Sonntag, 9. September 2018

Florilegium Portense (Carus)

In der Fürstenschule Pforta bei Naumburg war es einst üblich, dass die Schüler vor und nach dem Essen sowie zur Andacht Hymnen sangen. Diese Gesänge in lateinischer Sprache waren eher unkompliziert vierstimmig gesetzt; und beim Singen festigten die Schüler, ganz nebenher, ihre Lateinkenntnisse und sie erwarben ein Gefühl für Rhythmik und Versmaß dieser Sprache. 
Neben dem sogenannten „Kleinen Florilegium“ aus dem Jahre 1606, in dem diese Hymnen gesammelt waren, erschien 1603 noch eine weitere Sammlung geistlicher Gesänge mit dem Titel „Florilegium selectissimarum cantionum“. Diese „Blütenlese der ausgezeichnetesten Lieder“ hat Kantor Erhard Bodenschatz (1576 bis 1636) dann noch in zwei weiteren Ausgaben 1618 und 1621 komplettiert. 
Die Edition beruht auf einer Sammlung von Hymnen und Motetten aus Italien, Deutschland, Burgund und den Niederlanden, die teilweise schon Bodenschatz' Lehrer und Amtsvorgänger Sethus Calvisius zusammenge- stellt hatte. Er wirkte zwölf Jahre in „Schulpforta“, bevor er dann 1594 als Thomaskantor nach Leipzig zurückkehrte. 
Noch zu Bachs Zeiten bildete das Florilegium das Kernrepertoire der Thomaner. Erst Thomaskantor Johann Adam Hiller schaffte den „lateinischen Singsang“ ab, und ersetzte ihn durch deutschsprachige Motetten. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein aber wurde das Florilegium Portense an protestantischen Schulen und von Kantoreien in Mittel- und Norddeutschland genutzt. Heute singen auch die Thomaner wieder Stücke daraus. 
Dass dieser einstige Bestseller ansonsten aus dem Gebrauch gekommen ist, liegt mit daran, dass diese herrlichen Motetten bis zu zehnstimmig sind – was mittlerweile das Leistungsvermögen der meisten Chöre leider weit überschreitet. Das ist durchaus ein Verlust, wie diese CD aus dem Hause Carus zeigt. Das Vocal Concert Dresden hat unter Leitung von Peter Kopp gemeinsam mit der Cappella Sagittariana Dresden die Sammlung erkundet und zum 400. Jubiläum des Erstdruckes der zweiten Ausgabe, „Florile- gium Portense“, 1618 erschienen und wohl am weitesten verbreitet, Stücke aus allen vier Bänden eingespielt. 
Zu hören sind Werke von Orlando di Lasso, Agostino Agazzari, Giovanni Gabrieli, Hieronymus und Michael Praetorius, Hans Leo Hassler, Sethus Calvisius, Melchior Franck, und etlichen anderen. Auch Erhard Boden- schatz ist mit Quam pulchra es amica mea vertreten. Die Sängerinnen und Sänger beeindrucken durch einen runden, harmonischen Chorklang, aus dem die jeweiligen Solisten ebenso harmonisch heraustreten. Auch die Cappella Sagittariana bleibt dezent; oberstes Ziel ist Ausdruck, und dem ordnet sich alles unter. So ist dies eine außerordentlich gelungene CD, die einen guten Eindruck von der Schönheit jener altertümlichen Werke vermittelt. Meine Empfehlung! 

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