Allmählich werden sie wieder- entdeckt - jene barocken Solo- konzerte, die nicht (mehr) unseren Vorstellungen entsprechen, wie ein Solokonzert auszusehen hat. Mitunter liegt es am Solo-Instru- ment: Ein Fagott als Solist im Konzert des städtischen Sinfonie- orchesters? Da fliegen die Brauen in die Höhe. Schon eine Viola wäre ein Ereignis. Über eine Harfe, Violine, ein Violoncello oder ein Klavier hingegen wundert sich kein Mensch.
Vieles ist also Konvention, und es ist nicht zuletzt Ensembles wie Charivari Agréable unter Kah-Ming Ng zu verdanken, wenn wir darauf aufmerksam werden - und entdecken, dass da noch immer wunder- schöne Musik auf ihre Wiederaufführung wartet. Die Werke auf dieser CD sind geistreich, handwerklich perfekt gemacht, und so originell, dass man einige gleich noch einmal hören möchte, um sich verwun- dert die Augen zu reiben: Eine Sonate für Zink und Streicher, wie sie Pietro Baldassari (etwa 1683 bis nach 1768) komponiert hat, wäre vor hundert Jahren schon deshalb nicht aufführbar gewesen, weil kaum noch jemand in der Lage war, den Zink zu blasen. Dieses Instrument, das man sich wie eine Blockflöte mit Trompetenmundstück vorstellen muss, war bis Mitte des 17. Jahrhunderts sehr beliebt, weil es die menschliche Stimme besonders gut imitieren soll - und es ver- schwand mit dem Aufkommen der modernen Violine nahezu schlag- artig.
Auch unter den wenigen überlieferten Werken von Johann Daniel Berlin (1714 bis 1787), einem dänisch-norwegischer Komponisten, findet sich eine Sinfonia à 5 für Zink. Die Violinen, damals noch neu und sozusagen in Erprobung, sind auf dieser CD ebenfalls mit zwei Werken präsent - beide stammen aus Großbritannien, und beide verwenden das Streichinstrument gleich im Rudel: Johann Christoph Pepusch (1667 bis 1752) schrieb ein Concerto für gleich vier Violinen (aber ohne Orchester); sein Kollege William Croft (1678 bis 1717) hingegen billigte den fünf Soloviolinen, die er für seine Sonata vorschreibt, immerhin noch die Unterstützung durch ein Continuo zu.
Weniger experimentell, sondern eher solides Handwerk sind das Favoritkonzert für Orgel oder Cembalo von Pietro Domenico Paradisi (1707 bis 1791), das Concerto à 5 für Oboe von Anton Reichenauer (1694 bis 1730), das doch stark an Vivaldi erinnert, sowie das Con- certo Nr. 3 für Trompete von Johann Wilhelm Hertel (1727 bis 1789). Bei der Auswahl sowie der Anzahl der Soloinstrumente und bei der Gestaltung der diversen Parts scheinen sich die Musiker seinerzeit wohl eher an den Vorlieben des Publikums, der Besetzung der je- weiligen Kapelle und den Fähigkeiten der Beteiligten orientiert zu haben als an abstrakten Regelwerken oder hochfliegenden ästheti- schen Konzepten. Mancher Virtuose schrieb sich schlicht die Kon- zerte für sein Instrument selbst. So scheinen denn die Handschriften aus jener fernen Zeit in erster Linie Auskunft über die Musizierpraxis zu geben.
Wer solche Werke aufführen will, der muss freilich erheblichen Auf- wand treiben, um aus Autographen ein brauchbares Aufführungs- material zu erstellen. In diesem Falle hat sich die Mühe gelohnt. Kah-Ming Ng und seine Musiker haben für ihre 20. CD ein interessantes Konzept gefunden. Die Solisten sind durchweg exzellent, und die ausgewählten Raritäten werden frisch und schwungvoll präsentiert. Hörenswert!
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