Catharina Josepha Pratten (1824 bis 1895) war die Tochter des Gitarristen Ferdinand Pelzer. Sie stammte aus Mülheim an der Ruhr und wuchs in England auf. Schon früh erhielt sie Gitarrenunterricht bei ihrem Vater; sie galt als Wun- derkind, und konzertierte unter anderem mit Giulio Regondi.
Noch erfolgreicher war die Virtuo- sin aber als Gitarrenlehrerin. Sie unterrichtete unter anderem die Prinzessinnen Louise und Beatrice - insgesamt soll sie gut 1600 Gitar- renschüler ausgebildet haben. Relativ spät heiratete sie Robert Sidney Pratten, einen berühmten Flötisten. Als er 1868 starb, zog sich die Witwe für drei Jahre aus dem Konzertleben zurück. Doch dann nahm sie ihre frühere Tätigkeit in vollem Umfang wieder auf. Pratten konzertierte bis ins hohe Alter; sie komponierte, und sie verfasste Unterrichtswerke. Ihr Erfolgsgeheimnis als Lehrerin war es mögli- cherweise, dass sie nicht versuchte, ihre gutbetuchten Schülerinnen zu Berufsmusikerinnen zu machen. Wenn diese wenig Zeit zum Üben aufbringen wollten, oder aber wenig Talent hatten, dann griff Pratten zu ihrem Lehrwerk Learning the Guitar Simplified, oder aber zu noch einfacheren Übungen, die den Damen das Spiel auf dem Instrument erleichterten - und ihr in auskömmlicher Art und Weise den Lebens- unterhalt sicherten. Es ist nicht zuletzt ihr Verdienst, dass die Gitarre in England enthusiastisch gespielt wurde, während sie in Wien schon lang wieder aus der Mode war.
Als Catharina Pratten 1895 starb, führte ihre Schwester Giulia die Gitarrenschule weiter. Gemeinsam mit Catharina hatte sie übrigens eine umfangreiche Gitarrensammlung aufgebaut; diese umfasst mehr als 45 Instrumente. Zwei davon erwarb der Gitarrist Ulrich Wede- meier. Fasziniert begann er sich mit dem Leben und Werk der Musi- kerin zu beschäftigen. Im Ergebnis entstand dann die vorliegende CD mit Musik von John Abraham Nüske, Mauro Giuliani, Francesco Tárrega - der eine Fantasia sobre motivos de Lucia por Madame R. Sidney Praten komponiert hat - und der Virtuosin selbst, gespielt auf den beiden Gitarren, die sich einst in ihrem Besitz befunden haben.
Um zu zeigen, dass es sich dabei keinesfalls um Werke handelt, mit denen ein Gitarrenprofi nur seine Zeit verschwendet, vollzieht Wedemeier auch die historische Aufführungspraxis nach, wie sie Pratten in ihren Lehrwerken erläutert hat. Das Ergebnis ist außer- ordentlich hörenswert. Prattens Werke sind, bei allem Gefühl, ziemlich brillant und kraftvoll. Und auch Nüske erweist sich als eine echte Entdeckung.
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