Montag, 16. Januar 2012

Eberl: Grand Sextetto (Ramée)

Anton Franz Joseph Eberl (1765 bis 1807) war der Sohn eines Wiener Beamten. Und obwohl seinen Eltern durchaus aufgefallen war, dass er bereits im Kindesalter mehr als nur passabel Klavier spielte, sollte er Jura studieren. Damit war freilich Schluss, als sein Vater in wirtschaftliche Bedrängnis geriet; nun konnte der Sohn sich der Musik zuwenden.
Zunächst verlegte sich Anton Eberl auf Opern, doch Erfolge konnte er damit wohl nicht feiern. So sind von diesen Werken heute nur noch die Titel überliefert. Bekannt aber wurde der Musiker als Komponist von Instrumentalmusik. Diese CD beginnt mit dem Trio op. 8 Nr. 2 aus dem Jahre 1798. Alida Schat, Violine, sowie Thomas Pitt, Violon- cello und Anneke Veenhoff, Fortepiano, machen deutlich, warum Eberls Werke zunächst häufig für Kompositionen seines neun Jahre älteren Kollegen Wolfgang Amadeus Mozart gehalten wurden. Denn dieses Trio ist von bezaubernder Leichtigkeit und Eleganz, und wartet mit schönen Melodien und gewissen harmonischen Wendungen auf, die durchaus von dem berühmten Kollegen stammen könnten.
1796 ging Eberl nach St. Petersburg. Dort wirkte er am Zarenhof, un- ter anderem als Musiklehrer der Zarenkinder. Er verkehrte aber auch als Virtuose in den Salons der russischen Aristokratie, und dirigierte - 1801 beispielsweise Haydns Schöpfung. Am Zarenhof aber wurden nicht Flügel aus Wien gespielt, sondern Klaviere aus England. Sie hatten einen größeren Tonumfang, eine andere Mechanik und einen etwas handfesteren Klang; Eberl stellte sich darauf ein, und entwickel- te seine musikalische Sprache dementsprechend weiter.
1802 kehrte der Musiker nach Wien zurück. Dort war er mit seinen Ideen und Erfahrungen hochwillkommen. Eberl bewegte sich durch- aus innerhalb der Konventionen der Klassik - was seinerzeit Kritiker veranlasste, ihn Beethoven als Vorbild zu empfehlen. Dennoch findet man bei ihm gelegentlich Formen und Klänge, die man eher von einem Franz Liszt erwarten würde. Das zeigt sich beispielsweise bei dem Potpourri en Trio op. 44 aus dem Jahre 1803, das dem Solisten am Klavier alle Möglichkeiten einräumt, zu brillieren. Und das Grand Sextetto in Es-Dur op. 47 aus dem Jahre 1800 schrieb Eberl für Klavier, das durch Violine, Viola, Violoncello, Klarinette und Horn begleitet wird. Warum er diese kuriose Besetzung wählte, wissen wir nicht - aber das Werk beeindruckt durch spannende Wendungen, Kontraste und interessante Kombinationen von Klangfarben. Musiziert wird auf historischen Instrumenten, so dass der ursprüng- liche Klang nachvollziehbar wird. 
Nicole van Bruggen, Klarinette, Thomas Pitt und Anneke Veenhoff - das Trio Van Hengel - spielen gemeinsam mit Alida Schat, Vappu Helasvuo, Viola, und Bart Aerbeydt, Horn. Da nicht bekannt ist, auf welchem Instrument Eberl einst gespielt hat, hat das Trio Van Hengel ein frisch restauriertes Wiener Pianoforte von Mathias Müller aus dem Jahre 1810 eingesetzt. Es verfügt bereits über sechs Oktaven Tonumfang, und über einen sehr wandlungsfähigen Klang. So kann es leicht und elegant klingen, aber auch kraftvoll und durchsetzungs- fähig, ja sogar ein bisschen sanglich und geheimnisvoll - und es erlaubt dem Pianisten das brillante Spiel, das insbesondere das Pot- pourri fordert. 
So wird diese CD zu einer musikhistorischen Entdeckungsreise - und von Eberl möchte man noch wesentlich mehr hören. Wie kann es sein, dass ein derart origineller Musiker im Schatten Mozarts, Haydns und Beethovens schier verschwindet? 

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