Sonntag, 31. August 2014

Schenck: Le Nymphe di Rheno (Ricercar)

Johannes Schenck (um 1660 bis nach 1709) kam wohl in Amster- dam als Sohn eines Weinhändlers zur Welt. Über seinen Lebensweg ist wenig bekannt. 1686 schuf er die erste Oper auf der Grundlage eines Librettos in niederländischer Sprache. Das Libretto sowie einige Arien aus der Opera op de Zink- spreuk „Zonder Spys en Wyn, Kan geen Liefde zyn“ sind überliefert. 1696 findet sich Schenck erstmals als Kammermusikus vermerkt einer Liste von Musikern, die in Düsseldorf angestellt waren, am Hof des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz. 
So kamen wahrscheinlich auch seine zwölf Sonaten für zwei Bass- gamben zu ihrem Namen: Le Nymphe di Rheno, im Druck erschienen 1702, sind seinem Dienstherrn gewidmet. Jan Wellem war nicht nur ein großer Freund der Künste und ihr ganz entschiedener Förderer, er spielte auch selbst Gambe – wie gut, das verraten uns Schencks Werke. Denn man darf wohl davon ausgehen, dass diese virtuosen Duette für den Pfalzgrafen geschrieben worden sind. 
Wieland Kuijken und Francois Joubert-Caillet haben sechs davon ausgewählt und bei Ricercar eingespielt. Die beiden Gambisten musizieren klangschön und inspiriert. Wer allerdings plätschernde Wellen und graziöse Mädels erwartet, der hat sich durch den Titel in die Irre führen lassen. Die Sonaten ignorieren den Grenzfluss Rhein auch insofern, als Schenck Formen aus der französischen, italienischen und deutschen Musik aufgreift und fröhlich verwendet, was gefällt. Seine Werke sind ziemlich eigenwillig – und noch immer faszinierend. 

Humperdinck: Hänsel und Gretel (MDG)

Am Großherzoglichen Hof-Theater in Weimar erlebte 1893 in der Weihnachtszeit , unter der musika- lischen Leitung von Richard Strauss, eine Oper ihre Premiere, die bis heute alljährlich auf dem Spielplan vieler Ensembles steht: Hänsel und Gretel von Engelbert Humperdinck, nach einem Text seiner Schwester Adelheid Wette (die für das Libretto die Geschich- te, frei nach den Gebrüdern Grimm, ein wenig geglättet und festkompatibel bearbeitet hat). Im September 2013 hat Dabringhaus und Grimm das Märchenspiel am historischen Ort aufgenommen. Zu hören sind Solisten und Opern- chor des Deutschen Nationaltheaters Weimar sowie der Kinder- und Jugendchor schola cantorum weimar und die Staatskapelle Weimar, dirigiert von Martin Hoff. Alexander Günther ist eine grandiose Hexe, ansonsten ist das Niveau gutes Stadttheater. 

Samstag, 30. August 2014

Schubert: Wanderer-Fantasie (Berlin Classics)

„Ich meine, dass in der Musik Franz Schuberts die Idee des Wanderns ein stilbildendes Charakteristikum darstellt. Dabei ist das Wandern gewiss viel- schichtig zu verstehen: Zum einen im wörtlichen Sinne als das Wandern durch Stadt und Land, mal beschaulich, mal rastlos“, schreibt Matthias Kirschnereit im Beiheft zu dieser CD. „Zum anderen sehe ich in Schuberts Wandern eine Metapher für die mehr oder weniger permanente Sehnsucht nach glücklicheren Umständen, bis hin zum erlösenden Tod.“ 
Der Pianist hat daher Klavierwerke zu einer „Herbstreise“ zusammen- gestellt – vom sehnsuchtsvollen Andante der frühen Jahre bis hin zur Wanderer-Fantasie und von der temperamentvollen Ungarischen Melodie bis hin zum Allegretto, das „abschließend das Tor zur Ein- samkeit der Winterreise aufstößt“, so Kirschnereit. Davon freilich ist auf dieser CD eher wenig zu spüren; Kirschnereit präsentiert „seinen“ Schubert erstaunlich biedermeierlich. So heiter, so aufgeräumt und so fern aller Abgründe war beispielsweise die a-Moll-Sonate selten zu hören. Diese Interpretation ist ganz entschieden eine poetische. 

Freitag, 15. August 2014

Stamitz: Quartets for Clarinet (Audite)

Ach, was waren das für Zeiten, als der Zuhörer bei dem Wort „Quar- tett“ noch nicht automatisch  an zwei Geigen, eine Bratsche und ein Violoncello dachte. Vor Beethoven waren die Besetzungen wesentlich bunter, und die Komponisten offensichtlich auch experimen- tierfreudiger. Ein gutes Beispiel dafür gibt das Label Audite mit den Klarinettenquartetten op. 8 und op. 19 von Carl Stamitz (1745 bis 1801). 
Carl Stamitz war ein Sohn von Johann Stamitz, und war somit der Mannheimer Schule quasi von Geburt an verbunden. Ersten Unterricht erhielt er bei seinem Vater; nach dessen Tod 1757 übernahmen Christian Cannabich, Ignaz Holzbauer und Franz Xaver Richter die musikalische Ausbildung des Jungen. Als er 16 Jahre alt war, erhielt er seine erste Anstellung als Violinist in der Mannheimer Hofkapelle. 1770 entschied sich Carl Stamitz für ein Leben als reisender Virtuose und Komponist; so trat er gemeinsam mit seinem Bruder Anton in Paris auf, und ging mehrfach auf Konzertreisen quer durch Europa. Obwohl er sich dabei hohes Ansehen erwarb, gelang es ihm aber nicht mehr, sich durch eine lukrative Anstellung abzusichern. Letzten Endes beschäftigte die Universität Jena Stamitz ab 1795 als akademischen Musiklehrer; in der Saalestadt starb der Virtuose dann auch, hoch verschuldet. Sein Nachlass gilt als verschollen. 
Auch wenn Stamitz seinen Ruhm vor allem durch Orchesterwerke erworben hat, zeigen seine Klarinettenquartette doch ebenfalls die hohe Kunstfertigkeit des Komponisten.  Sie sind ein wichtiges Zeugnis für die zunehmende Bedeutung der Klarinette in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Denn Stamitz hat für das seinerzeit noch ziem- lich neue, in Spieltechnik wie Klangfarbe offenbar in steter Entwick- lung befindliche Instrument herrliche Partien geschaffen, die dem Solisten einiges abfordern, aber ihm auch wunderbar Gelegenheit bieten, die Klarinette zu präsentieren. 
Arthur Campbell hat hörbar Freude an diesen Werken. Mit seinem sanglichen Spiel und seinem schmeichelnden Ton fügt er sich ein zwischen die Streicher Gregory Maytan, Violine, Paul Swantek, Viola und Pablo Mahave-Veglia, Violoncello. Er setzt auch Kontraste und Glanzpunkte, und der Zuhörer freut sich über die Eleganz dieser charmanten Musik. Unbedingt anhören – das ist Kammermusik, die rundum gute Laune bringt, in einer hinreißend gelungenen Einspie- lung. 

Mittwoch, 6. August 2014

Pleyel: Preußische Quartette 1-3 (cpo)

Mit den Streichquartetten 1-3 schließt das Pleyel Quartett Köln nun seine Einspielung der Preußischen Quartette von Ignaz Pleyel ab. Bereits erschienen waren die Quartette 4-6 und 7-9 auf jeweils einer CD, die außer- ordentlich positive Kritiken erhalten haben. Und das zu recht, denn Ingeborg Scheerer, Milena Schuster, Andreas Gerhardus und Nicholas Selo musizieren auf den Punkt. Mit ihrer Interpretation bringen sie den ganz besonderen Charme dieser Werke wunderbar zur Geltung. Die vier Musiker haben aber auch eine dankbare Aufgabe, denn Pleyel hat alle vier Instru- mente gleichermaßen mit schönen Melodien und  mit konzertanten Episoden bedacht. Diese Aufnahme ist einfach phantastisch – und Pleyel sollte ohnehin viel öfter zu hören sein. Bravi! 

Sonntag, 3. August 2014

Carl Philipp Emanuel Bach: Berlin Symphonies (MDG)

Die Sinfonia war ursprünglich ein Begleiter des Gesanges. Sie erklang als Einleitung oder aber als Zwischenaktmusik; in Neapel beispielsweise war die Sinfonia als Opern-Ouvertüre gebräuchlich. Sie hatte drei Teile, vom Tempo her schnell – langsam – schnell, mit einem markanten Kopfsatz, und wurde zunehmend auch ohne Oper in Akademien aufgeführt. Dieser Brauch wurde nördlich der Alpen bald übernommen. Und so dauerte es dann nicht lange, bis Komponi- sten Sinfonien schrieben, die reine Orchesterwerke waren, gänzlich ohne Oper, und auch ohne Generalbass. Carl Philipp Emanuel Bach 1714 bis 1788), Cembalist am Hofe Friedrichs des Großen, gehört zu den Protagonisten, die diese dreisätzige Konzertsinfonie sozusagen mit aus der Taufe gehoben haben. 
Seine sogenannten Berliner Sinfonien sind zunächst überwiegend als reine Streichersinfonien entstanden. Die Bläserstimmen für die meisten von ihnen fügte Bach später in seinen Hamburger Jahren hinzu, als er die Sinfonien überarbeitete. 
Diese Einspielung macht deutlich, wie sehr die Sinfonien durch diese Ergänzung gewonnen haben. Denn Christian Zacharias setzt mit seinem Orchestre de Chambre de Lausanne stark auf das Spiel mit den Klangfarben des Orchesters. Das wirkt sehr lebendig; und das zumeist forsche Tempo betont das tänzerische Moment, das vielen Sätzen zu eigen ist. Die vielen Unisono-Passagen gelingen wie mit dem Lineal gezogen. Auch sonst folgt das Orchestre de Chambre de Lausanne seinem langjährigen Chefdirigenten auf den Punkt, und musiziert höchst sensibel und differenziert. All das macht diese Aufnahme sehr spannend. Schwungvoller und lustvoller habe ich diese Werke jeden- falls noch nicht gehört. Bravi! 

Samstag, 2. August 2014

Clara & Robert Schumann - Romanzen (Ars Produktion)

„Deine Fantasiestücke für Piano und Clarinette (op. 73) gefallen mir ungemein“, so schrieb Fer- dinand David, der Konzertmeister des Leipziger Gewandhaus- orchesters, 1850 an seinen Freund Robert Schumann, „warum machst Du nichts für Geige und Clavier? Es fehlt so sehr an was gescheidtem Neuen, und ich wüßte niemanden, der es besser könnte als Du.“ 
Knapp zwei Jahre später war Schumanns erste Violinsonate vollendet, wenige Wochen darauf die zweite. Es folgte dann noch eine dritte, die Schumann aus der legendären F.A.E.-Sonate entwickelte. Auch die Fantasiestücke existieren in einer Fassung für Klavier und Violine, ebenso wie die Drei Romanzen für Oboe und Klavier – Georg Hamann, Violine/Viola, und die junge Pianistin Beata Beck haben auf einer Doppel-CD bei Ars Produktion Schumacher sämtliche Werke der Schumanns für Violine und Klavier zusammengetragen, nebst den Märchenbildern für Klavier und Viola. 
„Es ist ein Schumann nach dem anderen gekommen“, berichtet Beata Beck über dieses Projekt. „Nach den ,Märchenbildern' haben wir die 1. Sonate in a-Moll gespielt. Anschließend noch die ,Fantasiestücke' und dann kam das Schumann-Jahr 2010.“ Mit einem Schumann-Abend der beiden Musiker, in dessen Gefolge dann diese Aufnahmen entstanden sind. 
Ergänzt haben sie das Programm durch das einzige Werk für Violine und Klavier, das von Clara Schumann überliefert ist – die Drei Ro- manzen op. 22. Es ist unüberhörbar, dass sie von einer Klaviervir- tuosin geschrieben worden sind; auch wenn die Komponistin anson- sten offenbar bemüht war, sich stilistisch ihrem Ehemann anzu- nähern. Hamann und Beck musizieren gekonnt, aus der romantischen Tradition heraus, die sie aber aus moderner Perspektive befragen. Im Musizieren finden der Hochschullehrer und seine Studentin zu einer faszinierenden Harmonie zusammen. Beeindruckend! 

Freitag, 1. August 2014

Vivaldi: Complete Oboe Concertos (Brilliant Classics)

Die Oboenkonzerte von Antonio Vivaldi (1678 bis 1741) hat Pier Luigi Fabretti gemeinsam mit dem Ensemble L’Arte dell’Arco einge- spielt. Dabei verwendete der Oboist ein Instrument von Pau Orriols, Vilanova i la Geltrú, dass dieser 2008 nach einem Original aus der Zeit um 1720 von Thomas Stanesbury Junior angefertigt hat. Die Barock-Oboen hatten noch nicht die heute übliche komplizier- te Mechanik; sie unterscheiden sich in der Spielweise und im Klang doch erheblich von den modernen Instrumenten. Insofern erscheint es sinnvoll, im Interesse eines authentischen Klangbildes eine Oboe zu wählen, wie sie zur Zeit Vivaldis gespielt wurde. 
Fabretti hat eigens für diese Einspielung zudem eine kritische Edition sämtlicher Konzerte des Komponisten erstellt. Das war mit Sicherheit ein aufwendiges Projekt, zumal nicht alle Oboenkonzerte Vivaldis in gedruckter Form vorliegen. Und so wertete Fabretti auch etliche Ma- nuskripte aus, die sich in Turin, Lund und Uppsala sowie in Dresden und in Wiesentheid befinden. 
Auf drei CD ist nun das Ergebnis dieser Recherchen zu hören. Einge- spielt wurden sämtliche Oboenkonzerte Vivaldis. Dabei handelt es sich um sechs Konzerte, die im Druck erschienen sind (CD 1), die sieben Werke des „Turiner Manuskripts“ (CD 2) und sieben weitere Konzerte, die als Abschriften in den verschiedenen europäischen Sammlungen (CD 3) erhalten blieben. Einige davon erklingen in Weltersteinspielung. 
Man staunt, doch dies ist zudem die erste Gesamtaufnahme dieser Konzerte auf historischen Instrumenten. Fabretti musiziert virtuos und klangschön, versiert unterstützt durch die Musiker von L’Arte dell’Arco um Konzertmeister Federico Guglielmo. Vivaldis Oboenkonzerte haben ihren Charme, aber gelegentlich auch ihre Längen. Möglicherweise sollte man daher diese Edition in kleinen Häppchen genießen – eine Schachtel köstliche Pralinés wird wohl ebenfalls niemand in einem Zuge leeressen.