Samstag, 4. Mai 2013

Telemannisches Gesangbuch (Carus)

"Mit Chorälen wuchs ich in mei- nem Elternhaus auf", berichtet Thomas Fritzsch im Beiheft zu dieser CD. "Viele Liedtexte haben sich meinem Gedächtnis einge- prägt. Häufig Grund zur Freude und Zuversicht, haben sie ebenso als Trost und Halt in traurigen Stunden meine Seele vor dem Verstummen bewahrt. Die Liebe zu den Chorälen, die meine Eltern mir ins Herz pflanzten, rechne ich ihnen  in tiefer Dankbarkeit zu." 
Durch eine zufällige Begegnung am Rande eines Konzertes wurde der Cellist und Gambist auf das Fast allgemeine Evangelisch-Musicalische Lieder-Buch aufmerksam, das Georg Philipp Telemann 1730 in Hamburg veröffentlicht hat. Darin hat Telemann sehr viele bekannte Choräle zusammengetragen, wie Ein feste Burg, Nun danket alle Gott oder Befiehl du deine Wege. Sein erklärtes Ziel war es, ein im ganzen deutschen Sprachraum verwend- bares Gesangbuch zu schaffen. Dazu stellte er vielfach die ursprüng- lichen Weisen der alten Gesänge wieder her, und versah die Choral- melodien zudem mit einem bezifferten Bass nebst Anleitung zum Generalbass-Spiel und zum Schreiben von vierstimmigen Chorsätzen. 
Außerdem wählte Telemann Tonarten, die bequem zu singen sind, und zwar sowohl im Chor- als auch im Kammerton - auf der CD ist zu hören, was es bedeutet, wenn die Orgel im Chorton mit 465 Hertz gestimmt ist, und ein Cembalo im Kammerton bei 415 Hertz. Das war für den Gebrauch eines solchen Gesangbuches aber wichtig, weil danach nicht nur in der Kirche zur Orgel gesungen wurde, sondern auch daheim in der häuslichen Andacht. 
Und weil Fritzsch vom Telemannischen Gesangbuch so fasziniert war, hat er sich Mitstreiter gesucht und 30 der mehr als 2000 Lieder aus diesem Sammelband für Carus eingespielt. Es ist kaum zu glauben, aber dieser musikalische Schatz war bislang nicht auf Tonträger zu- gänglich. Bei dieser CD handelt es sich verblüffenderweise um eine Weltersteinspielung. 
Klaus Mertens setzt ganz auf das Wort. So gelingt ihm eine eindrück- liche, ausdrucksstarke Interpretation. Der Bassbariton wird begleitet von Thomas Fritzsch an Viola da gamba, Violoncello und Basse de Violon, Stefan Maass, Laute, und Michael Schönheit an Orgel und Cembalo. Einige Choräle singt Mertens gemeinsam mit dem Stutt- garter Knabensopran Vincent Frisch. In dem Kontrast wird zugleich hörbar, dass es nichts schwierigeres gibt, als ein scheinbar banales Strophenlied solide zu singen und zu gestalten. Wer den Knaben neben dem erfahrenen Sänger erlebt hat, der ahnt, wie groß diese Kunst ist. 

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