Solopart dieses Stückes sowie das charmante Muineiras op. 32, die Nouvelle fantaisie sur Faust de Gounod op. 13, die Barcarolle vénitienne op. 46 sowie  Introduction et Caprice-Jota op. 41 spielt sie auf der von ihr normalerweise genutzten Violine, die aus derselben Werkstatt stammt.  Begleitet wird sie vom Orquesta Sinfónico de Navarra, gegründet 1879 von Sarasate, und bei dieser Aufnahme dirigiert von Ernesto Martínez Izquierdo, der das Orchester seit 1997 leitet.
Wer Sarasate sagt, der kommt an der jungen Solistin nicht mehr vor- bei, die sich zunehmend zu einer Expertin für sein ziemlich umfang- reiches Werk entwickelt. In dieser enzyklopädischen Vollständigkeit, wie sie Naxos hier offenbar anstrebt, ist seine Musik ohnehin nie zuvor auf Tonträger zugänglich gemacht worden.  

Montag, 2. Mai 2011

Liszt: Années de Pèlerinage; Dratva (Oehms Classics)

Gratulation an Oehms Classics - denn das nenne ich eine Idee: Liszts Années de Pèlerinage - und zwar der erste Teil, Première Année - Suisse, eingespielt ausge- rechnet auf Wagners Flügel in Bayreuth. Diesen prächtigen Steinway schenkten die New Yor- ker Klavierbauer dem Komponi- sten 1876 zur Eröffnung der ersten Bayreuther Festspiele. Das Instru- ment, das aus Palisander gefertigt wurde, überstand den Krieg eben- so schadlos wie die langjährige Betreuung durch Klavierbauer, die ja meistens behaupten, dass Konzertflügel nicht mit Anstand altern können - schon gar nicht jene Exemplare, die viel gespielt werden. Dieses Instrument beweist, dass dies sehr wohl möglich ist; nur darf man nicht erwarten, dass ein historisches Klavier genauso klingt wie eines, das soeben die Fabrik verlassen hat. 
Auch Wagners Steinway tönt nicht wie ein moderner Flügel der be- rühmten Klaviermanufaktur, deren Steinway D mittlerweile faktisch zum Konzertsaalstandard geworden ist, und damit natürlich auch Aufnahmen und Hörgewohnheiten prägt. Das Instrument aus dem Haus Wahnfried klingt wärmer, farbiger, sanglicher und nicht so stählern-direkt wie die heutigen Konzertflügel, nicht ganz so brillant und ausgeglichen, im Bass sonor und im Diskant silbrig. Auf die Klangunterschiede der Register muss sich ein Pianist einstellen; Tomas Dratva gelingt das exzellent. 
Der Pianist hat vor dieser Aufnahme zudem umfassende Quellen- studien betrieben, was in erster Linie die Auseinandersetzung mit dem Originalmanuskript des Werkes bedeutet, das sich heute in der Russischen Nationalbibliothek St. Petersburg befindet. Dratva zeigt sich davon sehr beeindruckt: "Von Liszts Handschrift geht eine große suggestive Wirkung aus." Die Notizen des großen Klaviervirtuosen "geben deutliche Interpretationshilfen", so Dratva, "welche der gra- phisch einebnende Notendruck nicht in dieser Weise wiedergeben kann." Liszts Reinschrift sieht der Pianist als die verbindliche Version an. Das ermöglichte etliche Korrekturen, und prägt diese Interpreta- tion ganz entscheidend. 
Wagners Konzertflügel wiederum erweist sich als das ideale Instru- ment für dieses Werk, denn zum einen hat Liszt selbst mehrfach damit musiziert, und das Klangbild offenbar geschätzt. Zum anderen passen die Tonbilder der Années sehr schön zum sanglichen Klangbild dieses Flügels. Das ist spannend, und das ist ein würdiger Auftakt zum Liszt-Jahr 2011, im Gedenken an den 200. Geburtstag des Virtuosen. 

Sonntag, 1. Mai 2011

Mozart Overtures; Marcon (Deutsche Grammophon)

"Von der ouverture haben sie nichts als 14 Täckt. – die ist ganz kurz – wechselt immer mit forte und piano ab; wobey beym forte allzeit die türckische Musick einfällt. – modolirt so durch die töne fort – und ich glaube man wird dabey nicht schlafen können, und sollte man eine ganze Nacht durch nichts geschlafen haben", schrieb Wolfgang Amadeus Mozart seinerzeit an seinen Vater Leopold. Nicht nur die Ouvertüre zur Ent- führung aus dem Serail ist beein- druckend; auch bei den anderen Werken, die Mozart einst seinen Opern und Singspielen voranstellte, dürfte man kaum einnicken - zumindest dann nicht, wenn man hört, was Andrea Marcon und das Basler Barockorchester La Cetra daraus machen. 
Musiziert wird frisch und sinnlich - und zugleich handwerklich über- aus fundiert. Marcon, der einst an der Schola Cantorum Basiliensis studiert hat, lehrt dort heute als Professor. Seit zwei Jahren leitet er zudem La Cetra, das Absolventenorchester der Hochschule, die sich auf Alte Musik spezialisiert hat. Die Präzision in Phrasierung und Artikulation, die die Musiker aus ihrer Auseinandersetzung mit barocker Musik heraus gewohnt sind, bekommt auch Mozarts Musik ganz hervorragend. 
Was man hier erlebt, das ist nicht Kunsthandwerk nebst populärem Sahnehäubchen, sondern Wissen und Können, gepaart mit Respekt vor der Partitur. Marcon lässt Mozart zu Wort kommen - und verhilft so seinen Ouvertüren zu struktureller Klarheit, beeindruckender Durchhörbarkeit und individueller Klangsprache. Das ist ein sehr interessanter Ansatz, denn er zeigt auch die Entwicklung Mozarts von seinen ersten Werken, die noch ganz der barocken Tradition folgen, hin zu seinen späten Opern, die mitunter sogar schon nach Frühromantik klingen.