Michael Korstick spielt die Klavier- sonaten von Ludwig van Beetho- ven - sehr maskulin, temperament- und kraftvoll. Schon seine Wald- stein-Sonate verschlägt einem schier den Atem, denn hier ist eine gestalterische Intensität zu erleben, die man in der Flut der allmonatlich neu auf dem Markt kommenden Silberscheiben nicht sehr oft findet.
Furios geht Korstick auch die Appassionata an. Dieses Stück, eines der populärsten der Wiener Klassik, ist ein Schlusspunkt, und danach kam auch für Beethoven lange Zeit nichts mehr: Fünf Jahre dauerte es, bis der Komponist dann mit den Sonaten 24 bis 27 zu einem eher gemäßigten, gebändig- ten Tonfall zurückfindet. Korstick treibt sein Klavierspiel bei der Appassionata bis an die Grenzen - und lässt einen so dieses vielmals strapazierte Werk neu hören. Es mag verblüffen, aber seine Auffas- sung erscheint gerade aufgrund ihrer Kompromisslosigkeit durchweg schlüssig - und Korstick spielt grandios! Wer seine extreme Inter- pretation gehört hat, der weiß, warum diese Sonate den Beinamen "die Leidenschaftliche" erhielt.
Zwischen den gewaltigen Klanggebirgen der Sonaten Nr. 21 in C-Dur op. 53 ("Waldstein") und Nr. 23 in f-Moll op. 57 ("Appassionata") befindet sich jedoch die Sonate Nr. 22 in F-Dur op. 54. Dieses kleinere, weniger emotionsgeladene, zweisätzige Werk sieht sich von jeher dem Vorwurf der Minderwertigkeit ausgesetzt. Korstick wagt sich an seine Rehabilitation, indem er es so spielt, wie Beethoven es notiert hat - ohne einen Versuch, diese Sonate "gefällig" glattzubügeln, mit den Akzenten und dynamischen Kontrasten, die Beethoven vorgesehen hatte, und in dem von ihm gewünschten Tempo. Das Ergebnis erstaunt: Korstick verhilft auch dieser Sonate zu einem angemessenen Platz zwischen ihren berühmten Schwestern. Auf die Fortsetzung dieser Gesamteinspielung der Klaviersonaten Beethovens jedenfalls darf man jetzt schon gespannt sein.
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