Freitag, 25. Dezember 2015

Mendelssohn: Motetten zur Weihnacht / Deutsche Messe op. 89 (Hänssler Classic)

Arnold Ludwig Mendelssohn (1855 bis 1933) ist heute, obwohl er Lehrer von Paul Hindemith und Günter Raphael war, weitgehend vergessen. Er war ein Neffe zweiten Grades von Felix Mendelssohn Bartholdy und wuchs behütet und allseits gefördert auf. So erhielt er Klavierunterricht bei Carl August Haupt, dem späteren Direktor des Königlichen Institutes für Kirchenmusik in Berlin. Dennoch begann der Abiturient 1876 zunächst ein Jura-Studium in Tübingen, da seine Mutter Musik eher als eine brotlose Kunst ansah. Mendelssohn wiederum wollte sich ein Leben als Arzt, Richter, Lehrer oder Offizier nicht vorstellen – und kehrte er noch im selben Jahr nach Berlin zurück, um weiter bei Haupt sowie an der Akade- mischen Hochschule für Musik zu studieren. 
1880 erhielt der junge Musiker eine erste Anstellung in Bonn. Er wirkte dort an der Neuen Evangelischen Kirche als Organist und Chordirigent, und unterrichtete zudem an der Universität Orgelspiel und Musiktheorie. Aus der Bekanntschaft mit Friedrich Spitta ergab sich die Auseinander- setzung mit Werken von Heinrich Schütz und dessen Lehrer Giovanni Gabrieli. Mendelssohn hat während seiner Bonner Jahre etliche Werke Schütz' erstmals wieder aufgeführt. 
Von 1883 bis 1886 wirkte Mendelssohn in Bielefeld, dann als Lehrer für Orgel und Theorie am Konservatorium in Köln. 1891 wurde er zum Kirchenmusikmeister der Evangelischen Landeskirche in Hessen berufen. Er lebte in Darmstadt, kümmerte sich um die Orgeln im Lande, komponier- te viel, und engagierte sich zudem für Bach und Schütz, deren Werke er immer wieder dirigierte. Außerdem lehrte er seit 1912 am Hoch'schen Konservatorium in Frankfurt/Main. 
Mendelssohn war unter anderem mit Engelbert Humperdinck und dem Thomaskantor Karl Straube befreundet. So schrieb er viele seiner Werke für den Thomanerchor. Der Kirchenmusiker wurde von seinen Zeitgenossen hochgeehrt und vielfach ausgezeichnet. Im Februar 1933 erlag er einem Herzinfarkt; so musste er nicht mehr erleben, was damals Familien geschah, die jüdische Wurzeln hatten. Seine Musik geriet rasch in Ver- gessenheit. Daran hat sich leider bis heute wenig geändert. 
Das SWR Vokalensemble Stuttgart unter Leitung von Frieder Bernius hat bei Hänssler Classic eine Auswahl wichtiger Chorwerke veröffentlicht. Die CD enthält die Deutsche Messe op. 89, sowie drei Motetten aus der Geistlichen Chormusik op. 90: Die Advents-Motette Träufelt ihr Himmel von oben, die Motette Lobt Gott, ihr Christen zum Weihnachtsfest und Siehe! Finsternis decket das Erdreich zum Epiphaniasfest. Es handelt sich durchweg um Kompositionen für achtstimmigen Chor und Soli – und sie sind keine leichte Kost, weder für die Sänger noch für das Publikum. Dabei hat sich der Komponist an den Arbeiten der alten Meister orientiert: Die Werke von Bach, vor allem aber auch Schütz, Monteverdi oder Hassler boten ihm Inspiration, doch in seiner Musik interpretierte er diese Anre- gungen mit den Mitteln der Spätromantik. 
Es könnte auch sein, dass Mendelssohns Musik so selten zu hören ist, weil sie sehr anspruchsvoll ist, und weil in Deutschland Chöre, die leistungs- stark genug sind, sich daran zu wagen, mittlerweile selten geworden sind. Das SWR Vokalensemble Stuttgart engagiert sich besonders im Bereich der zeitgenössischen Musik. Der professionelle Chor ist aber ebenso erfahren im stilsicheren Umgang mit Werken aus der Musikgeschichte. Bei Men- delssohns Motetten können die Sänger beides einsetzen und beeindrucken so mit Aufnahmen von hoher Sensibilität und höchster Qualität. Bravi! 

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