Thomasorganist Ullrich Böhme spielt die Leipziger Choräle; sie gelten als das musikalische Testament von Johann Sebastian Bach. Diese Aufnahme ist insofern etwas Besonderes, als hier zwei grundverschiedene Orgeln zu hören sind. Denn die den den Bear- beitungen vorangestellten Choral- sätze spielt Böhme auf der Orgel der Dorfkirche in Störmthal, 20 Kilometer südöstlich von Leipzig. Dieses Instrument, 1723 von Zacharias Hildebrandt erbaut, und von Bach seinerzeit geprüft und abgenommen, erscheint noch deut- lich mitteltönig gestimmt. Das hat zur Folge, das bestimmte Tonarten rein klingen - und andere unsauber, scharf und spannungsvoll.
Böhme führt vor, wie Bach dies in seinen Chorälen als Gestaltungs- mittel einsetzte. Und im Kontrast dazu spielt er die Leipziger Choräle BWV 651 bis 668 an der Bach-Orgel der Thomaskirche Leipzig, erbaut von dem Marburger Orgelbauer Gerald Woehl im Bach-Jahr 2000. Sie ersetzte eine Schuke-Orgel aus den 60er Jahren, und ergänzt die Sauer-Orgel, mit der sich zwar hervorragend Reger, aber nur schlecht Barockmusik spielen lässt. Diese Aufgabe sollte der Neubau über- nehmen; die Orgel ist daher sowohl im sogenannten Chorton, hier
465 Hz, als auch im Kammerton, hier 415 Hz, spielbar. Und mit einem Hebel lässt sich vom Chor- auf Kammerton umstimmen. Ihre Tempe- ratur folgt einem Konzept des Bach-Zeitgenossen Johann Georg Neidhardt, der im Interesse der Transponierbarkeit für die sogenann- te gleichschwebende Temperatur plädierte. Die Konsequenz daraus ist die heute übliche gleichstufige Stimmung. Das macht die Instru- mente flexibler - und ihren Klang langweiliger, weil der Charakter der jeweiligen Tonart, dem die barocken Musiktraktate noch dicke Kapitel gewidmet haben, verloren geht.
Diesen Vorwurf muss man auch der Bach-Orgel machen; ihr Klang hat trotz der 61 Register nicht halb soviel Farbe wie der des kleinen, einmanualigen Instrumentes in der Störmthaler Kreuzkirche. Die Neigung Böhmes zum kräftigen, massiven Registrieren macht die Sache nicht besser. Aber sein Spiel ist exzellent.
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