Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) spielte, wie seinerzeit nicht unüblich, etliche Instrumente. Wir erfahren dies beispielsweise aus einem Schreiben, mit dem sich der Musiker 1712 in Frankfurt am Main um das Amt des Musikdirektors bewarb. Dem Stadtrat teilte er bei dieser Gelegenheit mit, dass er "hauptsächlich die Violine, sodann das Clavir, Flaute, Chalumeaux, Violoncello und Calchedon, wohl zu tractiren" wisse. In seinen Me- moiren ergänzt er die Aufzählung noch um Oboe, Blockflöte, Gambe, Posaune und Kontrabass.
Diese Breite an Kenntnissen erleichterte es Telemann sicherlich, in seinen Kompositionen Instrumente nicht nur als Träger von Klang- farben, sondern auch gekonnt auf unterschiedlichem technischen Niveau einzusetzen. Nicht in erster Linie für den Virtuosen, sondern vor allem auch für die Hausmusik schrieb er seine Musik.
Die besondere Liebe Telemanns galt wohl der Violine, die er mit einer Vielzahl von Werken bedachte - 22 Violinkonzerte, etliche Sonaten sowie ausgiebige Solopassagen in seinen Opern, Oratorien und Kanta- ten legen davon Zeugnis ab. Dieses Oeuvre krönte der Komponist schließlich mit den Zwölf Fantasien für Violine ohne Bass. Dieses Werk veröffentlichte er 1735 in Hamburg - 15 Jahre, nachdem Johann Sebastian Bach seine Sonaten und Partiten für Violine solo vollendet hatte.
An Bach wird Telemann gemessen, und dabei kommt er nicht gut weg. Dem Director Musices der Stadt Hamburg aber wird diese gestrenge Elle nicht gerecht. Denn obzwar er auch Cantor am Johanneum und für die Kirchenmusik an den fünf Hauptkirchen zuständig war, führte Telemann die musikalische Tradition vollkommen anders weiter als sein Leipziger Kollege. Ihm ging es weniger um Kontrapunkt und Intensität des Ausdruckes als vielmehr um kunstvoll gestaltete Melo- dien und die Integration neuer musikalischer Ideen.
So sind auch nur die ersten sechs Fantasien durch den Kontrapunkt geprägt. Die verbleibenden sechs Fantasien - der Komponist nannte sie Galanterien - erscheinen beschwingter, die einzelnen Sätze imitie- ren oftmals Tänze. Das Werk ist aber nicht nur in einen gelehrten und einen unterhaltsamen Teil gegliedert; auf zwei Fantasien in Dur folgt auch stets eine Fantasie in einer Moll-Tonart.
Telemann variiert zudem die Struktur - er nutzt die traditionelle viersätzige Kirchensonate, ein weiteres Modell, bei dem auf einen langsamen zwei schnelle Sätze folgen, und eines, das wie ein Konzert einen langsamen Satz durch zwei schnelle Sätze einrahmt. Der Kom- ponist, so scheint es, erprobt in diesen kurzen Stücken in knapper Form die Ausdrucksmöglichkeiten der spätbarocken, fast schon galanten Violinmusik.
"Obwohl Telemann seine zwölf Fantasien ursprünglich für Sologeige und nicht für Bratsche eingerichtet hat, glaube ich, mit der Brat- schenversion ein interessantes neues Licht auf sie zu werfen", sagt Ori Kam. Er hat kürzlich eine Aufnahme dieser Werke bei Berlin Classics vorgelegt. "Die Mittellage der Bratsche ermöglicht es dem Aufführenden, bis in die Lage der Geige hinauf- und in die des Cellos hinabzusteigen. Somit verleiht die Bratsche diesen Stücken, wie ich finde, ein breiteres Klangspektrum und macht sie noch reichhaltiger und schöner."
Um die Fantasien auf der Bratsche spielen zu können, wurden sie um eine Quinte abwärts transponiert. So sind sie auf der Viola genau so auszuführen wie auf der Violine. Kam hält mit seiner Interpretation wunderbar die Balance zwischen Divertissement und Kunstanspruch. Der Solist begeistert mit seinem schönen, farbenreichen und kraft- vollen Ton, überragender Technik und atemberaubendem Sinn für die kleinen Details, die Musik erst zum Leben erwecken. Somit erweist sich diese CD als eine echte Bereicherung - bravo! und mehr, bitte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen