Freitag, 12. August 2011

Graun: Montezuma (Capriccio)

"Liebste Schwester! Ich erlaube mir, Dir einen Mexikaner zu Füßen zu legen, der noch nicht ganz kul- tiviert ist. Ich habe ihm Franzö- sisch beigebracht; jetzt soll er Italienisch lernen", schrieb Fried- rich der Große an Wilhelmine. Der König höchstpersönlich hatte in französischer Prosa das Libretto verfasst, sein Hofdichter brachte es anschließend in italienische Verse. Und gemeinsam mit Carl Heinrich Graun, seinem Hofkapellmeister, setzte sich der König auch über so manche Konvention der italienischen Oper hinweg: "Die Mehrzahl der Arien soll kein Dacapo erhalten; nur die zwei Arien des Kaisers und der Eupaforice sind dazu bestimmt", kündigte er seiner Schwester an. Zudem eilt am Schluss des Werkes kein Gott herbei, um Montezuma, den König der Mexikaner, und sein Volk vor dem Spa- nier Cortes zu erretten. Die Oper endet mit dem Schreckenschor der Azteken, die versuchen, den Flammen und dem Gemetzel zu entrin- nen - wahrlich nicht das genretypische Happy End.
Musikalisch ist das alles perfekt umgesetzt; Graun hat sein Handwerk verstanden, und auch das Fünkchen Genie, das aus einer historisch interessanten Komposition eine noch heute anhörenswerte macht, war hier beteiligt: Montezuma ist eine grandiose Opera seria. Die vorliegende Aufnahme aus dem Jahre 1992, aufgezeichnet im Kölner Gürzenich, bringt Grauns Werk sehr gut zur Geltung. Amüsanterweise wird diese Oper hier durchweg von Frauenstimmen gesungen. Doch das Ensemble ist sehr ausgewogen besetzt, und die Deutsche Kammerakademie musiziert unter Johannes Goritzki ebenfalls sehr hörenswert. 
Friedrich II., der König von Preußen, zeigte in seinem Libretto exemplarisch, was geschieht, wenn ein allzu aufgeklärter Herrscher auf die Kraft der Vernunft statt auf schlagkräftige Truppen setzt. 1755 hatte diese Oper in Berlin Premiere; ein Jahr später marschierte der König, der doch eigentlich ein Aufklärer war, in Sachsen ein, um einem Angriff auf Preußen zuvorzukommen: Der Siebenjährige Krieg hatte begonnen. 

Keine Kommentare: