Sieben Kantaten bilden den Zyklus Membra Jesu Nostri; sie führen das Publikum bei einer Meditation über die Wundmale Christi, den geschundenen Körper des Gekreu- zigten, von den Füßen bis hin zum Haupt. Dabei erklingt stets nach einer einleitenden Sinfonia zu- nächst ein kurzer Bibeltext in Form eines Concertos mit Streicher- begleitung. Darauf folgen jeweils drei Strophen, die Buxtehude aus der mittelalterlichen Oratio rhyth- mica auswählte, einem mystischen Zyklus von Passionsgedichten, der wahrscheinlich von dem Zisterzienserabt Arnulf von Löwen (um 1200 bis 1248) stammt und den Gläubigen mit den sieben leidenden Gliedern Christi konfrontiert.
Dieser Hymnenzyklus war im 17. Jahrhundert sehr populär; so inspi- rierte das letzte Gedicht von Ad singula membra Christi patientis den Kirchenliederdichter Paul Gerhardt zu seinem Choral O Haupt voll Blut und Wunden. Buxtehude vertonte jeweils drei Strophen in Form von Variationen über einem gleichbleibenden Bassmodell, aber mit wechselnden solistischen Besetzungen. Zwischen den Strophen ertönten Instrumentalritornelle; abschließend wird üblicherweise das Concerto noch einmal wiederholt. Lediglich in der ersten Kantate entschied sich der Komponist dagegen - und am Schluss, wo er das Werk durch ein ausgedehntes Amen beendet.
Aus welchem Anlass Buxtehude diesen Kantatenzyklus komponierte, das ist nicht bekannt. Gewidmet hat ihn der Komponist seinem Stockholmer Kollegen und Freund Gustav Düben. Ihm verdanken wir auch, dass dieses Werk überliefert wurde. Sigiswald Kuijken hat die Kantaten mit seinem Ensemble La Petite Bande für Accent eingespielt. Sie beeindrucken durch ihre ungemein expressive musikalische Gestaltung - und Kuijken und seinen Sängern und Musikern gelingt es vorzüglich, diese Sprache auch dem heutigen Zuhörer verständlich werden zu lassen.
Das gilt auch für das zweite Werk auf der CD, Fried- und Freundenrei- che Hinfahrt. Der erste Teil dieser Trauermusik, Mit Fried und Freud ich fahr dahin, entstand 1671 anlässlich der Beisetzung von Meno Hanneken, langjähriger Superintendent zu Lübeck und Prediger an der Marienkirche, wo Buxtehude seit 1668 als Organist angestellt war. Es handelt sich dabei um eine enorm kunstfertige, aber auch ziemlich konventionelle Vertonung des Nunc dimittis, die Strenge und Gefasst- heit ausstrahlt. Ganz anders erscheint der zweite Teil, ein aus sieben Strophen bestehendes Klag=Lied, das der Komponist ergänzte, nach- dem 1674 sein Vater verstorben war. Johannes Buxtehude, ebenfalls Organist, war nach seiner Pensionierung 1671 aus Helsingör zum Sohn nach Lübeck gezogen. Wie sehr der Komponist um seinen "hertzlich geliebten Vater" trauerte, das verrät die Musik, die ganz ergreifend klagt.
Die Kantaten Buxtehudes sind ein Schatz, und man darf sich darüber freuen, dass diese phantastische Musik nun schrittweise erschlossen und auf CD jedermann zugänglich gemacht wird. Wenn die Qualität der Aufnahme so hoch ist, wie im vorliegenden Falle, dann ist dies ein doppelter Gewinn.
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