Der Lebenslauf von Johann Philipp Förtsch (1652 bis 1732) erscheint ziemlich typisch für die Barockzeit. Der Sohn des Bürgermeisters von Wertheim am Main konnte ohne materielle Sorgen zunächst das Gymnasium besuchen. Anschließend studierte er in Jena und Erfurt Medizin, Jura und Phi- losophie. Musik gehörte damals so selbstverständlich dazu, dass wir über seine Ausbildung nichts er- fahren - doch nach seiner Kava- lierstour wurde Förtsch 1674 als Tenorist in die Hamburger Kantorei aufgenommen, und auch in der neu gegründeten Oper am Gänsemarkt trat er auf.
1680 schlug er die angebotene Kantorenstelle in Lübeck aus, und ging als Kapellmeister an den Hof Herzog Christian Albrechts von Hol- stein-Gottorf. Über den Grund für diese Entscheidung rätseln Musik- wissenschaftler bis heute, denn Christian Albrecht lag in Dauerfehde mit Dänemark - was ihn ein Vermögen kostete. Deshalb bestand die Hofkapelle lediglich aus einem Geiger, drei weiteren Musikern, die jeweils mehrere Instrumente beherrschten, einem Lautenisten, fünf Hoftrompetern und einem Organisten, der offenbar auch das Cembalo spielte. Dazu kamen einige Kapellknaben; Förtsch selbst sang Tenor, und Johann Carl Quellmalz, der erste Bassist der Hamburger Oper, war gemeinsam mit Förtsch in die Dienste des Herzogs getreten.
Für diese kleine Besetzung entstanden die Kantaten, die auf dieser CD nahezu durchweg als Weltersteinspielung vorliegen. Auffällig ist Förtschs sorgsamer Umgang mit dem Wort, ein deklamatorischer Stil, wie wir ihn von Schütz und dessen Nachfolgern kennen - nur eben moderner.
Wenn der Sinn geistlicher Musik darin bestand, durch "ihre Lieblich- keit bey den Zuhörern eine sonderliche Andacht zu erwecken" - so formulierte es Andreas Hammerschmidt 1669 - dann war Förtsch ein Meister in diesem Genre. Er vermeidet alle Übertreibung, und orientiert sich offenbar auch an den technischen Möglichkeiten der verfügbaren Musiker und Sänger - doch seine Melodien sind ein Genuss, und auch diese Einspielung ist sehr gelungen. Monika Mauch und Barbara Bübl, Sopran, Alex Potter, Altus, Hans Jörg Mammel, Tenor und Markus Flaig, Bass musizieren gemeinsam mit dem exzel- lenten Barockorchester L'arpa festante, geleitet von Rien Voskuilen, der zugleich an Cembalo und Orgel zu hören ist.
Förtsch beendete seine musikalische Karriere übrigens schon sehr bald: Als der musikliebende Herzog 1683 erneut nach Hamburg fliehen musste, wandte sich sein Kapellmeister der Medizin zu. Er komplettierte seine Ausbildung an der Universität Kiel, und ging als Arzt nach Husum. Dort behandelte er nicht nur Patienten, sondern er komponierte auch zwölf Opern für die Hamburger Bühne. 1689 er- nannte ihn der Herzog zum Hofarzt. 1694, nach dem Tode von Christian Albrecht, trat Förtsch als Leibarzt und Hofrat in die Dienste seines Bruders August Friedrich, der Bischof von Lübeck war und in Eutin residierte. Aus dem einstigen musicus wurde ein erfolgreicher und hoch angesehender Arzt und Diplomat. Zum Komponieren freilich scheint Förtsch in all diesen Jahren nicht mehr die Muße gefunden zu haben.
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