Und da wir gerade bei Musik aus Prag waren: Auch Antonín Reiche- nauer gehörte zu der berühmten Kapelle des Grafen Wenzel Morzin. Über seine Kindheit und Jugend ist nichts bekannt; das erste Doku- ment über ihn datiert vom Januar 1722 - ein Eintrag über die Taufe eines Sohnes im Kirchenbuch der Malteserkirche Maria unter der Kette in Prag. Aus Kirchenbüchern erfahren wir dann nicht nur, wann weitere Kinder zur Welt kamen oder gestorben sind; die Liste der Paten und Taufzeugen gibt Auskunft darüber, in welchen Kreisen sich Reichenauer bewegte.
1721 wurde Johann Friedrich Fasch beim Grafen Morzin als Haus- komponist engagiert; allerdings blieb der Musiker nicht lange. Sein Nachfolger wurde Reichenauer, und das Rechnungsbuch des Grafen dokumentiert für die Jahre 1724 bis 1729 regelmäßige Gehaltszah- lungen nebst einer gesonderten Vergütung für die gelieferten Wer- ke. 1730 nahm Reichenauer eine Stelle als Pfarrorganist in Neuhaus an; dort starb er einen knappen Monat nach Dienstantritt im Alter von 34 Jahren.
Ein Großteil seiner Instrumentalwerke befindet sich heute im Archiv der einstigen Hofkapelle in Dresden; wie die Abschriften und Manu- skripte an den sächsischen Hof gelangt sind, ist unbekannt. Fakt ist aber, dass Fagottist Anton Möser nach Auflösung der Morzinschen Hofkapelle nach Dresden wechselte. Das Fagott spielt auch eine überaus prominente Rolle in vier der sechs Werke Reichenauers, die auf dieser CD in Weltersteinspielung erschienen sind. Die Werke sind handwerklich anspruchsvoll, sie kombinieren böhmische und italienische Musiktraditionen, und verraten, dass ihr Schöpfer ganz sicher kein Kind von Traurigkeit war.
Es musizieren Sergio Azzolini, Fagott, Xenia Löffler, Barockoboe, und Lenka Torgersen, Barockvioline, gemeinsam mit dem Collegium 1704 unter der Leitung des Cembalisten Václav Luks - ein weiteres bedeu- tendes Ensemble aus Prag, das sich der Alten Musik verschrieben hat, und zu Recht inzwischen international einen hervorragenden Ruf genießt.
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