Samstag, 2. April 2016

Reger: Chorale Fantasies (MDG)

„Die Protestanten wissen nicht, was sie an ihrem Chorale haben!“ Max Reger (1873 bis 1916), obwohl eigener Aussage nach „katholisch bis in die Fingerspitzen“, hat sich mit dem Choral immer wieder auseinan- dergesetzt. Inspiriert durch Heinrich Reimanns Phantasie über den Choral: „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, die Reger „als ein Wunder- und Meisterwerk dieser Art“ sehr schätzte, und motiviert durch seine Freundschaft mit Karl Straube, ging Reger nach 1898 daran, virtuose Orgelmusik zu schaffen. Sie hatte den Anspruch, Traditionen wiederaufleben zu lassen, die mit Bachs Tod abzubrechen scheinen. 
Zu den großartigen Werken, die damals entstanden sind, gehören Regers sieben Choralfantasien, die Balázs Szabó nun bei Dabringhaus und Grimm komplett neu eingespielt hat. Der renommierte ungarische Organist, Pia- nist, Cembalist und Harmonium-Spieler darf als ein Reger-Experte gelten; so hat er Regers Orgelschaffen als Thema für seine Promotion im Fach Musikwissenschaft an der Universität Utrecht gewählt. 
Szabó hat sich für drei weitestgehend original erhaltene Instrumente entschieden, die die rasante Entwicklung des spätromantischen Orgelbaus zu Regers Zeiten repräsentieren: „Die Choralfantasien dokumentieren den Weg, wie Regers kompositorischer Stil in den Weidener Jahren reifte und sich damit auch seine Idee der ,modernen Orgel' stets verfeinerte“, erläu- tert der Organist im Beiheft (das allerdings eine Menge Schreibfehler enthält, was man von diesem Label sonst nicht kennt.) „Die ersten beiden Fantasien, op. 27 und op. 30, sind stark von der Walcker-Orgel der Wiesbadener Marktkirche beeinflusst. Daher steht die in ihrer Anlage und Disposition sehr ähnliche Walcker-Orgel der Wiener Votivkirche der Klangwelt dieser Kompositionen sehr nah“, so Szabó. „In den beiden Fantasien op. 40 setzt sich reger mit den erweiterten Möglichkeiten einer stufenlosen Übergangsdynamik und Farbenexpressivität der modernen pneumatischen Orgel auseinander, angeregt durch die mit Hochdruck- stimmen versehene Walcker-Orgel im Münchner Kaim-Saal. Der gedankliche Übergang Regers von der mechanischen zur pneumatischen Traktur schlägt sich in der Faktur der folgenden Kompositionen nieder. Die größte erhaltene Orgel der Gebrüder Link in Giengen zählt sicherlich zu den schönsten Orgeln ihrer Art.“ Sie stammt aus dem Jahre 1906 und befindet sich in der Evangelischen Stadtkirche. „In den Drei Fantasien op. 52 klärt sich die Vorstellung Regers über die Möglichkeiten der modernen Orgel. Anstelle einer experimentellen Sprache finden wir ein vollendetes ;Wörterbuch' an technischen Lösungen, dynamischen Angaben und Klangfarben, die zielsicher nach dem musikalischen Inhalt eingesetzt werden“, urteilt der Musiker. „Die Kuhn-Orgel in St. Anton Zürich zeigt den ausgereiften Typus der spätromantischen Orgel, mit sehr subtilen Klangfarben.“ Dieses Instrument wurde 1914 erbaut und 2001/2002 restauriert, ebenfalls durch Orgelbau Kuhn, wobei ein zuvor nicht realisier- tes Fernwerk ergänzt wurde. 
Der junge ungarische Organist musiziert mit ähnlicher Akkuratesse, wie er seine Instrumente auswählt. Technisch bereiten ihm die komplexen Werke Regers offenbar keinerlei Probleme; er spielt die Fantasien beeindruckend locker, mal innig, mal ganz Bekenntnis. Von Balázs Szabó wird man in den nächsten Jahren ganz sicher noch viel hören. 

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