Tomás Luis de Victoria (1548 bis 1611) stammte aus Avila. Der Knabe, der im Domchor sang, zeigte schon bald musikalisches Talent und Neigung zur Religion. Seine Lehrer schickten ihn daher 1565 zum Studium nach Rom an das Collegium Germanicum, ein Priesterseminar der Jesuiten.
Als der 17jährige in der Heiligen Stadt eintraf, dürfte er dort ganze Scharen seiner Landsleute vorge- funden haben. Sie trafen sich vorzugsweise in der Kirche S. Giacomo degli Spagnoli, mitten in Rom an der Piazza Navona. 1569 wurde de Victoria Organist an der Kirche S. Maria di Monserrato. Bekannt ist zudem, dass de Victoria Mitglied der Confraternitate della SS. Resurrezione war, die am Ostermorgen eine prachtvolle Prozession auf der Piazza Navona zur Feier der Auf- erstehung Christi organisierte. Zeitgenössische Berichte schwärmen von den aufwendigen Dekorationen, mit denen die Häuser rings um den Platz festlich geschmückt wurden, von der Illumination und dem Feuerwerk. An der Ausgestaltung der Prozession wirkten zudem zahlreiche Musiker mit.
Wie man sich die Klangkulisse vorstellen muss, die sie zu diesem prächtigen Festakt gestaltet haben, das vollzieht nun La Grande Chapelle unter Leitung von Albert Recasens in einer aufwendigen Produktion auf zwei CD nach. Eigens dafür wurden etliche Werke aus dem Archivschlaf erweckt; es handelt sich durchweg um Welterst- einspielungen.
Die Rekonstruktion beginnt mit der Matutin in S. Giacomo degli Spagnoli. Dann kündigen Bläserklänge den Beginn der Prozession an - die von Motetten, Lobgesängen und Hymnen begleitet wird. Noch heute beeindruckt, was um 1580 die Zuhörer überwältigt haben dürfte - auch wenn die Kirchenmusik in Rom generell sicherlich auf einem sehr hohen Niveau stand. Dann kündigt die Fanfarra die Ankunft des Prozessionszuges vor der Kirche an. Die zweite CD enthält Musik, wie sie Messa, Versper und Complet umrahmt haben könnte. 40 Stunden dauerte damals die Osterfeier. Wir hören nur eine kleine Auswahl aus dem umfangreichen Repertoire, wie es beispiels- weise ein Inventar der in S. Giacomo aufbewahrten Notendrucke aufzählt.
Darunter sind etliche Werke von Tomás Luis de Victoria, der damals schon ein angesehener Komponist war, Giovanni Pierluigi da Palestrina, Jacobus de Kerle, Fernando de las Infantas, Giovanni Luca Conforti und vielen anderen bedeutenden Musikern der damaligen Zeit. Es ist belegt, dass auch Giovanni Battista Jacomelli, Francisco Soto de Langa oder aber Ruggiero Giovanelli Sänger und Instrumen- talisten für die Feierlichkeiten am Ostermorgen auf der Piazza Navona organisierten.
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