Gottfried Finger (um 1660 bis 1730) gehörte zu den besten Gambenvirtuosen seiner Zeit. Er stammte aus Olmütz, und die erste Station seiner musikalischen Lauf- bahn war der Hof von Fürstbischof Karl von Liechtenstein-Kastelkorn, der in Olmütz und Kremsier resi- dierte. Dort waren damals auch Heinrich Ignaz Franz Biber und Pavel Vejvanovský beschäftigt. Es liegt nahe, dass der ehrgeizige junge Musiker von ihnen viel ge- lernt haben dürfte. Es ist nicht bekannt, wann und warum Finger diese Anstellung aufgab. Aber es könnte sein, dass er 1682 in München war und dort einen Kollegen getroffen hat - August Kühnel, ebenfalls ein berühmter Gambist, mit dem er nach London gereist und dort 1685 gemeinsam aufgetreten sein soll.
"Geoffrey" Finger wurde Mitglied der Hofkapelle von König Jakob II.; nachdem dieser katholische Monarch 1688 abgesetzt und ins Exil gezwungen worden war, blieb der Musiker in London und war dort als Komponist und Virtuose sehr erfolgreich. Warum er 1701 auf das Festland zurückkehrte, das wird wohl auch nicht mehr zu klären sein. Die Gambe aber scheint er bei diesem Abschied endgültig an den Nagel gehängt zu haben.
Als Geiger musizierte er in verschiedenen Hofkapellen, komponierte - unter anderem eine Oper für die Hochzeitsfeierlichkeiten des preußi- schen Kronprinzen - und ging schließlich 1707 nach Innsbruck, wo er in die Dienste des kaiserlichen Statthalters in Tirol, Herzog Karl Philipp, trat. 1708 wurde der Musiker zum Konzertmeister ernannt. Als sein Dienstherr 1717 in Nachfolge seines Bruders Herrscher über die Kurpfalz wurde, folgte ihm Finger über die Residenzen Neuburg an der Donau und Heidelberg bis nach Mannheim, wo er 1730 starb.
Petr Wagner hat auf dieser CD gemeinsam mit dem Ensemble Tour- billon das Werk für Solo-Gambe von Gottfried Finger eingespielt. Bei der Erschließung, Edition und Rekonstruktion der Musikstücke stand Wagner der Musikwissenschaftler Dr. Robert Rawson zur Seite. Er kennt sich damit aus wie niemand sonst, denn Leben und Werk des mährischen Musikers waren der Gegenstand seiner Promotion - und natürlich spielt er auch selbst Gambe. Dieser Zusammenarbeit ist bereits eine CD mit Ersteinspielungen zahlreicher Werke Gottfried Fingers zu verdanken, die 2006 bei dem Prager Label Arta erschienen ist und von der Kritik begeistert begrüßt wurde.
Auf der vorliegenden CD erklingen nun sämtliche bislang aufgefunde- nen Werke des Virtuosen für Viola da gamba solo. Es sind nicht sehr viele Stücke, was auch an der Überlieferungssituation liegen dürfte: Finger ließ zu Lebzeiten lediglich sein Opus 1 drucken, das er König Jakob II. widmete - alle anderen Werke des Komponisten liegen nur in Form von Manuskripten und Abschriften vor, verstreut über halb Europa und nur mit Mühe aufzuspüren und wieder für den Vortrag zu erschließen. Vielleicht ist das eine Erklärung dafür, dass sein Schaffen erst allmählich wiederentdeckt wird.
Das seine Werke derzeit so gut wie vergessen sind, das könnte aber auch mit daran liegen, dass sie technisch teilweise sehr anspruchsvoll sind. Schon das erste Stück auf der CD, Aria et Variationes, das sich in der Musikaliensammlung des Fürstbischofs in Kremsier befindet, zeigt in der Variationenfolge, wie die Gambe seinerzeit eingesetzt wurde - und der junge Musiker führte damit zugleich vor, wie virtuos er das Instrument bereits beherrschte. Man erkennt zudem, dass Finger auch Geige spielte. Denn manches, was er hier der Viola da gamba zuschreibt, das klingt doch unüberhörbar nach der Violin- musik Bibers.
Die meisten Werke auf der CD entstanden in der Zeit vor oder kurz nach seiner Ankunft in London, beispielsweise die sechs Sonaten, die als Manuskript in der Bodleian Library in Oxford überliefert sind, und die durch Petr Wagner auf dieser CD erstmals vollständig eingespielt wurden. Dass Finger aber auch stilistische Besonderheiten der engli- schen Musik in seine Werke integrierte, zeigen die Divisions in g-Moll und das Prelude in e-Moll.
Petr Wagner musiziert gekonnt, klangschön und durchdacht. Dabei sind ihm die Kollegen, die in seinem Ensemble Tourbillon mitspielen, versierte Partner. Es ist erfreulich, dass die Gambenmusik zuneh- mend wiederentdeckt wird - und diese Aufnahme ist ein wichtiger Beitrag dazu.
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