Musik für Generalbass solo? Da staunt der Musikfreund. Denn der Generalbass ist der getreue Begleiter des Solisten in der Barockmusik. Zwar gibt es Stücke ohne basso continuo – doch schon das ist so ungewöhnlich, dass beispielsweise Bach es bei seinen Sonaten und Partiten für Violine solo ausdrücklich vermerkt. Wie also kommt Christian Rieger zu Werken für Generalbass solo?
Im Beiheft zu dieser CD erläutert der Cembalist, wie so etwas möglich ist. „Seit eh und je ist die Arbeit eines Generalbassspielers ein wenig anders als die der übrigen klassischen Musiker“, erläutert Rieger. „Während diese sich bemühen, eine vorgegebene Stimme möglichst fehlerfrei, originell und mit einer individuellen Duftnote wiederzugeben, muss jener seine Musik erst einmal erfinden. Vor sich hat er nämlich nur eine einstimmige Basslinie, die mit mehr oder wenig vielen Zahlen versehen ist – auf eine Art vergleichbar den Akkordsymbolen im Jazz. Diese Zahlen unterrichten ihn über die Art des geforderten Akkords, nicht aber über dessen absolute Stellung im Tonraum, nicht über die Anzahl der Stimmen und schon gar nicht über Feinheiten wie Stimmführung, Motivik oder gar Verzierungen.“
Wie man aus diesem Dilemma herauskommt? Üben, üben, üben, sagt Rieger: „Trotzdem gelingt es Continuospielern an Cembalo und Orgel immer mal wieder, harmonisch und kontrapunktisch einwandfreie Generalbässe zu spielen und diesen überdiens noch ein Quentchen Individualität zu verpassen. Das verdanken sie ihren Reflexen und deren Training. Und hiermit sind wir mitten in der Thematik dieser Aufnahme.“
Denn die Probleme hatten Musiker auch schon im Generalbass-Zeitalter, verschärft allerdings durch eine Vielzahl unterschiedlicher Schlüssel – wer noch nie einen Originaldruck aus jener Zeit in Händen gehalten hat, der wird von solchen Tücken gar keinen Begriff haben. Damit Schüler das Continuospiel üben konnten, haben ihnen erfahre- ne Lehrer Übungsstücke geschrieben – die Partimenti, regelrechte Trainingsstücke, die sie obendrein mit allen Schwierigkeiten ver- sahen, die man sich vorstellen mag.
„Es ist deutlich spürbar, dass die Lehrer und Partimentokomponisten die Klippen des Continuospiels genau kannten und sie vorsätzlich in ihre Stücke einbauten“, so Rieger. „Die Gründe, die beim General- bassspieler für einen roten Kopf sorgen, sind durch Generationen dieselben geblieben, und sie haben sich bis heute nicht geändert. Man kennt die Katastrophen, die bei einem unvermuteten Schlüsselwechsel eintreten; und das Blattspiel eines Stücks in einer schrägen Tonart mit vielen Vorzeichenwechseln kann schon einmal peinliche Momente mit sich bringen.“
Rieger hat auf dieser CD einige dieser Werke zusammengestellt, an denen der Cembalist einst im stillen Kämmerlein trainiert hat, um dann beim gemeinsamem Musizieren eben nicht erröten zu müssen. Er hat dabei in erster Linie versucht, herauszufinden, wieviel Musik möglich ist in einem solchen Unterrichtsstück. „Bei allem kritischen Stilbewusstsein ist freilich nicht auszuschließen“, räumt er im Beiheft ein, „dass der Interpret des 21. Jahrhunderts in dieser Spielfreude auf Lösungen verfällt, die den Komponisten des Basses vielleicht ver- stimmt, erstaunt, amüsiert hätten.“ Den Hörer jedenfalls erfreut Riegers Idee – eine tolle CD, die gerade aufgrund dieser Musizierlust begeistert. Genial!
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