Sonntag, 15. Juli 2012

Mozart: Don Giovanni (Deutsche Grammophon)

Rolando Villazón singt Mozart - und wie! Nie zuvor habe ich die Partie des Don Ottavio nobler ge- hört, stolzer und männlicher. So, wie Villazón sie singt, erweist sie sich als Gegenentwurf zur wüsten Vitalität des Don Giovanni, der seinen Status offenbar nur dazu einsetzt, Weiber zu vernaschen. Dabei bedeutet ihm die Liste alles, und das Erlebnis längst nichts mehr. Ildebrando d'Arcangelo stimmt die ihm auferlegten Balz- gesänge mit einer Gleichgültigkeit und Eiseskälte an, die die finale Höllenfahrt des Don Giovanni nur zu plausibel werden lassen. Mit einem grandiosen Solistenensemble startete das Festspielhaus Baden-Baden 2011 in einen Mozart-Zyklus, den die Deutsche Grammophon auch in den kommenden Jahren auf CD dokumentieren wird.
Leporello, hier gesungen von Luca Pisaroni, bewundert zwar seinen Herren, grenzt sich jedoch mehr und mehr von ihm ab. Pisaronis Bassbariton ist so geschmeidig und präsent wie die Figur. Neben diesem Diener wirkt der Herr mitunter, pardon, wie ein zwar viriler, aber schon etwas räudiger Straßenköter neben einem gut gepflegten Rassehund. Nun ja. Möglicherweise fasziniert ja gerade das die Da- menwelt.

Vitali Kowaljow singt einen Komtur, der die gespenstische Statue auch akustisch erlebbar werden lässt. Konstantin Wolff glaubt man den Bauern-Bräutigam Masetto. Mit glockenreiner Stimme zeichnet Mojca Erdmann ihm zur Seite die Zerlina - ein Bräutchen, das sich in sein Schicksal fügt und die Männer zu nehmen sowie sich zu wehren weiß, bei aller Unschuld erstaunlich durchsetzungsfähig. 
Diana Damrau singt die Donna Anna. Diese Partie passt sehr gut zu ihrer Stimme. Die Koloraturen blitzen, und auch die Verstörtheit der jungen Frau, die in ihrem eigenen Hause überfallen wird, gestaltet sie mit großer Intensität. Die Szene, in der sie den Mörder ihres Vaters an der Stimme erkennt, ist für mich der absolute Höhepunkt dieser Aufnahme.  
Die Donna Elvira der Joyce DiDonato ist schier rasend vor Liebe und Wut. Wie eine Furie verfolgt sie den Mann, der sie verführt hat und nun gar nicht daran denkt, mit ihr vor den Altar zu treten. 
Doch noch viel beeindruckender als Arien und Rezitative sind bei dieser Aufnahme die Ensembles. Sie sind durchweg mit großer Sorg- falt abgestimmt, und es erweist sich zudem, dass all die Stars stimm- lich faszinierend miteinander harmonieren. Wie sie sich zurück- nehmen und gemeinsam musizieren, dem Dirigenten Yannick Nézet-Séguin folgend, da lauscht man wirklich gern. Den Begeisterungs- stürmen mancher Kritikerkollegen, die in Nézet-Séguin ein absolutes Ausnahmetalent erkannt haben wollen, kann ich mich allerdings nicht anschließen. Was er mit dem Mahler Chamber Orchestra hören lässt, das unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem, was man auch an so manchem deutschen Opernhaus unter solider Leitung erleben könnte. 

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