„Die Familie Schuncke ist wohl in jeder Beziehung eine der größten und merkwürdigsten Virtuosen- familien der Welt; namentlich zählt sie einige Hornisten zu ihren Mitgliedern, die nun das ganze Jahrhundert hindurch allgemein zu den ersten Künstlern auf ihrem Instrumente gerechnet wurden, und in der Tat auch einen wahr- haft europäischen Ruf haben“, vermeldete Gustav Schilling 1840 in seiner Encyclopädie der Musikwissenschaften.
Wie die Familie Bach kamen auch die Schunckes aus Thüringen. Der musikalische Stammvater, Johann Gottfried Schuncke I (1742-1807), stammte aus Merseburg. Er lebte in Schkortleben bei Weißenfels, war „Bäcker und Musikus“ und spielte insbesondere das Waldhorn meisterhaft. Er hatte sieben Söhne, die auch sämtlich das Waldhorn bliesen. Sie erlernten aber dennoch das Bäckerhandwerk, bevor fünf von ihnen Hofmusiker wurden.
Die nächsten Generationen blieben nicht unbedingt Hornisten; sie wirkten an bedeutenden europäischen Höfen und in den großen Musikmetropolen. So galt Ludwig Schuncke (1810 bis 1834) als ein großes pianistisches Talent und herausragender Komponist von Klaviermusik. Er ließ sich 1833 in Leipzig nieder, wo er gemeinsam mit seinem Freund Robert Schumann die Neue Zeitschrift für Musik gründete. Er starb kurz vor seinem 24. Geburtstag an Tuberkulose.
Diese CD konzentriert sich allerdings auf Orchesterwerke der Familie Schuncke. Trotz der Verluste durch den Krieg hat sich dazu spannendes Archivmaterial gefunden; die drei ausgewählten Werke erklingen auf dieser CD in Weltersteinspielung. Der Philharmonie Baden-Baden unter ihrem Chefdirigenten Pavel Baleff muss man für dieses Engagement dankbar sein. Denn die Stücke lohnen die Beschäftigung damit durchaus.
Die Einspielung beginnt mit der Concertanten für Violine, Violoncello und Orchester von Johann Gottfried Hugo Schuncke (1823 bis 1909). Er war ein Schüler von Bernhard Molique, Königlicher Musikdirektor und Konzertmeister in Stuttgart. Um 1840 ging Hugo Schuncke gemeinsam mit seinem Bruder Adolph Schuncke, einem exzellenten Cellisten, in die Schweiz. Dort schrieb der 17jährige 1840 die Concertante, ein wundervolles, romantisches Stück mit schönen Aufgaben für die beiden Solisten. Man darf davon ausgehen, dass die Soloparts für die Brüder bestimmt waren. Ob sie das Werk in der Schweiz vorgestellt haben, das lässt sich nicht mehr herausfinden. Aber 1843 erklang es in Stuttgart, wo Hugo Schuncke dann auch eine Stelle als Hofviolinist und Kammermusiker erhielt. Auf dieser CD sind als Solisten Yasushi Ideue, Violine, und David Pia, Violoncello, zu hören.
Johann Christoph Schuncke(1791 bis 1856), Hugos Onkel, war als Kammermusiker und Erster Waldhornist des Großherzogs von Baden in Karlsruhe tätig. Zudem ging er auf ausgedehnte Konzertreisen, die ihn bis nach Skandinavien führten. Dafür dürfte auch das Concertino pour le Cor chromatique entstanden sein, das auf dieser CD erklingt. Dieses Werk aus der Frühzeit des Ventilhorns beginnt ziemlich düster, um dann aber mit einem freundlichen und ausgesprochen virtuosen Finale zu enden. Solist dieser Einspielung ist Robert Langbein, Solo- hornist der Sächsischen Staatskapelle Dresden.
Im Zweiten Weltkrieg verbrannt sind Briefwechsel und Kompositionen von Hermann Schuncke (1825 bis 1898). Aus diesem Grunde ist über den jüngsten Sohn des Königlich Preußischen Hof- und Kammermusikus Johann Andreas Schuncke nicht sehr viel bekannt. Er war Waldhornist wie sein Vater, und musizierte wie dieser und zwei seiner Brüder im Berliner Hoforchester. Hermann Schuncke blieb unverheiratet; in späteren Jahren ging er nach Dresden, wo er insbesondere als Klavierpädagoge und Kammermusikpartner sehr gefragt war. Zu hören ist seine Sinfonia in B pour le grand Orchestre, op. 6, ein stimmungsvolles Werk, das im vierten Satz ehrfurchtsvoll Beethovens Siebente zitiert.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen