Sonntag, 20. November 2016

Karl Richter Edition (Hänssler Profil)

Was für ein Schatzkästlein! Auf 31 CD finden sich in dieser Box viele jener Aufnahmen, mit denen Karl Richter (1926 bis 1981) berühmt geworden ist. In Freiberg aufgewachsen, sang der Pfarrerssohn im Kreuzchor unter Rudolf Mauersberger und wurde dann in den 40er Jahren der letzte Schüler von Karl Straube. Er studierte in Leipzig am Kirchenmusikalischen Institut bei Günther Ramin und wurde 1949 Thomasorganist. Dennoch entschied er sich 1951, der DDR den Rücken zu kehren. 
Letztendlich wurde er Kantor an der Markuskirche in München, und erschuf sich dort mit dem Münchner Bach-Orchester und dem Münchner Bach-Chor seine musikalische Welt. Kon- zertreisen führten ihn in viele Länder der Erde, in die USA übrigens ebenso wie in die Sowjetunion. An seinen Aufführungen und Schallplatten- aufnahmen wirkten die besten Solisten seiner Zeit mit. Als man Richter dann das Amt des Thomaskantors antrug, lehnte er ab – was er in München aufgebaut hatte, das wollte er nicht mehr aufgeben. Die hohe Arbeitsbelastung allerdings ruinierte die Gesundheit des Musikers; er starb im Alter von nur 54 Jahren an Herzversagen. 
Was bleibt? Diese Box gibt eine Anwort darauf. Sie enthält berühmte Auf- nahmen, von Bachs Brandenburgischen Konzerten und Orchestersuiten bis zu Haydns Sinfonien und von Mozarts Requiem bis hin zu Arien von Händel oder Mendelssohn Bartholdy. Matthäus-Passion, Weihnachts- oratorium, h-Moll-Messe, Magnificat und etliche Kantaten Bachs sind ebenso zu hören wie die Cembalo-Konzerte, die Goldberg-Variationen, die Partiten BWV 825-830, das Musikalische Opfer und einige Orgelwerke Bachs. Mit Aurèle Nicolet spielte Richter Mozarts Flötenkonzerte ein, und Flötensonaten von Johann Sebastian Bach wie von seinem Sohn Carl Philipp Emanuel Bach. Auch Händels Orgelkonzerte sind enthalten, und die Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz. 
Richters Musikauffassung stammt aus dem Zeitalter vor der historischen Aufführungspraxis. Mit Engagement, Neugier und Tiefgang hat er Werke überwiegend aus dem Bereich der „Alten“ Musik erkundet, und mit Sach- verstand und Begeisterung Musiker wie Publikum inspiriert. Natürlich mag aus heutiger Sicht manches überholt sein, aber an Ausdruck und Eindrück- lichkeit ist Richter kaum zu übertreffen. Diese alten Aufnahmen haben eine Aura, der man sich nicht entziehen kann – und die man bei sehr vielen neuen Einspielungen leider vermisst.

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