Donnerstag, 29. September 2011

Fauré: Requiem (Collegium records)

Gabriel Fauré (1845 bis 1924) hat ziemlich viel Vokalmusik kompo- niert. Auf dieser CD sind seine bekanntesten geistlichen Werke versammelt - vom Requiem über Ave verum Corpus und Tantum ergo über Ave Maria und Maria, Mater gratiae sowie Cantique de Jean Racine bis hin zur Messe Basse. Diese Werke sind eher für ihre raffinierte Harmonik als gesangliche Virtuosität berühmt; man sollte sich aber nicht täuschen lassen - denn einfach ist es nicht, sie brillant aufzuführen. 
The Cambridge Singers haben hier unter Leitung von John Rutter eine mustergültige Einspielung vorgelegt, die die Innigkeit und schein- bare Schlichtheit von Faurés Werken ganz ausgezeichnet zur Wirkung bringt. Die Sänger werden von Mitgliedern der City of London Sinfo- nia begleitet; die Orgel spielt John Scott, die Solovioline Simon Stan- dage. Interessanterweise hat sich Rutter beim Requiem für eine Version aus dem Jahre 1893 entschieden, die ein Libera me sowie ein In paradisum enthält, die man normalerweise nicht zu hören be- kommt. Und die Orgelstimme des Cantique de Jean Racine hat Rutter für Bratschen, Violoncelli, Kontrabässe und Harfe arrangiert. Das funktioniert erstaunlich gut, und sorgt klanglich für Abwechslung. 

Chopin & Mendelssohn: Cello Sonatas (Onyx)

"Welches Glück hatten wir Cellisten doch mit diesen beiden monumentalen Werken aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die unserem Instrument Tribut zollen!", meint Pieter Wispelwey. "Obwohl eine eindrucksvolle Schar von Violinvirtuosen für eine Flut von Konzerten für ihr Instrument von den Großmeistern dieses Jahrhunderts verantwortlich waren, lag es nicht an einem Mangel an Slawas in dieser Ära, dass dem Cello nicht die gleiche Ehre erwiesen wurde. Giganten des Cellos wie Romberg, Dotzauer, Servaise, Dawidow und Popper waren in der Erkundung der Mög- lichkeiten des Instruments enorm kreativ. Aber seine letztendliche Emanzipation musste bis zum nächsten Jahrhundert warten." 
Insbesondere auch Cellosonaten aus dieser Epoche sind ein rares Gut. Desto leidenschaftlicher spielen Pieter Wispelwey und Pianist Paolo Giacometti hier zwei der wenigen grandiosen Werke aus dieser Zeit für das Violoncello - die Cellosonate in g-Moll op. 65 von Frédéric Chopin und die Cellosonate Nr. 2 in D op. 58 von Felix Mendelssohn Bartholdy. "Chopin schuf ein polyphones Wunder, üppig und seelen- voll, elegant wie eine Geschichte von Turgenjew, spannend wie ein Roman von Balzac", so Wispelwey. "Mendelssohns Sonate ist unsere 'Italienische' Sinfonie, ein Erguss von Energie, sprühend und festlich, aber nicht ohne den Kontrapunkt von Schatten und Schmerz. Cellisten sind für beide Stücke, für ihre Großzügigkeit und Tiefe ewig dankbar." Und als Zugabe bringen die beiden Musiker Mendelssohns berühmtes Lied ohne Worte - und Chopins Walzer op. 64 in einem Arrangement von Karl Juljewitsch Dawidow, eine Referenz an den "Zaren unter den Cellisten", wie ihn seine Zeitgenossen nannten. 
Diese CD ist ein Ereignis. Denn technisch überragende Musiker scheint es mittlerweile wie Sand am Meer zu geben. Wispelwey und Giacometti aber spielen obendrein mit ungeheurer Musizierlust und mit genau dem Quentchen Pfeffer, das aus einer sehr guten eine aus- gezeichnete  Aufnahme macht. Faszinierend! 

Donnerstag, 22. September 2011

Prokofiev: Suite from Romeo and Juliet (Naxos)

Romeo und Julia, das berühmte Ballett von Sergej Prokofjew, in einer Fassung für Bratsche und Klavier? Wer wagt denn das? Das Beiheft - wie bei Naxos üblich eher ein Beiblatt, aber dennoch sehr informativ - gibt Auskunft: Dieses Arrangement stammt von Wadim Wassiljewitsch Borisowski (1900 bis 1972), einem berühmten russi- schen Bratscher und Mitbegründer des legendären Beethoven-Quar- tetts. Fünf Jahre nach seinem Exa- men am Moskauer Konservato- rium wurde er dort selbst Professor, und er unterrichtete eine Viel- zahl junger Musiker, so dass er als der Stammvater der russischen Viola-Schule gilt. 
Borisowski hat mehr als 250 Werke aus unterschiedlichen Epochen der Musikgeschichte für sein Instrument oder die Viola d'amore bearbeitet, darunter - im Einvernehmen mit dem Komponisten - auch eine Suite aus Prokofjews Romeo und Julia. Sie bestand zunächst aus acht Sätzen für Viola und Klavier; einige Jahre später fügte Borisowski noch weitere fünf hinzu. Für zwei davon wird eine zweite Viola benö- tigt. Das wird nicht verblüffen, denn Prokofjews Stück ist ziemlich komplex. Desto erstaunlicher erscheint es, wie perfekt diese Musik im Arrangement wiedergegeben wird. Das klingt tatsächlich, als wäre dieses Werk für diese Besetzung entstanden. Man mag sich aber nicht ausmalen, was das für die Solisten bedeutet - insbesondere der Brat- schenpart muss eine tour de force sein. 
Matthew Jones bewältigt ihn souverän, und auch Rivka Golani an der zweiten Viola sekundiert derart versiert, dass man nur staunen kann. Der warme Klang der Bratsche passt ohnehin ausgezeichnet zu dieser Musik. Michael Hampton ist den beiden Streichern am Klavier ein engagierter Partner. Das Ergebnis ist grandios. Diese CD gehört zu meinen persönlichen Jahresfavoriten. Unbedingt anhören! 

Mittwoch, 21. September 2011

Festivus - Symphonic Classics (Genuin)

Pauken und Trompeten begleiteten einst die Herrscher. Was wären Verdis Aida, Händels Königin von Saba oder Wagners Tannhäuser ohne Blechbläser? Höfische Fest- klänge, aber auch geistliche Musik und einige bekannte Melodien vereint die CD Festivus, die die Sächsische Bläserphilharmonie unter Thomas Clamor eingespielt hat. Der Professor, der mehr als
20 Jahre lang Trompeter bei den Berliner Philharmonikern war und mittlerweile auch einen exzellen- ten Ruf als Musikpädagoge hat, leitet das Ensemble seit Jahresbeginn. 

Die Musiker beherrschen ihr Handwerk perfekt. Da sitzt jeder Ton, jedes rhythmische Detail und jede noch so feine Nuance. Auch wenn auf dieser CD die großen Werke dominieren, die das ganze sinfonische Blasorchester fordern, sind es doch gerade die schlank besetzten Stücke, wie das Doppelquartett Denn er hat seinen Engeln befohlen aus dem Elias von Felix Mendelssohn-Bartholdy, die zeigen, wie präzise hier musiziert wird. Das hört man mit Vergnügen, zumal das Ensemble nun offenbar wieder eine  Perspektive hat. 
Denn die Sächsische Bläserphilharmonie, das einzige zivile Berufs- blasorchester Deutschlands, ist aus dem Rundfunk-Blasorchester  Leipzig hervorgegangen. Der MDR hatte dafür keine Verwendung, so dass die 35 Musiker plötzlich ein Rundfunkorchester ohne Sende- anstalt waren. Über Jahre hinweg haben sie unter sehr schwierigen Bedingungen gearbeitet. Seit Mai haben sie nun in Bad Lausick, am Rande des Kurparkes, eine Heimstatt, wie man sie sich schöner kaum vorstellen kann. Dort ist auch die orchestereigene Akademie ansässig, die sich als bundesweites Netzwerk bläserspezifischer Fachverbände versteht, und dies nunmehr auch in ihrem Namen "Deutsche Bläserakademie" dokumentiert. Ihre Angebote werden von Laien- und Berufsmusikern aus ganz Europa dankbar angenommen - und bereichern auch das Musikleben in dem Kurstädtchen unweit von Leipzig. 
Zum 60. Jubiläum hat sich das einstige RBO nun konsequenterweise umbenannt. Mittlerweile hat die Sächsische Bläserphilharmonie schon die nächsten Aufnahmen eingespielt - man darf darauf ge- spannt sein. 

Dienstag, 13. September 2011

Schein: Fontana d'Israel (Capriccio)

Johann Hermann Schein (1586 bis 1630) gehört mit Heinrich Schütz und Samuel Scheidt zu den sagen- umwobenen "drei großen Sch" der mitteldeutschen Musik zu Beginn des 17. Jahrhunderts. 
Schein war der Sohn eines Pastors aus Grünhain im Erzgebirge. Nach dem Tode seines Vaters zog die Mutter mit ihm nach Dresden, wo er als Alumnus im Knabenchor der Dresdner Hofkapelle unterkam. Dort musizierte er unter Rogier Michael, bis er in den Stimmbruch kam, und seine Ausbildung in "Schulpforta" fortsetzen konnte. Nach Abschluss der Fürstenschule ging Schein 1608 an die Universität in Leipzig, um dort Jura zu studieren. Doch statt Akten zu wälzen, begann der Jüngling zu komponieren. Nach dem Examen wirkte er zunächst als Musiklehrer in Weißenfels und als Hofkapellmeister in Weimar.  1615 wurde Schein dann Nachfolger von Sethus Calvisius im Amt des Thomaskantors und städtischen Musikdirektors in Leipzig. 
Auf der vorliegenden Doppel-CD hat Hermann Max mit seiner Rhei- nischen Kantorei die Fontana d'Israel eingespielt, Israelis Brünnlein Auserlesener Krafft Sprüchlein Altes und newen Testaments - Scheins bei weitem wichtigstes Werk, im Druck erschienen 1623. Die Aufnahme macht deutlich, dass man diese Sammlung geistlicher Krafftsprüchlein aufgrund ihrer überragenden musikalischen Qualität durchaus neben Schütz' Kleine geistliche Konzerte setzen kann. Die 26 Vokalwerke sind aber wahrscheinlich weniger zum Gebrauch im Gottesdienst als vielmehr als Gelegenheitswerke sowie zum häusli- chen Musizieren entstanden. Dem trägt auch die Interpretation durch die Rheinische Kantorei Rechnung - obwohl die Besetzung des Conti- nuos ganz sicher den Rahmen der Hausmusik sprengt. Variatio delec- tat. Und langweilig ist diese Einspielung wahrlich nicht. 

Montag, 12. September 2011

Oboenkonzerte (Genuin)

Ramón Ortega Quero, Solo-Oboist beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, hat erneut Barockkonzerte eingespielt. Doch nur das Konzert für Oboe d'amore und Basso continuo A-Dur, TWV 51:A2 von Georg Philipp Telemann ist ursprünglich für "sein" Instru- ment entstanden. Ansonsten macht sich der Solist einen Brauch zunutze, der zur Barockzeit gang und gäbe war. So hat Bach seine Oboenkonzerte für Cembalo oder Violine bearbeitet. Das Original aber ist verloren - und wer diese Werke heute auf der Oboe spielen will, der muss sich erst die entsprechende Fassung schreiben. Für das Konzert für Cembalo, Streicher und Basso continuo  BWV 1056 existierte bereits eine derartige Rekonstruktion; für das Violinkonzert BWV 1041 hat Ortega Quero selbst eine erarbeitet und hier gemein- sam mit der Kammerakademie Potsdam in Ersteinspielung aufgenom- men. Die CD beginnt mit dem Konzert für Flöte, Streicher und Cemba- lo d-Moll Wq. 22 von Carl Philipp Emanuel Bach, ebenfalls angepasst an die Möglichkeiten der Oboe. 
Der Ton von Ramón Ortega Quero ist in jüngster Zeit weicher gewor- den, runder, singender; nur in der Höhe gerät er zuweilen noch ein wenig spitz. Die Kammerakademie Potsdam sekundiert dem Solisten sachkundig und temperamentvoll.  

A Meeting Place - Medieval & Renaissance Music for Lute & Ud (Sono Luminus)

Ob es die Kreuzritter waren, die das Instrument aus dem Orient mitbrachten, oder ob die Mauren es in Spanien spielten - wie die Ud nach Europa kam, wird sich ab- schließend wohl nicht mehr erklä- ren lassen. Fakt ist aber, dass das Instrument im 13. Jahrhundert an vielen Höfen erklungen ist, und zu den Lieblingen des europäischen Adels gehörte. Anders als Al-Ud, wurde die Laute, die sich daraus entwickelte, jedoch schon bald nicht mehr mit einem Plektrum, sondern mit den Fingern gespielt. 
Auf dieser CD sind Ud und Laute im Dialog zu vernehmen. Der türki- sche Virtuose Münir Nurettin Beken stellt die Ud vor, August Den- hard eine Knickhalslaute. Die beiden Musiker spielen überwiegend gemeinsam Werke sowohl aus der arabisch-osmanischen wie auch aus der europäischen Musiktradition. Dabei werden die Klangunterschie- de der beiden Instrumente deutlich; mit ihrem jeweiligen Klangbild und gewissen spieltechnischen Besonderheiten bringen sie zusätzlich Farbe in das abwechslungsreiche Programm. 

Sonntag, 11. September 2011

Haydn: Violinkonzerte; Scholz (Berlin Classics)

Ein umfangreiches Werk hat Joseph Haydn hinterlassen. Doch darunter sind nur gut zwei Hand- voll Solokonzerte. Und so manches Konzert, das unter seinem Namen publiziert wurde, hat sich im Nachhinein als das Werk eines weniger populären Zeitgenossen erwiesen. So sind von den elf Violinkonzerten letztendlich nur vier übriggeblieben - und von keinem einzigen existiert heute noch ein Autograph. 
Vom C-Dur-Konzert, über das Haydn in seinem Werkkatalog vermerk- te fatto per il luigi - geschrieben für Luigi Tomasini, den ersten Geiger der Hofkapelle im Haus Esterházy - sind immerhin acht Abschriften erhalten. Von einem zweiten Konzert, das ebenfalls in Haydns Werk- katalog verzeichnet steht, fand sich bislang keine Spur. Eine Abschrift des A-Dur-Konzertes wurde1951 in der Melker Stiftsbibliothek auf- gespürt. 
Wesentlich kürzer und schlichter ist das G-Dur-Konzert. Man geht dennoch davon aus, dass es von Haydn stammt, weil es von Breitkopf 1769 gemeinsam mit dem C-Dur-Konzert angeboten wurde, und weil als Autor in der einzigen erhaltenen Handschrift Sig. Giuseppe Hayden benannt wird. Katrin Scholz hat es bei ihrer Einspielung der Haydn-Konzerte aus dem Jahre 2003 dezent zwischen den beiden anspruchsvolleren Brüdern placiert - und man muss sagen: Haydns Konzerte machen Spaß, zumal wenn sie so virtuos gespielt werden. Die Solistin musiziert gemeinsam mit dem Kammerorchester Berlin, und ihre Interpretation klingt frisch und gelegentlich sogar ver- schmitzt. 

Sacred Music by Sebastian Knüpfer (Helios)

Als Thomaskantor war Sebastian Knüpfer  (1633 bis 1676) einer der Amtsvorgänger Bachs. Er stammte aus dem böhmischen Asch, war der Sohn eines Kantors und Orga- nisten, und besuchte zunächst das Gymnasium in Regensburg. Nach Leipzig ging er, um an der Univer- sität zu studieren. Doch nicht die Philosophie sollte seinen Lebens- weg prägen: 1657 wurde Knüpfer zum Thomaskantor berufen. 1663 erschien eine Sammlung mit Madrigalen und Kanzonetten im Druck; die meisten Werke Knüpfers aber sind lediglich in Abschriften überliefert. 
Seine Zeitgenossen schätzten sie sehr. Knüpfer habe, so heißt es im Nachruf, "Sprüche aus den Psalmen und andern biblischen Büchern mit solcher Lieblichkeit und Kunstfertigkeit komponiert, daß er die betrübtesten Herzen damit aufgerichtet hat und sein Name nicht bloß in Leipzig, sondern auch auswärts mit Bewunderung genannt wird." 
Das King's Consort hat einen Teil der Manuskripte, in denen Knüpfers Werke vorliegen, transkribieren lassen, sorgsam geprüft, und dann eine Auswahl seiner Werke eingespielt. Die Aufnahme stammt bereits aus dem Jahre 1999, doch es ist erfreulich, dass sie nunmehr wieder verfügbar ist. Denn das Ensemble, das von Robert King geleitet wird, musiziert ebenso sachkundig wie klangschön. Bravi! 

Ida Haendel plays Khachaturian & Bartók Violin Concertos (Hänssler)

Ida Haendel ist ein Phänomen. Auf dieser CD finden sich Mitschnitte der Violinkonzerte von Aram Chatschaturjan und Béla Bartók aus den 60er Jahren, entstanden bei Konzerten der Violinistin in Stuttgart mit dem dortigen Radio-Sinfonieorchester. Am Pult stand der legendäre Hans Müller-Kray. Sie sind insofern Raritäten, als die grandiose Geigerin beide Werke nie auf Schallplatte eingespielt hat. 
Die Schülerin von Carl Flesch und George Enescu interessiert sich nicht sonderlich für den reinen Wohlklang. Sie gehört erkennbar nicht zur großen Schar der geigenden Fräuleinwunder. Kraftvoll und mit stets überzeugendem Blick für die Struktur stürzt sie sich auf die bei- den höchst anspruchsvollen Werke. Ihr Spiel hat Biss, und Chatscha- turjans großartiges Violinkonzert erschließt sie sich mit beeindruk- kender Leidenschaft. Eine ähnliche Interpretation, voll Kraft und Glut, kennt man sonst nur von David Oistrach - und für den hatte der Armenier Chatschaturjan sein Konzert einst komponiert. 
Das zweite Violinkonzert von Béla Bartók lebt von der Variation - und von den Volksmusik-Studien des Komponisten, auch wenn er keines- wegs einfach zitiert. Haendel spielt die Variationen zur Variation derart temperamentvoll, dass sie nie langweilig werden. Und, ganz ehrlich, man ist erstaunt, wenn die letzten Takte verklungen sind. Dieser Solistin  könnte man stundenlang zuhören.