Rechtzeitig zum Fest ist eine weitere Super Audio-CD aus der Bach-Kantaten-Edition des Labels Accent erschienen. Sigiswald Kuijken spielt dort mit seinem Ensemble La Petite Bande und handverlesenen Solisten einen exemplarischen Kantatenjahrgang ein - und ist mittlerweile bei Vol. 14 von 20 angekommen.
Diese CD enthält die Kantaten BWV 91 Gelobet seist du, Jesu Christ, eine Choralkantate zum ersten Weihnachtstag aus dem Jahre 1724, BWV 57 Selig ist der Mann für den zweiten Weihnachtstag 1725 - der zugleich der Namenstag des Märtyrers Stephanus ist, worauf sich diese Kantate bezieht -, BWV 151 Süßer Trost, mein Jesus kömmt, entstanden für den 27. Dezember 1725, und BWV 122 Das neugeborne Kindelein, eine Choralkantate, komponiert für den 31. Dezember, den ersten Sonntag nach Weih- nachten, 1724.
Den Debatten der Musikwissenschaftler um die korrekte Aufführungs- praxis setzt Kuijken diese Aufnahmen entgegen, ein musikalisches Experiment, bei dem er einige Annahmen erprobt. So verzichtet er auf den Einsatz des Violoncellos als Continuo-Instrument, und setzt statt dessen auf den Violone, ein großes Instrument aus der Gamben- familie, das als Vorläufer des Kontrabasses gilt. Die ersten und zweiten Geigen sind jeweils lediglich doppelt, die Viola ist sogar nur einfach besetzt. Und natürlich spielen auch die Bläser "historische" Instrumente, was freilich zu einigen ungewohnten Klangeffekten führt.
Statt der üblichen, mehr oder weniger behäbigen Kantorei singt hier nur ein Solistenquartett, das auch die Choräle und Eingangschöre mit übernimmt. Diese Aufnahme gewinnt dadurch vor allem an Bewegt- heit, Klarheit und Ausdruck - was Bachs Musik, die ja stark rhetorisch orientiert ist, sehr zustatten kommt. Gerlinde Sämann, Sopran, Petra Noskaiová, Mezzosopran, Christoph Genz, Tenor und Jan Van der Crabben, Bariton, musizieren miteinander und auch im Dialog mit den Instrumentalisten, dass es eine Freude ist. Hinreißend! Insbesondere Christoph Genz gestaltet seine Partie derart intelligent, dass man sich fragt, warum dieser Sänger in anderen Aufnahmen lang nicht so be- eindrucken konnte. Wahrscheinlich liegt es in dem ganz besonderen Zauber dieser Einspielung begründet; Kunst bedarf ja bekanntlich auch der Inspiration.
Endlich hört man einmal nicht Solisten, die irgendwie "begleitet" werden, sondern man erlebt das komplexe Gebilde Bach-Kantate als strukturelle Einheit, die durch Sänger und Musiker gleichermaßen gestaltet wird. Das klingt sicherlich sehr theoretisch, doch es ist wirklich eine Sternstunde, wenn man hier hörend nachvollziehen kann, wie eng Bach Stimmen und Instrumente verflochten hat. Kuijken und sein Ensemble arbeiten das ausgesprochen sorgsam heraus. Das ist mit Sicherheit die derzeit interessanteste Version der Bach-Kantaten - ich kann diese Edition nur begeistert empfehlen.
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