Sonntag, 19. Dezember 2010

Mattheson: Das größte Kind (cpo)

Johann Mattheson (1681 bis 1764), heute vor allem bekannt als ein bedeutender Musiktheoretiker der Barockzeit, nahm 1715 das Amt Musikdirektors am Hambur- ger Dom an. Zwar war es schlecht bezahlt, aber es brachte dem streitbaren Musikpublizisten den Status eines Canonicus minor am Domkapitel und somit einige Freiheiten ein, weil das Domkapitel nicht der städtischen Gerichts- barkeit unterstand. Auch war der Aufwand, den diese Tätigkeit mit sich brachte, nicht allzu groß - nur an sechs Tagen pro Jahr hatte im Dom Figuralmusik zu erklingen, und genau dafür war der Musikdi- rektor verantwortlich.1728 musste Mattheson dieses Amt allerdings wieder aufgeben, weil er kaum noch etwas hörte; für den Rest seines Lebens blieb er taub.
In den Werken, die Mattheson als Domkantor schuf, versuchte er, einen theatralischen, stark von der Oper beeinflussten Stil durchzu- setzen. Für die Aufführungen engagierte er Sänger und vor allem Sängerinnen von der Hamburger Oper - was zunächst einen hand- festen Skandal verursachte, bald aber offensichtlich akzeptiert wurde. Für den Nachmittagsgottesdienst am zweiten Weihnachtstage, also am 27. Dezember, komponierte Mattheson 1720 Das Gröste Kind, in einem Oratorio auf Weynacht musicalisch vorgestellet - ein zwei- teiliges, üppig instrumentiertes Oratorium, das im Stall zu Bethlehem nach der Geburt Christi spielt. Dieses prachtvolle Werk, das mit seinen virtuosen Arien auch den Sängern allerhand abfordert, liegt nun auf CD vor. 
Die Einspielung ist ringsum gelungen. Es singen Susanne Rydén und Nele Gramß, Sopran, Anna Schmid und Melissa Hegney, Alt, Gerd Türk und Ulrich Cordes, Tenor sowie Wolf Matthias Friedrich und Thilo Dahlmann, Bass, und dazu musiziert die Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens - und zwar mit so viel Temperament und Spielfreude, dass es trotz der angestaubten Texte das reine Vergnü- gen ist, dieses Werk anzuhören. Bravi!

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