Spohr als Opernkomponist? Ro- mantische Oper - aus Kassel? Das lässt staunen, denn Louis Spohr (1784 bis 1859), der dort als Hofkapellmeister wirkte, ist in erster Linie als Violinvirtuose, sehr erfolgreicher Musikpädagoge und als Schöpfer wunderschöner Violinkonzerte bekannt. Christian Fröhlich hat sich nun in Braun- schweig für die Wiederentdeckung von Spohrs Oper Der Alchymist eingesetzt - um "ihm Gerechtigkeit zu verschaffen", so der Dirigent: "Wer hat sich nicht alles auf Mozart berufen? Spohr hat ihn weiter- geführt, in seiner Leichtigkeit, die bekanntlich ja das Schwerste ist. (...) Ein Abglanz von Mozart findet sich bei Spohr fast in jedem Takt. Ich hoffe, Spohr wird es so ergehen wie einst Franz Schubert, dessen Musik auch lange als belanglos galt und völlig missverstanden wurde. Bei ihm hat es hundert Jahre gedauert, bis erkannt wurde, dass seine Musik eben nicht biedermeierlich-muffig ist, sondern Ab- gründe hat und Tiefen, die es auszuloten lohnt."
Spohr hat zehn Opern geschrieben; im Spohr-Archiv liegen neben Der Alchymist auch Faust - leider nicht auf der Grundlage von Goethes Drama -, Jessonda, Der Berggeist und Die Kreuzfahrer. Der Alchymist sei, so Fröhlich, "eindeutig" die stärkste davon. Die Geschichte ist nicht besonders originell, ein junger Librettist namens Carl Pfeiffer hat die Handlung nach der Novelle The student of Salamanca von Washington Irving mehr oder minder geschickt in Verse gebracht: Ein Jüngling, der viel zu oft betont, dass er ein edler Ritter sei, hat sich in ein Mädchen verguckt und möchte sie gern gewinnen. Dummerweise will sie von ihm nichts wissen, denn sie ist einem anderen zugetan. Deshalb heuert der Möchtegernbräutigam allerlei Gesindel an, um zunächst mit Sang und Klang, und schließlich mit immer handfesteren Methoden zu überzeugen. Denn als alles Geturtel nicht verfängt, entführt er die Angebetete, und verpetzt ihren Vater bei der Inquisition. Die Patres haben da wenig Humor; doch zum Glück hat sich der Übeltäter eine raffinierte Frau zum Feind gemacht: Die Sklavin Paola, seine verlassene Geliebte, verhilft Inez zur Flucht. So kann sie gemeinsam mit dem Liebsten ihren Vater, den Alchymi- sten, in letzter Sekunde vor dem Scheiterhaufen retten.
Viel spannender als diese Geschichte ist die Musik, die der Komponist dazu schuf. Sie klingt ein wenig nach Wagner, ein wenig auch nach Otto Nicolai - und ist ansonsten ganz Spohr, wie ihn jeder Geigen- schüler kennt. Das Staatstheater Braunschweig hat die Oper versiert auf die Bühne gebracht; doch die Mitwirkenden stehen nicht wirklich über den Dingen, und so gerät die Weltersteinspielung des Werkes unfreiwillig doch ein bisschen biedermeierlich-museal.
Leider bringt der Live-Mitschnitt klanglich gewisse Verluste mit sich. Und auch die Besetzung vermag nicht durchweg zu begeistern. Insbe- sondere Bernd Weikl macht seinen Don Felix zu einer Knallcharge. Und Jan Zinkler nuschelt sich durch die Partie des Schurken Don Ramiro, dass es einen graust. Susanne Pütters ringt mit der Partie der Paola, die sich als umfangreich und technisch erstaunlich anspruchs- voll erweist. Moran Abouloff mit ihrem hellen, lyrischen Sopran überzeugt in der Rolle der Inez, und auch Jörg Dürmüllers strahlen- der Evangelisten-Tenor passt sehr gut zur Partie des Don Alonzo. Das Braunschweiger Staatsorchester und der Chor des Staatstheaters zeigen sich routiniert; insgesamt hatte man sich von einer Weltpre- miere aber mehr erhofft.
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