Wien 1789? Etwas irritiert überlegt man beim Blick auf diese CD: Französische Revolution? Wien?? Ein Päckchen mit Noten war es, das Sebastian Knauer zu dieser CD inspirierte – das berichtet er jedenfalls im Beiheft „Haydn, der nicht nur für Orchesterkonzerte und Kammermusik zuständig war, sondern auch für den Opern-Spielplan des Hoftheaters, hatte sich zur Vorbereitung einer neuen Produktion das Aufführungs- material zu Mozarts ,Figaro' bestellt, jener Oper, die wegen ihres sozialkritischen Inhalts von der kaiserlichen Zensur nur mit großen Bedenken zugelassen worden war und die bis heute als Vorbote der französischen Revolution gilt. Am 14. Juli 1789 hat diese Revolution dann tatsächlich begonnen, und ausgerechnet an diesem Tag, an dem die Bürger von Paris auf die Straße gingen, die Bastille stürmten und das verhasste alte Regime zu Fall brachten, kam das Paket aus Wien mit dem ,Figaro'-Material bei Haydn an.“
Dieser Zufall brachte Knauer auf die Idee, die Klavierwerke von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven – „die drei großen Repräsentanten der Wiener Klassik“ – als Zeit- zeugen darauf zu befragen, ob sich darin Spuren der Revolution erkennen lassen. Mozart komponierte damals sein letztes Klavier- konzert KV 595, Beethoven, nach einem kurzen Aufenthalt in Wien zurück in Bonn, sein der Abfolge nach erstes Klavierkonzert op. 19. Zwischen den beiden Konzerten platzierte Knauer Haydns Klavier- sonate Es-Dur, Hob. XVI:49. Sie ist ebenfalls im Revolutionsjahr entstanden, und zeigt deutlich, dass der alte Haydn dem jungen Beethoven musikalisch oftmals erstaunlich nahe war.
Ein Echo der Revolution wird man in diesen drei Werken vergebens suchen; in Wien hielt man es mehr mit der Monarchie, und selbst der junge Beethoven reagierte ernüchtert, als bekannt wurde, dass die Republikaner erst die alten Eliten und dann die Revolutionäre unter die Guillotine verfrachteten. Spannend ist es dennoch, den musikalischen Generationswechsel nachzuvollziehen, der in den ausgewählten Werken anklingt. Bei seiner Aufnahme konnte Sebastian Knauer auf vertraute Partner bauen: Das Zürcher Kammerorchester unter Sir Roger Norrington ist sehr versiert in Sachen historisch informierte Interpretation auf modernen Instrumenten.
Der Pianist und das kleine Orchester musizieren perfekt abgestimmt und mit Esprit. „Darüber, was die drei Komponisten zum Klang des auf dieser CD verwendeten modernen Flügels gesagt hätten, kann man naturgemäß nur spekulieren“, meint Knauer. „Doch mich sollte nicht wundern, wenn sie mit größtem Interesse zugehört und die Möglichkeiten, die ein Steinway im Vergleich zu den Hammerflügeln ihrer Zeit zu bieten hat, genauestens studiert hätten. Und wer weiß? Am Ende hätten sie womöglich sogar bedauert, dass sie selbst solche Instrumente noch nicht zur Verfügung hatten.“
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