Dienstag, 15. November 2016

Transcendental - Daniil Trifonov plays Franz Liszt (Deutsche Grammophon)

Nur fünf Tage benötigte Daniil Trifonov, um für die Deutsche Grammophon alle Konzertetüden von Franz Liszt (1811 bis 1886) einzuspielen. Das ist eine ganz erstaunliche Leistung, denn diese Stücke gelten mit als das Schwierigste, was jemals für einen Konzertflügel geschrieben wurde. 
In den Grandes Études de Paganini beispielsweise huldigte Liszt dem Geiger, den er sehr verehrte, indem er Themen aus einigen der berühmtesten Violinstücke des Meisters verwendete, um daraus mindestens ebenso virtuose Klaviermusik zu gestalten. 
Die Drei Konzertetüden von 1849 „are Liszt's tribute to his beloved Italy, to the language of opera, an a case for piano as a singing instrument“, zitiert das Beiheft Trifonov. „Always an innovator, in these etudes, Liszt creates drama in and through harmony – leading the way to Wagner, and later to impressionism.“ Die zwei Konzertetüden von 1863, Waldes- rauschen und Gnomenreigen, sieht der Pianist als musikalische Gemälde: „They are not verbal but depictive works, atmospheric, like paintings by Caspar David Friedrich.“ 
An den Anfang aber stellte Trifonov die Études d'exécution transcendante, eine Sammlung von zwölf Konzertetüden, die nicht nur über ihre Tonarten miteinander verbunden sind. „The cycle reflects the journey of a hero (let us call him ,Liszt'). Each etude represents a particular stage in the hero's spiritual evolution, progressing from explosions of youthful energy (No. 1), growing increasingly complex through ,Eroica' (No. 7) and wild, as in ,Mazeppa' (No. 4), reaching a turbulent climax in the ,Wilde Jagd' (No. 8)“, so der Pianist. „That is the cycle's turning point. From the realization of the futility of the chase, the narrative arc moves from a state of nostal- gic longing in ,Ricordanza' (No. 9) to the meditative denouement of ,Chasse-neige' (No. 12).“ Einige seien eher atmosphärisch, andere eher programmatisch – aber keines dieser Musikstücke sei tatsächlich eine Etüde. 
Extrem allerdings sind sie schon; auch heute noch sind diese Werke so- wohl emotional als auch technisch eine Herausforderung und ein Prüfstein für jeden Pianisten. Mancher Musiker betont ihre Brillanz; Trifonov stellt eher die meditativen, reflektierenden Aspekte in den Vordergrund. „Man muss Liszt ernst nehmen, um ihn gut zu spielen“, forderte einst Alfred Brendel – und der gerade einmal 25jährige Trifonov spielt ihn geradezu beunruhigend reflektiert. Virtuosität ist hier eher ein Nebeneffekt; dem Pianisten geht es um Ausdruck und Tiefe, nicht um Blendwerk und Geklin- gel. Damit kommt er Franz Liszt, der immer auch ein Suchender und ein Zweifler war, erstaunlich nah. Diese Aufnahme ist ohne Zweifel grandios – man darf allerdings gespannt sein, wie Trifonov solche Musik in 30 Jahren spielen wird. 

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