Johann Rudoph Zumsteeg (1760 bis 1802) war der Sohn eines Kammerdieners des Herzogs von Württemberg. Im Alter von zehn Jahren wurde er in die Pflanzschu- le Carl Eugens aufgenommen, der diese Eliteschule gegründet hatte, um Künstler, Beamte und Militärs heranzuziehen, die dem Hof ver- pflichtet waren. Zumsteeg sollte zunächst Bildhauer werden, dann aber wurde seine musikalische Begabung erkannt und gefördert. Als er im September 1781 die Karlsschule verließ, fand er sofort Anstellung als Cellist und Kompo- nist bei Hofe.
Anders als sein Schulfreund Schiller, wusste sich der junge Musiker in Württemberg zu arrangieren. Und als sein einstiger Lehrer Augustin Maria Benedict Poli 1793 seinen Abschied nahm, wurde Zumsteeg sein Nachfolger im Amt des Hofkapellmeisters - mit einem Gehalt von immerhin 2300 Gulden.
Frieder Bernius hat nun mit seinem Kammerchor und der Hofkapelle Stuttgart ein Werk Zumsteegs wiederentdeckt, das zu den großen Erfolgen des Komponisten gehört: Das Singspiel Die Geisterinsel, 1798 in Stuttgart uraufgeführt und seinerzeit ungemein populär. So erbat die französische Kaiserin Josephine Beauharnais 1806 von Zumsteegs Witwe die Partitur, um das Stück übersetzen und in Paris aufführen zu lassen.
Das Libretto von Friedrich Hildebrand Freiherr von Einsiedel und Friedrich Wilhelm Gotters basiert auf Shakespeares Sturm, bearbeite- te diese Vorlage allerdings sehr frei, um sie operntauglich zu machen. Und Zumsteeg hat nicht nur Mozarts Opern in Stuttgart aufgeführt, sondern von seinem Wiener Kollegen offenbar auch allerhand gelernt. Es ist gewiss kein Zufall, dass Die Geisterinsel mitunter stark an Mo- zarts Zauberflöte erinnert.
Zauberopern - wenn möglich, mit aufwendiger Bühnentechnik - waren damals groß in Mode. Zumsteegs Singspiel ist aber nicht deshalb attraktiv. Interessant ist das Stück deshalb, weil es nicht in Sprech- texte, die die Handlung vorantreiben, und Arien, die der Reflexion dienen, zerfällt. Wenn es hier Dialoge gab, dann hat Bernius sie ge- strichen - und man vermisst sie nicht. Zumsteeg hat kühn durchkom- poniert, und schuf ausdrucksstarke Arien und Ensembles, die mit- unter noch die italienische Schule erkennen lassen, originelle Chöre sowie ausgedehnte Finalszenen. An ihnen wird freilich auch spürbar, dass Zumsteeg doch nicht Mozart war.
Gut gelungen sind ihm jedoch die Charakterisierung seiner Figuren mit musikalischen Mitteln sowie die Instrumentierung, die vor allem den Holzbläsern dankbare solistische Aufgaben beschert. Die Musiker der Hofkapelle Stuttgart spielen engagiert, und der Chor sowie die meisten Solisten können sich ebenfalls hören lassen. So ergänzt diese Weltersteinspielung bei Carus nicht nur unser Bild von der Oper der Frühromantik. Sie rückt auch das Schaffen eines Komponisten wieder in unseren Blick, der nicht umsonst von seinen Zeitgenossen als "Mozart Württembergs" gefeiert wurde.
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