1722 erhielt Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745), Kontrabassist der Dresdner Hofkapelle, den Auftrag, Musik für die Karwoche zu kompo- nieren. Der Musiker, der 1710 aus Prag an den sächsischen Hof ge- kommen war, hatte sich von 1716 bis 1719 zu Studienzwecken beim kaiserlichen Kapellmeister Johann Joseph Fux in Wien aufgehalten, wo er sicherlich auch dem Kur- prinzen aufgespielt haben wird, der um Erzherzogin Maria Josepha freite. Nach der Hochzeit sorgte die Kurprinzessin dafür, dass die Kirchenmusik in Dresden prächtiger wurde, so, wie sie das von Wien her gewohnt war.
Zelenka schuf also die Musik für drei besondere Gottesdienste am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag, die aus der klösterlichen Tradition stammen, wo sie in den frühen Morgenstunden abgehalten worden sind. Um der Bequemlichkeit willen wurden sie aber später auf den Nachmittag verlegt. Jede dieser Metten bestand aus drei Nokturnen, in denen jeweils drei Psalmen gesungen wurden, gefolgt von jeweils drei Lesungen mit darauf folgenden Antwortgesängen, den sogenannten Responsorien.
Die Lesungen der ersten Nokturn stammen aus den Klageliedern des Propheten Jeremias, in der zweiten Nokturn aus dem Kommentar des Heiligen Augustinus zu dem Psalmen und in der dritten Nokturn aus den Briefen des Neuen Testamentes. Zelenka schrieb zunächst die sechs Lamentationes Ieremiae Prophetae ZWV 53, und im Jahr darauf vervollständigte er das Werk durch die Responsoria pro hebdomada sancta ZWV 55. Ergänzt wurde das Werk bereits 1722 durch das Miserere d-Moll ZWV 56, das an allen drei Tagen gesungen wurde. Vorgesehen war zudem, die noch fehlenden Abschnitte der Lamentatio zu ergänzen - doch das geschah dann nicht mehr, denn schon 1724 drängte die Aufführung italienischer Oratorien die Metten in den Hintergrund.
Collegium 1704 und Collegium Vocale 1704 haben unter Leitung von Václav Luks einen Teil der Lamentationes sowie die vollständigen Responsoria auf zwei CD mustergültig eingespielt. Den Sängern und Musikern ist es geradezu exemplarisch gelungen, den Klangeindruck zu rekonstruieren, den diese großangelegten kirchenmusikalischen Werke 1722/23 vermittelt haben sollten. Dass Luks Sängerinnen einsetzt statt falsettierender Schauspieler, wie es seinerzeit am Dresdner Hof gehalten worden sein dürfte, dafür wird ihm der heutige Zuhörer dankbar sein. Das Ensemble ist im übrigen exzellent, meine Empfehlung!
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