Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 bis 1847) erhielt schon als Schüler eine Abschrift von Bachs Partitur der Matthäuspassion. 70 Jahre nach dem Tod des großen Komponisten waren seine Werke nur noch Insidern bekannt. Zwar hatte die Berliner Sing-Akademie damals einige Chöre aus der Matthäuspassion im Repertoire. Aber ihr Direktor Carl Friedrich Zelter war der Meinung, das ganze Stück sei zu schwierig, um öffentlich aufgeführt zu werden.
Der junge Mendelssohn war da anderer Auffassung. Und so begann er, ein Konzert vorzubereiten. Dazu bearbeitete er Bachs Werk – zum einen, um es den verfügbaren Instrumenten anzupassen, zum anderen, um den Fokus stärker auf das eigentliche Passionsgeschehen zu richten. So kürzte er kräftig, und änderte auch in der Partie des Evangelisten etliches, weil er befürchtete, dass seine Zeitgenossen Bachs Melodik eher befremdlich finden werden. Und weil er dem Sopran alle Arien gestrichen hatte, es aber in dem Solistenensemble gleich drei Sopranistinnen gab, übertrug er kurzerhand zwei Arien und ein Rezitativ vom Alt auf die hohe Stimmlage. In dieser Fassung wurde die Matthäuspassion 1829 erstmals wieder aufgeführt. Es war das erste Mal, dass dieses Werk nach Bachs Tod erklang – so erfolgreich, dass die Leute in anderen deutschen Städten diese Musik ebenfalls wieder hören wollten.
1841, da war Mendelssohn bereits Gewandhaus-Kapellmeister in Leipzig, führte er die Matthäuspassion noch einmal in der Thomaskirche auf, Bachs langjähriger Wirkungsstätte. Die Version, die dort erklang, war weniger stark bearbeitet als die Berliner. In Leipzig wurde die Orgel als Begleitinstrument für die großen Chöre, alle Choräle und einige Arien genutzt; die Rezitative wurden von einem Kontrabass und zwei Celli begleitet. Die in Vergessenheit geratenen Oboeninstrumente wurden durch Klarinetten oder Bassetthörner ersetzt.
In dieser Mendelssohn-Fassung aus dem Jahre 1841 hat nun Jan Willem de Vriend mit dem Chor Consensus Vocalis und dem Netherlands Symphony Orchestra die Matthäuspassion bei Challenge Classics vorgelegt. Das Solistenensemble ist mit Jörg Dürmüller, Evangelist und Tenor-Arien, Marcos Fink in der Partie des Jesus, Judith van Wanroij, Sopranm Helena Rasker, Alt und Maarten Koningsberger, Bass, gut besetzt. Generell ist diese Aufnahme, auch wenn sie wiederum für unsere Ohren mitunter etwas seltsam klingt, sehr ausgewogen und gelungen. Kurioserweise ist es die Welt-Ersteinspielung der Mendelssohn-Fassung – die ins Archiv entschwand, nachdem Bachs Musik beim Publikum wieder angekommen war.
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