Ivan Moravec, geboren 1930 in Prag, gehört zu den ganz großen Pianisten. Und seine Aufnahme der Nocturnes von Frederic Chopin aus den 60er Jahren hat ohne Zweifel Musikgeschichte geschrie- ben. Erfreulicherweise ist sie nun bei Supraphon, mit Sorgfalt re- mastert, wieder zugänglich.
"Diese Platte hatte ein besonders merkwürdiges Schicksal", be- richtet der Musiker im Beiheft der Doppel-CD. "Es handelt sich um eine Aufnahme für Alan Silver, den Präsidenten der renommierten Connoiseur Society, und sie wurde an zwei Orten eingespielt: In New York und in Wien. Ein Klavier zu fin- den, das mich in jeder Hinsicht zufriedenstellt, das einen lebendigen, aber zugleich reichen Klang mit einer gewissen Tiefe besitzt, ist schrecklich schwer. Eines habe ich in New York gefunden. Es war ein etwas älterer Steinway, den man in die Kapelle der Columbia-Uni- versität gebracht hatte. Den Rest der Aufnahme machte ich dann in Wien im Mozart-Saal. (..) Ich spielte auf einem Bösendorfer Imperial Grand (..). Alan Silver regte mich allerdings in Wien zunächst dadurch auf, dass er wohl eine ganze Stunde nach dem Ort suchte, an dem er dieses Klavier aufstellen wollte. Er ging durch den Saal und klatschte - er probierte aus, wo der Klang am besten war und am längsten anhielt. Schließlich stellte er das Klavier in die unmög- lichste Ecke und ließ mich hören, wie es klang. Und ich musste ihm Recht geben. Noch heute wundere ich mich über die Länge des Tons."
Doch nicht nur dies, auch die Klangähnlichkeit der beiden Instru- mente erscheint verblüffend. Moravec räumt selbst ein, dass selbst er nicht mehr bei jedem Stück sicher sagen kann, ob er es auf dem Stein- way oder auf dem Bösendorfer gespielt hat. In seiner Interpretation vermeidet er das Ungefähre, Unpräzise - "Zuckersaft", wie er es nennt, lehnt der Pianist entschieden ab. Moravec setzt auf Struktur und Eleganz. Sein Chopin hat stellenweise geradezu klassisches Format, strikt wie Beethoven. Doch überraschenderweise bringt das den Nocturnes beeindruckende Tiefe, und lässt sie nicht süßlich-leidend, sondern eher sehr geheimnisvoll klingen. Bei Moravec findet man jenen Funken, der aus einer handwerklich exzellenten eine grandiose Aufnahme macht. Ich finde, sie ist eine der besten Chopin-Inter- pretationen überhaupt; auch nach 50 Jahren noch hat sie Referenz- status.
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