Montag, 15. August 2011

Beethoven: Complete Works for Solo Piano - Volume 10; Brautigam (BIS)

Große Geister erkennt man daran, wie sie mit Kleinigkeiten umgehen. Ludwig van Beethoven beispiels- weise hat eine ganz enorme Schar sogenannter Bagatellen kompo- niert - kleine Stücke, die oftmals als eine Art klingendes Souvenir für Freunde und Bekannte bestimmt waren. Mitunter erscheinen sie aber auch wie musikalische Rätsel, die ein technisches Problem aufzeigten, und es anschließend lösten. Gerade solche Miniaturen sprühen oft von Geist und Witz. Doch auch etliche jener Sätze, die der Komponist ursprünglich als Bestandteile von Sonaten geschrieben und dann verworfen hat, werden dieser Werkgruppe zugerechnet. Sie alle finden sich auf dieser CD wieder, denn Ronald Brautigam hat hier im Rahmen seiner Gesamteinspielung von Beethovens Klavierwerk sämtliche Bagatellen zusammengefasst. 
Der niederländische Pianist spielt die zumeist kurzen Stücke mit der- selben Sorgfalt, die er auch Beethovens Klaviersonaten angedeihen lässt. Das bekommt den Miniaturen ausgezeichnet, denn es gibt ihnen das Gewicht zurück, das sie als Werke eines Titanen haben. Wer bei- spielsweise Für Elise einmal völlig unverkitscht hören möchte - auf dieser CD wird das Stück ernstgenommen, und so klingt es dann auch etwas anders als gewohnt. 
Dieser Effekt wird noch unterstützt durch die beiden Instrumente, die Brautigam einsetzt. Dabei handelt es sich um zwei Nachbauten histo- rischer Hammerflügel, die in der Werkstatt von Paul McNulty ent- standen sind. Das eine Fortepiano ist die Kopie eines Instrumentes von Anton Walter & Sohn, um 1805. Der k. k. Kammerorgelbauer und Instrumentenmacher gehörte zu den berühmten Klavierbauern zur Zeit der Wiener Klassik. Mozart schätzte seine Instrumente sehr, und auch Beethoven hat sie gespielt. Das andere entstand nach dem Fortepiano Graf opus 318, gebaut wahrscheinlich 1819, das sich auf einem Schloss in der Nähe von Pilsen befindet. Conrad Graf, k. k. Hofpiano und Claviermacher, hat nachweislich 1825 eines seiner Instrumente an Beethoven geliefert. 
Mit ihrem Klang, der von dem des modernen Konzertflügels so gänz- lich verschieden ist, erleichtern sie den Versuch, die Bagatellen neu zu hören - nicht als kleine Stückchen für die Klavierstunde der Toch- ter aus besserem Hause, sondern als kurze Blicke in die Werkstatt eines bedeutenden Komponisten. Das macht diese CD ungemein spannend.  

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