Beethovens Klaviersonaten
op. 109, 110 und 111 spielt Alexej Borisowitsch Ljubimow, Jahrgang 1944. Das ist eine spannende Kombination - denn diese letzten drei Klaviersonaten haben Gene- rationen von Pianisten und Musik- wissenschaftlern Rätsel aufgege- ben. "Vor allem ziehen diese Sonaten mit ihrer Ungelöstheit, Einzigartigkeit an. Sie widerstehen jedem Standardmaß in ihrer Formproblematik", meint Ljubi- mow. "Man hat es ,unbequem', ,ungreifbar', sie zu spielen, nichts öffnet sich, spielt sich von selbst, und man gibt sich gigantische Mühe, den Text für sich zu ,erläutern', um zu verstehen, welche Metaphysik, welche philosophischen Gedanken hinter allen formalen Kunstgriffen und Deformationen stehen, dazu zwingen, dass die Form sich drängt und sich verdichtet, aber dann plötzlich erstarrt und hängen bleibt, auf einen neuen unvorhergesehenen Impuls wartend.
Zweitens bleiben die Sonaten dem konkreten Klavierinstrument fern, der Widerstand und Kampf mit den herkömmlichen, früheren Kla- viertypen (er war bei Beethoven immer erkennbar) ist nicht mehr zu hören; als ob ihre Musik das vorhandene Instrument ,übersieht', seine Greifbarkeit und seine historischen Eigenschaften überwindet. Das historische Klavier wird heute mit diesen Sonaten sozusagen über seine Zeit hinaus transzendiert."
Dennoch hat sich der Pianist für diese Einspielung ein historisches Instrument ausgesucht. Er spielt einen Wiener Flügel aus der Werkstatt von Alois Graff, erbaut um 1828. "Ich wählte ihn nicht nur wegen seiner reichen Klangpalette, sondern auch wegen einigen Ungleichmäßigkeiten, kleinen Mängeln an Perfektion, wie sie immer bei historischen Instrumenten vorkommen."
Alexej Ljubimow war einer der letzten Schüler von Heinrich Neuhaus in Moskau. Ausgebildet gemäß der großen russischen Klaviertradi- tion, lernte er in Brüssel in den 60er Jahren die Gebrüder Kuijken kennen, und entdeckte fasziniert das Musizieren auf historischen Instrumenten. Zugleich engagiert sich Ljubimow aber für die Werke der zeitgenössischen Avantgarde; er hat viele davon uraufgeführt und ist gleichermaßen berühmt als Interpret der Werke von Denisov, Schnittke, Silvestrov, Gubaidulina oder Pärt.
Diesen drei Sonaten Beethovens nähert er sich ausgesprochen respektvoll. Er belässt sie im Rätsel, und so klingen sie dann auch. Hier spielt ein Künstler, der sich nichts mehr beweisen muss, einen Komponisten, der an die Grenzen des Ausdruckes gestoßen ist. Und der Zuhörer lauscht atemlos, denn auch diese CD ist eine Grenz- erfahrung. Grandios!
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