Samstag, 31. August 2013

Johann Christian Bach: Keyboard Sonatas, Op. 5 (Naxos)

Johann Christian Bach (1735 bis 1782) war das zehnte Kind von Johann Sebastian Bach aus dessen zweiter Ehe mit Anna Magdalena Bach. Als der Vater 1750 starb, nahm ihn sein Halbbruder Carl Philipp Emanuel Bach auf. Nach vier Jahren Ausbildung in Berlin, vor allem in Komposition und am Cembalo, ging Johann Christian Bach nach Italien, um dann später in England sesshaft zu werden. 
Diese CD gibt Zeugnis davon, wie versiert der „Londoner“ Bach sein Handwerk beherrschte – aber auch davon, wie er die Musik, die er auf Reisen kennenlernte, in sein eigenes Werk integrierte. Die Six Sonatas for the Harpsichord or the Fortepiano op. 5 publizierte er 1766. Zu diesem Zeitpunkt war das Hammerklavier bereits sein bevorzugtes Instrument. „There is some evidence to suggest that the sonatas in Opus 5 were composed for the Zumpe square piano“, meint auch Susan Alexander-Max. „In the written score, there are dynamics that could only be performed on a keyboard instrument with a hammer action.“ 
Die Solistin hat sich dennoch dafür entschieden, Bachs Sonaten nicht auf einem Tafelklavier, sondern auf einem Clavichord einzuspielen. Es stammt aus der Werkstatt des Londoner Klavierbauers Peter Baving- ton, angefertigt nach einem Original von Johann Jacob Bodechtel, Nürnberg um 1785. „The Zumpe square piano of 1766 bears a strong resemblance to the mid-eighteenth-century German clavichord“, schreibt die Musikerin, die sich auf das Spiel historischer Tasten- instrumente spezialisiert hat. 
Und es lässt sich erstaunlich differenziert darauf musizieren, wird der Hörer erfreut feststellen. Susan Alexander-Max überzeugt durch Präzision, Eleganz und Ausdruck. Man fragt sich zudem erstaunt, wie Musik von einer solchen Qualität derart unbekannt sein kann. Bachs Sonaten haben übrigens seinerzeit den jungen Mozart inspiriert. Wer Mozarts Klavierkonzerte gut kennt, der wird beim Anhören dieser CD eine Überraschung erleben. 

Freitag, 30. August 2013

Reveries - Felix Klieser (Berlin Classics)

Mit dieser CD gibt Felix Klieser sein Debüt. Die Aufnahme lässt keinen Zweifel daran, dass er mit gerade einmal 22 Jahren bereits zu den besten Hornisten der Welt gehört. Sein Spiel ist jeder Anforderung gewachsen; sein Ton ist farben- reich, weich und rund. Das passt bestens zu den Werken, die der junge Musiker und sein künstleri- scher Partner, der Pianist Christof Keymer, für diese Einspielung ausgewählt haben. Es ist Musik der Romantik; und diesem Repertoire widmen sich beide mit Leidenschaft. 
„Schon am Anfang unserer Zusammenarbeit hat uns diese Zeit besonders fasziniert“, schreiben die Musiker in dem informativen Beiheft zu dieser CD. „Die Zeit des Umbruchs, des Neuen, ja auch des Revolutionären, ist für uns fühlbar und lässt uns die damals herrschende Aufbruchstimmung mit den vielen neuen musikalischen Möglichkeiten in der Musik für Horn und Klavier auch heute noch genauso lebendig werden.“ 
Zu hören sind also Werke von Robert Schumann, Reinhold Glière, Josef Gabriel Rheinberger, Camille Saint-Saens, Alexander Glasunow und Richard Strauss. Der besondere Reiz dieser CD liegt im sensiblen Zusammenspiel, im intensiven Dialog zwischen Horn und Klavier. 
Klieser spielt Horn mit den Füßen; er ist ohne Arme geboren. Damit kommt der Musiker, der das Horn bereits als Fünfjähriger zu „seinem“ Instrument erwählt hat, offenbar bestens zurecht. Er ist Bundes- preisträger im Wettbewerb „Jugend musiziert“, war Mitglied im Bundesjugendorchester und wurde mit 17 Jahren Jungstudent an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Seit 2011 studiert er dort nun regulär. Ohne Zweifel: Felix Klieser ist ein Ausnahmetalent, und nach seinem Examen dürfte ihm eine großartige Karriere als Solo-Hornist bevorstehen. Gratulation! 

Mittwoch, 28. August 2013

A Bach Notebook for Trumpet (Linn)

Musik der Familie Bach hat Pianist Daniel-Ben Pienaar für Trompete und Klavier arrangiert. In dieser Kollektion sind neben Johann Sebastian Bach und seinen Söhnen Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel auch Johann Christoph, Johann Christoph Friedrich, Johann Heinrich, Johann Michael, Johann Bernhard, Johann Ludwig, Johann Christian und Gottfried Heinrich Bach mit Werken vertreten. Dementsprechend weit reicht das Programm durch die Musikgeschichte. Trompeter Jonathan Freeman-Attwood musiziert auf einem modernen Instrument, ebenso wie Daniel-Ben Pienaar, der dem Flügel eine sehr gegenwärtige Palette an Ausdruck und Klangfarben entlockt. Wer Bach-Bearbeitungen in der Tradition Busonis, Liszts und Schumanns schätzt, der wird von dieser CD ziemlich begeistert sein. 

Montag, 26. August 2013

Orchestral Music of the Schuncke Family (Genuin)

„Die Familie Schuncke ist wohl in jeder Beziehung eine der größten und merkwürdigsten Virtuosen- familien der Welt; namentlich zählt sie einige Hornisten zu ihren Mitgliedern, die nun das ganze Jahrhundert hindurch allgemein zu den ersten Künstlern auf ihrem Instrumente gerechnet wurden, und in der Tat auch einen wahr- haft europäischen Ruf haben“, vermeldete Gustav Schilling 1840 in seiner Encyclopädie der Musikwissenschaften
Wie die Familie Bach kamen auch die Schunckes aus Thüringen. Der musikalische Stammvater, Johann Gottfried Schuncke I (1742-1807), stammte aus Merseburg. Er lebte in Schkortleben bei Weißenfels, war „Bäcker und Musikus“ und spielte insbesondere das Waldhorn meisterhaft. Er hatte sieben Söhne, die auch sämtlich das Waldhorn bliesen. Sie erlernten aber dennoch das Bäckerhandwerk, bevor fünf von ihnen Hofmusiker wurden.
Die nächsten Generationen blieben nicht unbedingt Hornisten; sie wirkten an bedeutenden europäischen Höfen und in den großen Musikmetropolen. So galt Ludwig Schuncke (1810 bis 1834) als ein großes pianistisches Talent und herausragender Komponist von Klaviermusik. Er ließ sich 1833 in Leipzig nieder, wo er gemeinsam mit seinem Freund Robert Schumann die Neue Zeitschrift für Musik gründete. Er starb kurz vor seinem 24. Geburtstag an Tuberkulose. 
Diese CD konzentriert sich allerdings auf Orchesterwerke der Familie Schuncke. Trotz der Verluste durch den Krieg hat sich dazu spannendes Archivmaterial gefunden; die drei ausgewählten Werke erklingen auf dieser CD in Weltersteinspielung. Der Philharmonie Baden-Baden unter ihrem Chefdirigenten Pavel Baleff muss man für dieses Engagement dankbar sein. Denn die Stücke lohnen die Beschäftigung damit durchaus. 
Die Einspielung beginnt mit der Concertanten für Violine, Violoncello und Orchester von Johann Gottfried Hugo Schuncke (1823 bis 1909). Er war ein Schüler von Bernhard Molique, Königlicher Musikdirektor und Konzertmeister in Stuttgart. Um 1840 ging Hugo Schuncke gemeinsam mit seinem Bruder Adolph Schuncke, einem exzellenten Cellisten, in die Schweiz. Dort schrieb der 17jährige 1840 die Concertante, ein wundervolles, romantisches Stück mit schönen Aufgaben für die beiden Solisten. Man darf davon ausgehen, dass die Soloparts für die Brüder bestimmt waren. Ob sie das  Werk in der Schweiz vorgestellt haben, das lässt sich nicht mehr herausfinden. Aber 1843 erklang es in Stuttgart, wo Hugo Schuncke dann auch eine Stelle als Hofviolinist und Kammermusiker erhielt. Auf dieser CD sind als Solisten Yasushi Ideue, Violine, und David Pia, Violoncello, zu hören. 
Johann Christoph Schuncke(1791 bis 1856), Hugos Onkel, war als Kammermusiker und Erster Waldhornist des Großherzogs von Baden in Karlsruhe tätig. Zudem ging er auf ausgedehnte Konzertreisen, die ihn bis nach Skandinavien führten. Dafür dürfte auch das Concertino pour le Cor chromatique entstanden sein, das auf dieser CD erklingt. Dieses Werk aus der Frühzeit des Ventilhorns beginnt ziemlich düster, um dann aber mit einem freundlichen und ausgesprochen virtuosen Finale zu enden. Solist dieser Einspielung ist Robert Langbein, Solo- hornist der Sächsischen Staatskapelle Dresden. 
Im Zweiten Weltkrieg verbrannt sind Briefwechsel und Kompositionen von Hermann Schuncke (1825 bis 1898). Aus diesem Grunde ist über den jüngsten Sohn des Königlich Preußischen Hof- und Kammermusikus Johann Andreas Schuncke nicht sehr viel bekannt. Er war Waldhornist wie sein Vater, und musizierte wie dieser und zwei seiner Brüder im Berliner Hoforchester. Hermann Schuncke blieb unverheiratet; in späteren Jahren ging er nach Dresden, wo er insbesondere als Klavierpädagoge und Kammermusikpartner sehr gefragt war. Zu hören ist seine Sinfonia in B pour le grand Orchestre, op. 6, ein stimmungsvolles Werk, das im vierten Satz ehrfurchtsvoll Beethovens Siebente zitiert. 

Carl Philipp Emanuel Bach: The Solo Keyboard Music; Spányi (BIS)

Mit großem Eifer widmet sich der ungarische Organist und Cembalist Miklós Spányi der Gesamtein- spielung aller Werke, die Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) für Tasteninstrumente solo geschaffen hat. Sie erscheint bei BIS Records, und umfasst mittler- weile 26 CD.
Die CD 24 und 25 enthalten Sona- ten, die Bach 1743/44 geschrieben oder aber grundlegend überarbei- tet hat. Es sind prächtige Werke von großem Format, stilistisch sehr abwechslungsreich, handwerklich virtuos. Spányi spielt sie auf einem Clavichord aus der Werkstatt des belgischen Klavierbauers Joris Potvlieghe nach einem Vorbild sächsischer Tradition. Dieses Instrument ist sehr groß, sehr laut und bietet eine erstaunlich umfangreiche Palette an Klangfarben.
Eine besondere Überraschung hält CD 26 bereit. Darauf erklingen die ersten drei der sogenannten Fortsetzung-Sonaten Wq 51. Zu Bachs Zeiten war es üblich, dass die Musiker in den Reprisen stilistisch passende virtuose Verzierungen improvisierten. Für Schüler und Liebhaber hat Carl Philipp Emanuel Bach gelegentlich Versionen zu Papier gebracht, in denen er diese Verzierungen ausgeschrieben hat. Zwei Beispiele dafür hat Spányi hier den entsprechenden Sonaten nachgestellt.
Von der Sonate Nr. 1 C-Dur wiederum existieren drei verschiedene Varianten. „Nachdem die Sonate in ihrer ursprünglichen Form veröffentlicht worden war, komponierte Bach zwei weitere Versionen“, erläutert Spányi. „Diese sind nicht nur verziert, sondern durchweg neu komponiert, was zu zwei völlig neuen, eigenständi- gen Sonaten mit denselben Basslinien und Harmoniefortschreitun- gen führt – eine bemerkenswerte und einzigartige Leistung.“ Der Cembalist hat für diese CD zusätzlich die erste veränderte Version eingespielt; die zweite soll auf der nächsten CD folgen.
Spányi musiziert hier auf einem Clavichord, das Joris Potvlieghe nach einem Original von Gottfried Joseph Horn, Dresden 1785, angefertigt hat. Das Vorbild für dieses Instrument, das ebenso expressives wie differenziertes Spiel gestattet, befindet sich heute in der Sammlung des Musikinstrumentenmuseums Leipzig.

Samstag, 24. August 2013

Hofmann: Octet - Serenade - Sextet (MDG)

Das Werk des Komponisten Hein- rich Hofmann (1842 bis 1902) teilt ein Schicksal, wie es beileibe nicht nur unbedeutenden Musikern widerfahren ist: Zu Lebzeiten etabliert, gefeiert und hochverehrt – und nach dem Tode dann vergessen. An der Qualität der Kompositionen liegt dies nur selten, wie die Musikgeschichte zeigt. 
Hofmann ist dafür ein gutes Bei- spiel. Der Berliner Handwerker- sohn begann seine musikalische Laufbahn 1851 als Knabensopran im Domchor. Auch im Opernchor sang er mit, und verdiente sich damit ein Klavier, auf dem er fleißig übte. So wurde der Pianist Theodor Kullak auf Hofmann aufmerksam. Der Direktor der Neuen Akademie der Tonkunst unterrichtete ihn gegen ein symbolisches Honorar; auch für die anderen Fächer wie Kontrapunkt, Komposition oder Kirchenmusik fanden sich ange- sehene Lehrer. 
Nach dem Abschluss seines Studiums 1863 wirkte Hofmann als Konzertpianist, er gab Klavierunterricht und komponierte. So schrieb er mehrere Opern. Den Erfolg brachten ihm aber seine Ungarische Suite op. 16, Brahms gewidmet, die Frithjof-Sinfonie op. 22 sowie die Kantate Das Märchen von der schönen Melusine op. 30. 
Hofmann schrieb viele Lieder, aber kein einziges Streichquartett und keine größeren Werke für Klavier. Er konnte vom Komponieren leben. Das Berolina Ensemble stellt auf dieser CD Kammermusik des Komponisten vor. Diese Klänge sind Spohr wesentlich näher als Liszt – was ein Grund dafür gewesen sein könnte, dass sie seinerzeit rasch aus der Mode und in Vergessenheit geraten sind. 
Das Octett op. 80 für Flöte, Klarinette, Horn, Fagott und Streichquar- tett spielt mit Klangfarben und erinnert an die Divertimenti früherer Jahrhunderte – derart geistreiche Unterhaltung sollte man durchaus nicht geringschätzen. Elegant wirkt die Serenade op. 65 für Flöte und Streichquintett mit Kontrabass. Das letzte Werk auf der CD, das Streichsextett op. 25, orientiert sich am stärksten an klassischen Vorbildern. Und alles verweist auf grundsolides Handwerk, verbun- den mit hörenswerten, aber nicht übermäßig kühnen musikalischen Ideen. Das lässt sich im übrigen auch über die Interpretation durch das Berolina Ensemble sagen; so richtig glücklich hat mich diese CD jedenfalls nicht gemacht. 

Montag, 19. August 2013

Im Gleichschritt - Fortschritt - Marsch! (Musikmuseum)

Das Tiroler Landesmuseum Ferdi- nandeum in Innsbruck pflegt in seiner Sammlung auch einen reichen Schatz an Musikinstrumen- ten und Musikalien. Das darf man durchaus wörtlich nehmen, denn diese Einrichtung beschränkt sich nicht darauf, die Dinge in die Vitrine zu stellen. Auf dieser CD erklingen Märsche, vom Bläser- ensemble des Ferdinandeums unter Leitung von Alfredo Bernar- dini gespielt auf historischen Instrumenten – und das erweist sich bald als außerordentlich spannend. Denn hier ist keine Blas- kapelle zu hören, wie wir sie heute gewohnt sind. 
Die CD kombiniert Tiroler Musik aus der ersten Hälfte des 19. Jahr- hunderts mit Werken bekannter Komponisten wie Joseph und Michael Haydn, Franz Schubert oder Felix Mendelssohn Bartholdy. Es erklingen Instrumente, die heute so zumeist nicht mehr gebräuchlich sind, wie Klappentrompeten oder Ophikleide. Einige patriotische Stücke erinnern an die bewegte Geschichte Tirols. Doch auch die Militärmusik der türkischen Janitscharen – sie haben Wien gleich zweimal belagert – mit ihrem dominanten Schlagwerk hat ihre Spuren hinterlassen, und zwar in Form beeindruckender türkischer Märsche. Faszinierend! 

Händel: Théatre intime (Editions Hortus)

Flötenmusik von Georg Friedrich Händel steht im Mittelpunkt dieser CD des Ensembles Les Lunes du Cousin Jacques. Benoit Toigo spielt die Blockflöten versiert, auch wenn er an die ganz großen Virtuosen nicht heranreicht. Er macht daraus eine Stärke – und legt mehr Wert auf sangliche Gestaltung als auf die Auszierung und Variation der rasanten Passagen. 
Das Continuo ist mit Frédéric Hernandez, Cembalo, Diego Salamanca, Theorbe, und Annabelle Brey, Violoncello, stark besetzt. Das ermöglicht klangliche Differenzierung. Das Programm, das die Musiker zusammengestellt haben, setzt ohnehin auf Abwechslung. Dazu tragen auch Son d'Egitto und Non posso dir di più, zwei italienische Solo-Lieder, sowie Nel dolce dell'oblio, eine Kantate für Sopran, Blockflöte und Basso continuo, bei, vorgetragen von Aurore Bucher. Eine CD, die man gern anhört. 

Sonntag, 18. August 2013

Der stille Kurfürst (Klanglogo)

Der sächsische Kurfürst Friedrich August III. (1750 bis 1827) – ab 1806 König Friedrich August I. – regierte ein verarmtes und durch Kriege verheertes Land. Obwohl seine Untertanen den Regenten sehr schätzten und mit dem Beinamen „der Gerechte“ ehrten, brachte seine Redlichkeit dem König eine Menge Ärger ein. So geriet er nach dem Ende der Napoleonischen Kriege, die Sachsen furchtbar verwüstet hatten, in Gefangenschaft, und verlor große Teile seines Territoriums an Preußen. 
Politik war nicht die Leidenschaft des Herrschers, der sich lieber mit der Botanik beschäftigte – und mit der Musik. So gab es neben den repräsentativen Aufführungen am Dresdner Hof durchaus auch das private Musizieren der Herrscherfamilie. Friedrich August III. war musikalisch sehr versiert, doch offenbar schätzte er es nicht, wenn darum viel Aufsehens gemacht wurde. 
So musizierte der König vorzugsweise gemeinsam mit seinem Hoforganisten Peter August (1726 bis 1787), der auch etliche Werke dafür bearbeitete. Nach seinem Tod übernahm dies Hofkapellmeister Joseph Schuster (1748 bis 1812). Die vorliegende CD enthält Beispiele aus der reichhaltigen Musikaliensammlung des Regenten. Hildegard Saretz und Michaela Hasselt haben die Werke nicht, wie der König und seine Musizierpartner, an zwei Cembali, sondern an einem Cembalo und einem Hammerflügel eingespielt. Das klingt sehr apart – und gibt dem Zuhörer die Möglichkeit, die beiden Partien akustisch differenziert zu verfolgen. 
Die Aufnahme verweist auf einen wenig bekannten Aspekt sächsischer Musikgeschichte. Die Suche in den Archiven ist mühsam, doch lohnenswert. Saretz und Hasselt zeigen, dass abseits des immer gleichen Standard-Repertoires Entdeckungen noch immer möglich sind. So ist dieses Debüt des Leipziger Cembalo-Duos gleich doppelt gelungen. Bravi! 

Images - Marin Marais (Ramée)

Die Viola da gamba wurde einst in Frankreich sehr geschätzt – viel höher als die Geige, von der man sagte, sie sei ein „instrument duquel l'on use en danserie (…), dont usent ceux qui en vivent par leur labeur“, so schrieb Philibert Jambe de Fer 1556. Kenner prie- sen insbesondere den erlesenen, farbenreichen Klang der Gambe. 
Er kam in den Charakterstücken, die in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts in den Suiten zunehmend die Tänze verdrängten, besonders schön zur Geltung. Marin Marais (1656 bis 1728) war ein Meister dieser Pièces de caractère; die Quellen seiner Inspiration reichten dabei von simplen Gemütszuständen über allerlei höfische Vergnügen bis hin zu ganz und gar nicht erfreulichen Erlebnissen – so ist Marais sicherlich der einzige Komponist, der eine Gallenstein-Operation in Töne gesetzt hat. 

Mieneke van der Velden, Gambe, und Fred Jacobs, Theorbe, haben für diese CD aus seinen fünf Büchern mit Pièces de violes ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Die Aufnahmen sind von höchster Qualität, wie man es von dem Label Ramée nicht anders kennt, und auch Beiheft und Hülle sind einmal mehr eine Freude. 

Samstag, 17. August 2013

Mozart: Horn Concertos (Newton)

Der niederländische Hornist Ab Koster hat 1992 gemeinsam mit dem Orchester Tafelmusik unter Bruno Weil die Hornkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart einschließlich der diversen Fragmente eingespielt. Dabei bemühten sich die Musiker, dem Original möglichst nahe zu kommen. Dies schloss einerseits die kritische Revision des Noten- textes mit ein. Und obendrein verwendet Koster ein Naturhorn mit Originalbögen, das von Ignaz Lorenz aus Linz am Anfang des 19. Jahrhundert gebaut worden ist. Ähnliche Instrumente dürften seinerzeit Joseph Leutgeb und Jakob Eisen gespielt haben, die Hornisten, für die Mozart seine Konzerte geschrieben hat. Die schöne Aufnahme, ursprünglich bei Sony erschienen, macht Newton Classics nun wieder zugänglich. 

Bach Metamorphosis (Hänssler)

Die Romantiker haben die Werke von Johann Sebastian Bach dem Publikum wieder zugänglich gemacht – doch sie taten dies auf ihre Weise: Sie haben Bachs Musik verwandelt, bearbeitet, ihren Hörgewohnheiten und ihrer Kunstauffassung angepasst. Damit haben sie eine Tradition begrün- det, die Musiker bis zum heutigen Tage fortführen. 
Eine spannende Auswahl solcher Bach-Bearbeitungen hat die Pianistin Angelika Nebel für Hänssler Classic eingespielt. Sie hat die Werke in die Ordnung des Kirchenjahres gestellt, und beginnt mit Walter Braunfels' Version von Präludium und Fuge A-Dur BWV 536. Dieses Werk zeigt gerade exemplarisch, wie sich Bachs Orgelmusik auf den modernen Konzert- flügel transferieren lässt – und zwar so, dass wirklich Klaviermusik daraus wird. Sehr gelungen erscheint auch die Klavierversion der Sinfonia aus der zweiten Kantate des Weihnachtsoratoriums, die der Kanadier Clarence Lucas geschaffen hat. 
Bei der Klavierbearbeitung des Sicilianos aus der Flötensonate BWV 1031 begeistert nicht nur die gelungene Transkription durch Isidore Philipp. Hier zeigt sich einmal mehr die Gabe der Pianistin, den klaren Blick für die Strukturen mit Innigkeit und Wärme in der Gestaltung zu verbinden. Das bekommt auch den Choralbearbeitungen, die auf dieser CD in großer Zahl zu hören sind, ausgezeichnet. Der Höhepunkt aber kommt ganz zum Schluss, wenn Nebel eine Klaviertranskription des sechsstimmigen Ricercars aus dem Musikalischen Opfer BWV 1079 vorträgt, die Wagner Stefani D'Aragona Malheiro Prado geschrieben hat. Es war das erklärte Ziel des Komponisten, in seiner Bach-Bearbeitung orchestrale Klangfarben einzufangen, wie er sie in einer Aufführung durch das Stuttgarter Kammerorchester unter Karl Münchinger erlebt hatte. Diese Version ist Angelika Nebel gewidmet – und sie wird von ihr wunderbar sensibel gespielt. 

Freitag, 16. August 2013

Corelli: Sonate à 3. Opera Quarta (Glossa)

Fast hätte man es übersehen – doch bei aller Wagner-Euphorie soll in diesem Blog auch an ein weiteres Jubiläum erinnert werden: An den Tod von Arcangelo Corelli (1653 bis 1713) vor dreihundert Jahren. Der Geiger und Komponist stammte aus Fusignano, und absolvierte wohl einen wesentlichen Teil seiner Ausbildung in Bologna – darauf jedenfalls wies sein Spitzname „Il Bolognese“ hin, den er erhielt, nachdem er sich in Rom niedergelassen hatte. Das dürfte spätestens 1675 geschehen sein, denn für dieses Jahr ist erstmals in Rom sein Wirken als Musiker dokumentiert – was Corelli schon bald Ruhm, Ehre und auch Einnahmen brachte.
So wurde er Mitglied des Orchesters der französischen Nationalkirche San Luigi dei Francesi, wo er bald als Konzertmeister spielte, und des Orchesters der ehemaligen schwedischen Königin Christina, die in Rom lebte. Ihr widmete er auch sein erstes Werk das 1681 im Druck erschien, die zwölf Kirchensonaten op. 1.
1683 trat Corelli in die Dienste des Kardinals und Kunstmäzens Benedetto Pamphili, dessen Kapellmeister er 1687 wurde. 1690 ging er an den Hof des Kardinals Pietro Ottoboni, der nicht nur päpstlicher Vizekanzler, sondern auch ein berühmter Förderer der Künste war. Ihm widmete Corelli seine Triosonaten op. 4. Und wenn man diese Werke in dieser Aufnahme, hervorragend gespielt von den Spezialisten des Ensembles Aurora unter Enrico Gatti hört, dann ahnt man, warum er einer der einflussreichsten Musiker seiner Zeit gewesen ist. Seine Kompositionen sind in ihrer Strahlkraft, Eleganz und Noblesse noch immer kleine Wunder. Und Konzertmeister Enrico Gatti sowie Rossella Croce, Judith Maria Blomsterberg, Gabriele Palomba und Fabio Ciofini spielen sie zauberhaft. Bravi!

Donnerstag, 15. August 2013

Weiss: Töne von meiner Flöten (Stradivarius)

„Ich konnte mercken, dass die Töne von meiner Flöten einigen Eindruck auf das Hertz der liebenswürdigen Angelica gemacht hatten“, rühmte sich Jean Gaspard Weiss (1739–1815) in seiner Autobiographie. Dennoch blieb die Begegnung mit der Malerin Angelika Kauffmann 1765 in Rom ohne Folgen; der Musiker setzte seine Reisen fort, über die er später dann berichtete. 
Der Elsässer, ausgebildet in Basel und Bern, verbrachte viele Jahre seines Leben auf Reisen. So gehörte zwischen 1767 und 1783 zum Kreis der Musiker um Johann Christian Bach und Carl Friedrich Abel in London. Dort verdiente er als Musiker, Flötenlehrer und Komponist ein Vermögen. 1783 entschloss sich Weiss auf dem Höhepunkt seiner Karriere, in seine Heimatstadt Mulhouse zurückzukehren, und sein Geld dort in die florierende Textilindustrie zu investieren. Das war ein kluger Entschluss, der aus dem Musiker endgültig einen reichen Mann machte – erfolgreich bis ans Ende seiner Jahre. 
Francois Nicolet hat mit dem Ensemble Antichi Strumenti eine Auswahl Weiss'scher Werke bei Stradivarius eingespielt. Dabei verwendet er Nachbauten historischer Traversflöten – allerdings haben sie offensichtlich nicht, wie die Instrumente, die Weiss gespielt hat, fünf, sondern nur zwei bzw. drei Klappen. Das Programm, das Nicolet hier gemeinsam mit Laura Toffetti, Claudia Monti, Tobias Bonz und Francis Jacob vorstellt, ist abwechslungsreich und sehr ansprechend – ganz im Sinne des Komponisten, der sein Geld damit verdient hat, das Publikum gut zu unterhalten. Weiss' elegante Musik zeigt zudem exemplarisch, wie reisende Virtuosen im 18. Jahr- hundert verschiedenste Einflüsse aufgenommen und zu einer Quelle eigener Inspiration gemacht haben. 

Portrait (Genuin)

10 for Brass – das sind zwölf exzellente junge Blechbläser, die sich der Kammermusik ver- schrieben haben. Martin Gierden, Anne Heinemann, Rudolf Lörinc, Lukas Paulenz und Andre Schoch, Trompete, Swantje Vesper und Felix Wilmsen, Horn, Jan Donner, Matthias Haakh, Johannes Weidner und Florian Zerbaum, Posaune, sowie Alexander Tischendorf, Tuba, musizieren seit 2010 gemeinsam in dieser Formation. Sie studieren überwiegend an verschiedenen deutschen Musik- hochschulen. Einige der jungen Bläser haben bereits Engagements bei namhaften Orchestern. 
Die Musiker wurden mit einer Vielzahl von Preisen ausgezeichnet; so haben sie 2011 beim Deutschen Musikwettbewerb ein Stipendium erhalten. Ihre Konzerte kommen beim Publikum wie bei der Presse gut an – kein Wunder, dass sie nun auch eine CD vorlegen wollen. Das erste Album hat das Blechbläser-Ensemble teilweise über Crowd- funding finanziert. 
Die Mühe hat sich gelohnt, denn das Debüt ist gelungen. Die Werke, die die Zwölf dafür ausgewählt haben, reichen von Giovanni Gabrieli bis zu Duke Ellington, und von Händels bekannter Ankunft der Königin von Saba bis zur Bruckner-Etüde für das tiefe Blech aus der Feder von Enrique Crespo, dem langjährigen Spiritus rector von German Brass. Die Bläser von 10 for Brass begeistern mit ihrem satten, runden, harmonischen Ensembleklang. Ihr Spiel ist wirklich perfekt, und ihre Spielfreude überträgt sich auf den Hörer; allerdings dürfen sie gern noch etwas mehr Temperament entwickeln. Wer Bläsermusik liebt, der sollte dieses Album auf keinen Fall verpassen – es lohnt sich! 

Dienstag, 13. August 2013

Pohádka. Dvorák - Janácek - Mahler - Suk (Es-Dur)

Dem kleinen Hamburger Label Es-Dur ist mit Pohádka ein großer Wurf gelungen. David Geringas und Ian Fountain haben für dieses Programm Musik ausgewählt, die allerdings – anders, als der Titel zunächst vermuten lässt – keineswegs nur Märchen erzählt. Was die Herren Josef Suk (1874 bis 1935), Antonín Dvorák (1841 bis 1904), Leos Janácek (1854 bis 1928) und Gustav Mahler (1860 bis 1911) mit dem Thema des Albums verbindet, das erfährt der geneigte Hörer aus dem liebevoll gestalteten Beiheft.
Doch das ist letzten Endes Nebensache. Denn diese Einspielung ist einfach hinreißend. Den beiden Musikern zu lauschen, das ist ein absolutes Vergnügen. Man könnte jetzt darüber sinnieren, ob man Mahlers berühmte Lieder wirklich für Violoncello und Klavier bearbeiten muss – aber letzten Endes folgt man Geringas und Fountain gespannt, bis zum letzten Takt. Was für ein Dialog zwischen den Instrumenten, was für eine Spannung und Intensität! Hier sind zwei großartige Musikerpersönlichkeiten, zu erleben, jeder ein Meister, und auch ihr Zusammenspiel ist einfach nur grandios.

Sonntag, 11. August 2013

Leclair: Violin Concertos Op. 7 (Ramée)

Der Lebensweg von Jean-Marie Leclair (1697 bis 1764) ist keineswegs so geradlinig, wie man dies bei einem Musiker, der bereits zu Lebzeiten derart bewundert und verehrt wurde, erwarten würde. Leclair war der Sohn eines Korb- machers aus Lyon. Er erlernte also ebenfalls dieses Handwerk – und dazu erhielt er Unterricht im Tanzen und im Violinspiel. Sein Vater, der auf der Viola da gamba hervorragend musiziert haben soll, hielt die Kinder offenbar zum Üben an, denn es gelang schließlich nicht nur Leclair, sondern auch einigen seiner Geschwister, ihren Lebensunterhalt als Musiker zu verdienen. 
Leclair begann seine Karriere als Tänzer und Ballettmeister. In Turin begegnete er Giovanni Battista Somis, einem Schüler Corellis. Es wird vermutet, dass Somis Leclair geraten haben könnte, die Endlichkeit einer Tänzerkarriere zu bedenken – und für die Zukunft auf die Violine zu setzen. Bekannt ist, dass Leclair in Paris bei dem Organisten und Cembalisten André Chéron Unterricht in Harmonielehre und Kontrapunkt genommen hat. 
Leclair war als Konzertviolinist wie als Komponist sehr erfolgreich. Er trat in den Concerts spirituels auf, und reiste durch Europa. Zeitge- nossen priesen sein technisch hervorragendes Geigenspiel ebenso wie seine erlesene Harmonik und seine kunstvolle Satztechnik. Auf dieser CD stellt Luis Otavio Santos gemeinsam mit dem Ensemble Les Muffati alle Violinkonzerte op. 7 (1737) vor, die tatsächlich für Violine geschrieben worden sind - Konzert Nummer drei, so wird vermutet, war wohl für Flöte bestimmt. 
Kurios erscheint, dass diese Konzerte durchweg und ausgesprochen perfekt den italienischen Stil imitieren. Sie klingen nach Corelli, und nicht nach Lully – wer es nicht weiß, der käme kaum auf die Idee, dass diese Konzerte ein Franzose komponiert haben könnte. Santos musiziert mit dem kleinen Ensemble zusammen temperamentvoll, das klingt alles sehr frisch und voll Leidenschaft. Und die Aufnahme ist so gelungen und so authentisch, wie man das von den Produk- tionen des Labels Ramée gewohnt ist. Bravi! 

Dienstag, 6. August 2013

Fabulous London - Les Escapades (Christophorus)

„In London, they are at work with a downright furore to resuscitate archaic music!“ Das berichtete ein Korrespondent 1896 mehr oder minder kopfschüttelnd. Ein Enthu- siast namens Arnold Dolmetsch suchte in Archiven nach Musik aus dem elisabethanischen Zeitalter, die er dann, auf wiederbelebten Instrumenten und mit Hilfe seiner Familie, in Konzerten vorstellte. Das muss ein großes Erlebnis gewesen sein. Denn Dolmetsch gelang es tatsächlich, die Consortmusik wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken – eine Tradition, die seitdem nicht nur in England wieder gepflegt wird. 
So haben Franziska Finckh, Sabine Kreutzberger, Barbara Pfeifer und Adina Scheyhing – die vier Damen musizieren seit dem Jahr 2000 gemeinsam als Gambenconsort Les Escapades – unterstützt durch Barbara Leitherer, Bassgambe, und Andrea Cordula Baur, Renaissancelaute, kürzlich bei Christophorus eine CD mit englischer Gambenmusik veröffentlicht. 
Es sind Stücke von bekannten und unbekannten Komponisten, vom Tanz bis zur Klage und von kunstvoll bis schlicht. Ein abwechslungs- reiches Programm, gekonnt vorgetragen, das mit einer enormen Palette an Klangfarben überrascht. Diese stimmungsvolle CD sei daher an dieser Stelle empfohlen – sie ist wirklich rundum gelungen! 

Montag, 5. August 2013

Wilhelm Friedemann Bach: Keyboard Works 4 (Naxos)

Wilhelm Friedemann Bach (1710 bis 1784) war der älteste Sohn Johann Sebastian Bachs. Er kam in Weimar zur Welt, und wurde durch seinen Vater mit Sorgfalt in der Musik unterwiesen. Zeugnis davon gibt unter anderem das berühmte Clavierbüchlein vor Wilhelm Friedemann Bach, das auch kon- trapunktische Arbeiten enthält, die der Zehnjährige gemeinsam mit seinem Vater entwickelt hat. 
Wilhelm Friedemann Bach hat in Leipzig studiert, und trat 1733 seine erste Stelle als Organist der Sophienkirche in Dresden an. 1746 wechselte er an die Liebfrauenkirche nach Halle/Saale. Er galt als der beste Organist weithin, und auch wenn er seine besten Werke wohl niemals aufgezeichnet hat, lässt diese CD erahnen, welches Format dieser Musiker gehabt haben muss. 
Julia Brown setzt hier mit den Sonaten in C-, F- und D-Dur sowie der Sonate für zwei Cembali ihre Gesamteinspielung der Musik fort, die der Komponist für Tasteninstrumente geschrieben hat. Das ist ein anspruchsvolles Projekt, denn zum einen wurden nur zwei seiner Sonaten gedruckt, die anderen sind lediglich in Abschriften über- liefert. Zum anderen steckt seine Musik voll Überraschungen – und ist niemals langweilig, was aber auch gewisse Herausforderungen für die Interpreten mit sich bringt. 
Julia Brown, in der Sonate für zwei Cembali gemeinsam mit Barbara Baird, gelingt es bestens, diese Werke, die alles andere sind als „ga- lant“ und gefällig, vorzustellen. Man erahnt, warum Musikhistoriker die Claviersonaten Wilhelm Friedemann Bachs als die bedeutendsten derartigen Werke vor Beethoven ansehen. Denn sie vereinen das „alte“ Handwerk, die virtuose Beherrschung von Polyphonie und Kontrapunkt, was hier mitunter geradezu spielerisch demonstriert wird, und teilweise moderne Formen. Ein Hörvergnügen ist dies allemal – und in dieser Einspielung sehr zu empfehlen. 

Porpora: Cantatas (Accord)

Nicola Antonio Porpora (1686 bis 1768) war einer der großen Stars seiner Zeit. Er bildete etliche Kastraten aus, beispielsweise Farinelli und Caffarelli, und galt als bester Gesangslehrer Europas. Wie kein anderer verstand es Porpora, seine Schüler in den Olymp der Gesangskunst zu führen. Er legte größten Wert auf eine exzellente Atemtechnik sowie auf die makellose Reinheit des Tones, und trainierte seine Zöglinge so, dass sie jeder denkbaren technischen Herausforderung gewachsen waren. 
Porporas Arien waren daher oftmals Schaustücke, die es den Sängern ermöglichten, ihre Virtuosität effektvoll zu demonstrieren. Er kom- ponierte sie speziell für den jeweiligen Künstler, um dessen Stärken geschickt herauszustreichen. Das macht es fast unmöglich, diese Gipfelwerke der Gesangskunst heute noch aufzuführen. Kastraten gibt es nicht mehr, und auch die Ausbildung der Sänger heute dürfte sich erheblich von der unterscheiden, die Porpora einst vermittelt hat. 
Wie schwierig es ist, diesen anspruchsvollen Werken gerecht zu werden, zeigt die vorliegende Aufnahme. Der polnische Countertenor Artur Stefanowicz hat gemeinsam mit der Cembalistin Dorota Cybulsky-Amsler sowie Serge Saitta, Traversflöte, Simon Heyrick, Barockvioline, und Denis Severin, Barock-Violoncello, vier Kantaten des Komponisten eingespielt. Zwei davon entstammen einem Zyklus von zwölf Kantaten, die Porpora 1735 seinem Mäzen Frederic, Prince of Wales, gewidmet hat – gesungen hat sie seinerzeit Farinelli. Zwei weitere Kantaten dürften bereits in Neapel entstanden sein, wo Porpora nach seiner Ausbildung zunächst als Kapellmeister im Dienst des Prinzen Philipp von Hessen-Darmstadt stand, bevor dann am Conservatorio Sant'Onofrio als Gesanglehrer wirkte. 
Diese Werke verlangen dem Sänger buchstäblich alles ab – sowohl schöne Töne als auch virtuose Koloraturen, in denen die Stimme beinahe wie ein Instrument wirkt, endlos lange Phrasen und musi- kalische Linien stehen neben anspruchsvollen, rasanten Auszie- rungen. Dazu braucht es Technik, Technik, Technik – und eine ganz besondere Stimme; tausende Knaben wurden zur Zeit Porporas in Italien zum Sänger gedrillt, doch am Ende gab es nur einen Farinelli. Artur Stefanowicz singt ohne Zweifel grundsolide, aber diese Werke bringen ihm hörbar an Grenzen. Es tut mir leid, aber mich begeistert diese Aufnahme nicht. 

Sonntag, 4. August 2013

Bach: Sonatas and Partitas, Vol. 1; Thile (Nonesuch Records)

Darf man die Sonaten und Partiten von Johann Sebastian Bach auf einer Mandoline spielen? Wenn man das Instrument so beherrscht wie Chris Thile, dann allemal. Bach war da nicht kleinlich, er selbst hat diese Werke teilweise für Tasteninstrumente sowie für Laute bearbeitet. 
Da die Mandoline ohenhin gestimmt ist wie eine Geige, lag es nahe, diese Musik auch auf dem Zupfinstrument zu spielen – und das ist Thile faszinierend gut gelungen. Der junge Musiker, der sich bislang eher im Bereich der sogenannten „U-Musik“ einen Namen gemacht hat, beherrscht sein Instrument brillant. Das Ergebnis klingt eher nach Cembalo als nach Zupforchester; Bach hätte vermutlich wohlwollend dazu genickt. 

Donnerstag, 1. August 2013

Paganini: 24 Caprices op. 1; Seres (Hungaroton Classics)

Die 24 Capricen op. 1 schrieb Niccolò Paganini (1782 bis 1840) für Solovioline. Sie gehören noch immer zu den Prüfsteinen für jeden Solisten, da jedes dieser Stücke andere technische Anforderungen stellt – und höllisch anspruchsvoll sind sie alle. Diese Werke auf die Querflöte zu übertragen, das ist ein extrem wagemutiges Projekt. 
Die ungarische Flötistin Dóra Seres hat sich dieser Herausforderung gestellt. Sie ist Preisträgerin vieler renommierter internationaler Wettbewerbe, und derzeit Soloflötistin des DR Underholdnings- orkestrets. 
Um Paganinis Capricen angemessen auf die Böhmflöte zu übertragen, hat sie sich auf ihren musikalischen Kern konzentriert, und auf einige Effekte verzichtet, die zu geigenspezifisch sind, wie beispielsweise Doppelgriffe. 
Das Ergebnis bleibt spieltechnisch dennoch eine Herausforderung, selbst für eine Solistin ihrer Klasse. Seres galoppiert in geradezu atemberaubendem Tempo durch Läufe und Arpeggien. Man wird jedoch feststellen, dass es nicht ausreicht, das Instrument virtuos zu beherrschen, wenn man dieser Musik gerecht werden will. So ist diese Aufnahme streckenweise sehr gelungen; mitunter vermisst man aber das letzte Quentchen an Raffinesse in der Intonation, den über alle Oktaven gleichermaßen ausgewogenen Ton, und man würde sich mehr Mut zur Phrasierung und Gestaltung wünschen – gern auch zu Lasten der Rasanz. 

Danzi: Overtures & Flute Concertos (Coviello Classics)

Franz Danzi (1763 bis 1826)? Der Name dieses Komponisten dürfte heutzutage wohl nur noch Cellisten und Musikhistorikern geläufig sein. Dabei hielten seine Zeitgenossen einst große Stücke auf ihn. „Danzi's Name steht schon unter der Reihe der ersten Componisten unseres Vaterlandes“, schwärmte bei- spielsweise 1804 der Weimarer Christian Schreiber. 
Der solcherart Verehrte freilich blieb gelassen und schrieb: „...ich bin eben nicht sehr eitel auf meine Kompositionen und glaube nicht, dass alles gut sein müsse, was ich schreibe.“ Was bedauerlicherweise und was auch mit gutem Grund in Vergessenheit geraten ist, davon vermittelt die vorliegende CD einen ersten Eindruck. Die Flötistin Annie Laflamme hat im Jugendstilsaal des Kurhauses Bergün gemeinsam mit dem Orchester le phénix eine Auswahl der Flöten- konzerte sowie einige Ouvertüren zu Bühnenwerken Danzis eingespielt. 
Es ist eine würdige Gabe zum 250. Geburtstag des Komponisten, der den Mozarts nahegestanden hat und stilistisch wohl am ehesten in der Frühromantik zu verorten wäre. 
Danzis Flötenkonzerte sind eine echte Entdeckung; sie sind einfach schön, und auch für den Solisten eine dankbare Aufgabe. Die Ouver- türen zu Camilla und Eugen oder Der Gartenschlüssel, zu dem Duodrama Cleopatra und zu Wilhelm Tell sind Bruchstücke verlorener größerer Werke; die Noten dazu sind ansonsten überwiegend während des Zweiten Weltkrieges im bombardierten Karlsruher verbrannt. Diese Trümmer einstiger Bühnenwerke dokumentieren Danzis virtuosen Umgang mit dem Orchester und seinen Klangfarben; aber sie erwecken darüber hinaus nicht den Eindruck, dass es sich um bedeutende Werke gehandelt haben muss. Musiziert wird stilsicher und auf historisch korrekten Instrumenten – meine Empfehlung!