Dem deutschen Volkslied galt die besondere Liebe und Fürsorge der Romantiker. Dabei sahen sie diesen Begriff mitnichten museal-histo- risch. Wenn ein Lied überall gegen- wärtig ist, so dass der Name des Urhebers bedeutungslos werde, dann sei es ein Volkslied, befand Anton Wilhelm von Zuccalmaglio: "Wenn die ganze Zauberflöte ein- mal vom Volk gesungen würde, hätte selbst Mozart sein Recht daran verloren."
Zugleich rückte die Musik von Kirche und Hof in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft. Überall wurden Gesangsvereine gegründet, und all diese Liedertafeln be- nötigten Repertoire. Komponisten wie Friedrich Silcher (1789 bis 1860) lieferten diesen Chören gut klingende, einfach zu singende Chorsätze - und wenn gerade keine Volkslieder parat waren, wurden welche geschaffen; Texte fanden sich im Schaffen von Lyrikern wie Eichendorff, Uhland oder Heine, und da bis zum heutigen Tage buchstäblich jeder Männerchor diese Lieder singt, wurden sie bald ebenfalls als Volkslieder angesehen.
Auch Max Reger (1873 bis 1916) erlebte solche Männergesangs- vereine; und er schrieb selbst etliche Chorsätze, die er dem Münchner Lehrergesangverein, dem Regensburger Liederkranz und dem Wiener Männergesangverein widmete. Allerdings schreibt er nicht "aus dem Volk für das Volk"; seine Bearbeitungen machen das Lied kompro- misslos zum Kunstlied. Moritz Kässmeyer (1831 bis 1884) schließlich, seit 1854 Konzertmeister bei den Wiener Philharmonikern, macht aus den schlichten Volksliedern einen virtuosen musikalischen Spaß für Instrumentalisten.
In diesem Spannungsfeld agiert die vorliegende CD. Die Sänger des Leipziger Vokalensembles Amarcord teilen sie sich mit dem ebenfalls renommierten Leipziger Streichquartett. Die fünf Sänger beein- drucken durch ihren blitzsauberen, perfekt abgestimmten Vortrag. Der Sieg in diesem musikalischen Wettstreit freilich geht an die Instrumentalisten, denn der eher schlichte Satzgesang der Silcher-Arrangements und die raffinierten harmonischen Experimente Regers haben es neben den Wiener Scherzen Kässmeyers ausge- sprochen schwer - zumal, wenn sie so charmant vorgetragen werden.
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