Als Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) in Hamburg Nachfolger seines Paten Georg Philipp Telemann im Amt des städtischen Musikdirektors wurde, hatte sich das Oratorium grund- legend gewandelt. Aus Passions- musiken, die anfangs den Bibeltext maximal noch durch Choral- strophen ergänzten, waren Werke geworden, die den Kirchenraum zusehends verließen – und die geistliche Handlung durch fromme Gefühle und andächtige Reflexion ersetzt hatten. Auch von Carl Philipp Emanuel Bach sind drei solcher Oratorien überliefert: Die Israeliten in der Wüste, Die letzten Leiden des Erlösers und Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu.
Diese CD enthält das dritte dieser Werke, entstanden nach einem Text von Karl Wilhelm Ramler, der sich damals offenbar großer Beliebtheit erfreute. Denn das Libretto haben auch Graun, Telemann und andere Komponisten vertont. Das Oratorium, das keine Choräle mehr hat, war offenbar für den Konzertsaal bestimmt. Dort wurde es 1774 auch erstmals aufgeführt. Es zeichnet sich durch Expressivität aus. Insbe- sondere die Chöre sind ein Ereignis. Doch auch dem von Sigiswald Kuijken souverän geführten Orchester La Petite Bande und den Sängern lauscht man gern. Stephan Genz, Bass, ist hier gemeinsam mit seinem Bruder, dem Tenor Christoph Genz, zu hören. Er beeindruckt nicht nur durch seine gute geführte, geschmeidige Stimme, sondern auch durch seine sensible Textausdeutung.
Donnerstag, 29. Mai 2014
Carl Philipp Emanuel Bach: Berlin Symphonies (Brilliant Classics)
Auf dem Wege von der barocken Sinfonia – die ursprünglich die
Funktion eines Vor- oder Zwischenspiels hatte – zur Sinfonie der
Wiener Klassik sind die sogenannten Berliner Sinfonien von Carl
Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) ein wichtiger Meilenstein. Diese
Werke, die Bach während seiner Zeit als Cembalist Friedrichs des
Großen zu Papier gebracht hat, wirken bereits erstaunlich modern.
Das Kammer- orchesters Carl Philipp Emanuel Bach unter Hartmut Haenchen
hat sie 1985 für das DDR-Label Eterna eingespielt. Musiziert wird
zwar auf modernen Instrumenten, aber historisch-informiert und mit
einer Präzision, die begeistert. Die Aufnahme war bislang als Teil
der Carl Philipp Emanuel Bach Edition erhältlich; nun gibt es sie
auch als separate CD.
Freitag, 23. Mai 2014
Vivaldi: Violin Sonatas and Trios 1715 - 1730 - Venezia Barocca (Calliope)
Und noch einmal Antonio Vivaldi: Marco Pedrona hat mit seinem Ensemble Guidantus eine Auswahl von Sonaten des Komponisten nebst dem Konzert für Laute, zwei Violinen und Continuo RV 93 eingespielt. Dabei kombiniert der Geiger Musik für Violine und Basso Continuo geschickt mit Werken für Laute, Violine und Continuo. Auch der Wechsel zwischen Orgelpositiv und Cembalo sorgt klanglich für Abwechslung. Pedrona musiziert mit schlankem Ton, und lässt auch seinen Musikerkollegen Raum, sich zu präsentieren. Stellvertretend benannt sei hier Massimo Marchese, der den Lautenpart ganz hevorragend spielt. Eine elegante Aufnahme, die man gern anhört.
Vivaldi: Concerti per fagotto (Arcana)
Konzerte für das Fagott sind Raritäten. Warum in den letzten 200 Jahren kaum ein Komponist dieses Instrument bedacht hat, das gehört zu den Rätseln der Musik- geschichte. In der „Jugendzeit“ des Fagotts war das anders. Antonio Vivaldi beispielsweise hat etliche Konzerte dafür geschrieben. Sie sind möglicherweise für die Kapelle des böhmischen Grafen Morzin entstanden, dem Vivaldi auch die berühmten Vier Jahres- zeiten gewidmet hatte. Der Solist, für den sie bestimmt waren, muss freilich ein Könner gewesen sein. Das zeigt auch diese CD, auf der Alberto Grazzi sieben Fagottkonzerte des venezianischen Kompo- nisten vorträgt. Der Virtuose erweist sich als Könner auf dem Barockfagott; allerdings ist mehr als eine Stunde Fagott-Musik für den Zuhörer schon eine Herausforderung. Die CD ist zugleich das Debüt des Ensembles Zefiro bei seinem neuen Exklusivlabel Arcana.
Dienstag, 20. Mai 2014
Bach: Matthäus-Passion; Dijkstra (BR Classic)
Diese Aufnahme ist ein gutes Bei- spiel dafür, dass namhafte Sänger und Musiker nicht in jedem Falle ein Garant für eine hervorragende Aufnahme sind. Und was wird für diese Matthäus-Passion nicht alles aufgeboten! Eine lange Solisten- riege, die aber nicht wirklich überragendes leistet, dazu der Chor des Bayerischen Rundfunks nebst Regensburger Domspatzen sowie das renommierte Orchester Concerto Köln steht Peter Dijkstra hier zur Verfügung. Was er daraus macht? Enttäuschend wenig. Wir hören den Live-Mitschnitt mehrerer Konzerte im Münchner Herkulessaal, in historisch informierter Aufführungspraxis, nun ja, das würde heute kaum ein Kantor noch anders machen. Einzig Julian Prégardien gestaltet seine Partie als Evangelist mit atemberaubender Intensität (und phantastischer Technik). Leider steht er damit allein auf weiter Flur. Schade.
For His Majestys Sagbutts and Cornetts (Hyperion)
Musik aus einer fernen Zeit bringt das Ensemble His Majestys Sag- butts & Cornetts auf dieser CD wieder zum Klingen. Als die Flotte Philipps des Schönen im Januar 1506 vor der Küste Englands in einen Sturm geriet, sah sich der Habsburger gezwungen, drei Monate lang auf der Insel auf die Reparatur seiner Schiffe zu warten. Die Zeit wurde dem König von Kastilien allerdings nicht lang, denn in Windsor empfingen ihn König Heinrich VII. sowie der Kronprinz. Auch bei den Damen dürfte die Freude groß gewesen sein; die beiden Königinnen waren Schwestern. Die unverhoffte Begeg- nung wurde mit diversen höfischen Festlichkeiten gebührend gewürdigt. Dazu dürften auch die Musiker beigetragen haben, die Philipp in seinem Gefolge mitführte: Die Burgundische Hofkapelle unter Leitung von Pierre de La Rue hatte seinerzeit einen geradezu legendären Ruf; zu hören waren unter anderem einige der besten Bläser Europas.
Wie tief dieses Erlebnis insbesondere den Kronprinzen beeindruckt hatte, zeigte sich nach seiner Thronbesteigung – Heinrich VIII. ließ für die King's Musick auf dem Kontinent sowohl herausragende Bläser anwerben als auch Instrumente und Noten besorgen. Dem Vorbild des Hofes folgte die Kirche; auch in den Kathedralen Englands erklangen schon bald die Kornette und Posaunen. Binnen kurzem stand die Blechblasmusik auf den britischen Inseln in solcher Blüte, dass die europäischen Höfe versuchten, Musiker aus England für ihre Hofkapellen zu gewinnen. Doch mit dem Bürgerkrieg kam dann bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts das Ende dieser britischen Bläserschule. Die vorliegende CD vermittelt einen Eindruck von der hohen Kunst der Musiker. Sie stellt Werke aus der Blütezeit vor, sorgsam ausgewählt und zusammengestellt und versiert vorgetragen. Bravi!
Wie tief dieses Erlebnis insbesondere den Kronprinzen beeindruckt hatte, zeigte sich nach seiner Thronbesteigung – Heinrich VIII. ließ für die King's Musick auf dem Kontinent sowohl herausragende Bläser anwerben als auch Instrumente und Noten besorgen. Dem Vorbild des Hofes folgte die Kirche; auch in den Kathedralen Englands erklangen schon bald die Kornette und Posaunen. Binnen kurzem stand die Blechblasmusik auf den britischen Inseln in solcher Blüte, dass die europäischen Höfe versuchten, Musiker aus England für ihre Hofkapellen zu gewinnen. Doch mit dem Bürgerkrieg kam dann bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts das Ende dieser britischen Bläserschule. Die vorliegende CD vermittelt einen Eindruck von der hohen Kunst der Musiker. Sie stellt Werke aus der Blütezeit vor, sorgsam ausgewählt und zusammengestellt und versiert vorgetragen. Bravi!
Freitag, 2. Mai 2014
Guardian Angel (Channel Classics)
„This disc of solo violin music is a real mixture of some favourite pieces“, schreibt Rachel Podger im Geleitwort zu dieser CD. Die Geigerin spielt ihre Lieblingswerke. So erklingen neben einer Solo- sonate von Johann Georg Pisendel auch drei kurze Stücke von Nicola Matteis, einem Violinisten aus Neapel, der aber in London berühmt wurde. Zu den Raritäten, die Podger für diese CD ausgewählt hat, gehören zudem zwei Solo- sonaten von Giuseppe Tartini.
„I adore Bach's Flute Partita and always knew it from afar, the way you know pieces written originally for an different instrument. I would often play it for fun as warm up (wich would disorient the flute player in the room!)“, meint die Violinistin. „When choosing the repertoire for this dics, I was keen to include a piece by Bach, and eventually had the idea of transposing the Flute Partita into G minor (the original key is A minor). It worked beautifully and as a piece is extremly rewarding and fun to play – I recommend it to all violinists.“ Ob tatsächlich all diese Werke für Violine „senza basso“ komponiert worden sind, ist eine Frage von eher akademischem Interesse. Denn Podger musiziert so fröhlich, dahinschwebend und leidenschaftlich, dass man ihr wirklich gern zuhört. Den Abschluss macht die berühmte Passacaglia aus den Rosenkranz-Sonaten von Heinrich Ignaz Franz von Biber. Ihr wurde in den Noten das Bild eines Schutzengels vorangestellt – und damit war auch gleich ein passender Name für diese CD gefunden. Sehr schön!
„I adore Bach's Flute Partita and always knew it from afar, the way you know pieces written originally for an different instrument. I would often play it for fun as warm up (wich would disorient the flute player in the room!)“, meint die Violinistin. „When choosing the repertoire for this dics, I was keen to include a piece by Bach, and eventually had the idea of transposing the Flute Partita into G minor (the original key is A minor). It worked beautifully and as a piece is extremly rewarding and fun to play – I recommend it to all violinists.“ Ob tatsächlich all diese Werke für Violine „senza basso“ komponiert worden sind, ist eine Frage von eher akademischem Interesse. Denn Podger musiziert so fröhlich, dahinschwebend und leidenschaftlich, dass man ihr wirklich gern zuhört. Den Abschluss macht die berühmte Passacaglia aus den Rosenkranz-Sonaten von Heinrich Ignaz Franz von Biber. Ihr wurde in den Noten das Bild eines Schutzengels vorangestellt – und damit war auch gleich ein passender Name für diese CD gefunden. Sehr schön!
Verklingend und ewig - Raritäten aus der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Rondeau)
Raritäten aus Beständen der Her- zog August Bibliothek Wolfenbüttel haben Mädchenchor und Knaben- chor Hannover gemeinsam mit der Capella Augusta Guelferbytana im Großen Sendesaal des Norddeut- schen Rundfunks für eine ganz besondere CD eingespielt, die dann bei dem Leipziger Label Rondeau Production erschienen ist. Dabei handelt es sich um die Begleit-CD zu der Ausstellung „Verklingend und ewig. Tausend Jahre Musik- gedächtnis 800 – 1800“. Sie beschäftigte sich mit der Wechselbeziehung zwischen Musik-Notation und Klang. Und weil sich das nur mit dem Notentext schlecht zeigen lässt, liefert diese CD sozusagen den Sound zum Dokument.
Aus den tausend Jahren Musikgeschichte wiederum haben die Aus- stellungsmacher für die CD den Zeitraum um die Entstehung der Herzog August Bibliothek und – im Kontrast zum Wolfenbütteler Hof – Zeugnisse aus protestantischen Städten ausgewählt. Dabei handelt es sich um sogenannte Leichpredigten – Druckschriften, die Auskunft geben über den Lebensweg und das Sterben von Bürgern und Adli- gen.
Oftmals berichten sie zudem über die Beisetzungsfeierlichkeiten. So sind in etlichen dieser Dokumente auch Funeralmusiken abgedruckt, Kompositionen, die speziell für die Beerdigung geschrieben worden sind. Das sind teilweise einfache Strophenlieder, mitunter aber auch aufwendige Werke. So schuf Christoph Heinrich Pfefferkorn für die 1701 im thüringischen Tonna verstorbene Sabine Elisabeth von Brandenstein, seine Patentochter, eine Arie, darinnen die seeligst-Verstorbene von der noch lebenden Frau Schwester, und diese von jener, betrübten Abschied nimt. Andreas Hammerschmidt findet sich hier neben Johann Erasmus Kindermann und Sophie Elisabeth Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg neben der italienischen Musikerin Maddalena Caulana.
Mädchenchor und Knabenchor Hannover, geleitet von Gudrun Schröfel und Jörg Breiding, singen routiniert und ausgesprochen klangschön. Das gilt auch für die Chorsolisten – hier kann man unmittelbar hören, dass sich eine sorgfältige Stimmbildung und die frühzeitige musikalische Unterweisung wirklich auszahlt. Die beiden Chöre werden ihrem Ruf als führende europäische Ensembles einmal mehr gerecht. Bravi.
Aus den tausend Jahren Musikgeschichte wiederum haben die Aus- stellungsmacher für die CD den Zeitraum um die Entstehung der Herzog August Bibliothek und – im Kontrast zum Wolfenbütteler Hof – Zeugnisse aus protestantischen Städten ausgewählt. Dabei handelt es sich um sogenannte Leichpredigten – Druckschriften, die Auskunft geben über den Lebensweg und das Sterben von Bürgern und Adli- gen.
Oftmals berichten sie zudem über die Beisetzungsfeierlichkeiten. So sind in etlichen dieser Dokumente auch Funeralmusiken abgedruckt, Kompositionen, die speziell für die Beerdigung geschrieben worden sind. Das sind teilweise einfache Strophenlieder, mitunter aber auch aufwendige Werke. So schuf Christoph Heinrich Pfefferkorn für die 1701 im thüringischen Tonna verstorbene Sabine Elisabeth von Brandenstein, seine Patentochter, eine Arie, darinnen die seeligst-Verstorbene von der noch lebenden Frau Schwester, und diese von jener, betrübten Abschied nimt. Andreas Hammerschmidt findet sich hier neben Johann Erasmus Kindermann und Sophie Elisabeth Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg neben der italienischen Musikerin Maddalena Caulana.
Mädchenchor und Knabenchor Hannover, geleitet von Gudrun Schröfel und Jörg Breiding, singen routiniert und ausgesprochen klangschön. Das gilt auch für die Chorsolisten – hier kann man unmittelbar hören, dass sich eine sorgfältige Stimmbildung und die frühzeitige musikalische Unterweisung wirklich auszahlt. Die beiden Chöre werden ihrem Ruf als führende europäische Ensembles einmal mehr gerecht. Bravi.
Donnerstag, 1. Mai 2014
Carl Philipp Emanuel Bach: Concertos for various instruments (Accent)
Nach den Gebrüdern Graun, Jo- hann Friedrich Fasch und Johann Gottlieb Janitsch hat sich das Ensemble Il Gardellino nun einer weiteren Musikerpersönlichkeit zugewandt, die das Berliner Musikleben zur Zeit Friedrichs des Großen maßgeblich mit geprägt hat: Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788), dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 300. Male jährt. Er wirkte von 1738 bis 1768 als Hofcembalist des selbst hervorragend Flöte spielenden Königs.
Friedrich von Preußen schätzte „seinen“ Bach durchaus; doch die Stücke, die dieser komponierte, erweckten bei dem in musikalischen Dingen eher konservativen Monarchen wenig Begeisterung. Ähnli- ches mussten auch andere Hofmusiker erleben – was letzten Endes dazu führte, dass sie die adligen und großbürgerlichen Salons Berlins und Potsdams mit ihren Werken bereicherten. Daraus entwickelten sich regelrechte Konzertreihen, wie die legendären Freitagsakade- mien im Hause Janitsch. Auch Carl Philipp Emanuel Bach war an diesen Aufführungen beteiligt. Drei seiner Konzerte hat das Ensemble Il Gardellino für diese CD ausgewählt. Es handelt sich dabei um das Flötenkonzert Wq 13, das Violoncellokonzert Wq 170 und das elegan- te Oboenkonzert Wq 164. Als Solisten musizieren Jan De Winne, Emmanuel Balssa und Marcel Ponseele. Es ist traumhaft schöne Musik. Insbesondere das Cellokonzert erweist sich als eine echte Bereicherung des Repertoires; es ist wirklich originell und hätte einen Platz im Konzertleben verdient. Besten Dank für diese Entdeckung!
Friedrich von Preußen schätzte „seinen“ Bach durchaus; doch die Stücke, die dieser komponierte, erweckten bei dem in musikalischen Dingen eher konservativen Monarchen wenig Begeisterung. Ähnli- ches mussten auch andere Hofmusiker erleben – was letzten Endes dazu führte, dass sie die adligen und großbürgerlichen Salons Berlins und Potsdams mit ihren Werken bereicherten. Daraus entwickelten sich regelrechte Konzertreihen, wie die legendären Freitagsakade- mien im Hause Janitsch. Auch Carl Philipp Emanuel Bach war an diesen Aufführungen beteiligt. Drei seiner Konzerte hat das Ensemble Il Gardellino für diese CD ausgewählt. Es handelt sich dabei um das Flötenkonzert Wq 13, das Violoncellokonzert Wq 170 und das elegan- te Oboenkonzert Wq 164. Als Solisten musizieren Jan De Winne, Emmanuel Balssa und Marcel Ponseele. Es ist traumhaft schöne Musik. Insbesondere das Cellokonzert erweist sich als eine echte Bereicherung des Repertoires; es ist wirklich originell und hätte einen Platz im Konzertleben verdient. Besten Dank für diese Entdeckung!