Das Klavier bereitet doch immer wieder Freude und ist für so manche Überraschung gut – in diesem Falle liegt das an der Hingabe, mit der Tobias Koch Klavierstücke von Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827) vorstellt. Der Hammerflügel- spezialist widmet sich auf diesen drei CD den „kleinen“ Werken, jenseits der Sonaten, Tänze und Variationen. Dabei musiziert er an fünf gut erhal- tenen historischen Instrumenten: Zu hören sind ein Tangentenflügel von Christoph Friedrich Schmahl aus dem Jahre 1790, ein Fortepiano von Michael Rosenberger, entstanden um 1805, ein Fortepiano von Conrad Graf, angefertigt 1727/28, und ein Patent-Piano-Forte aus der Werkstatt von Nanette Streicher & Sohn aus dem Jahre 1827. Zudem erklingt hier, wahrscheinlich zum ersten Male auf CD, eine Orphika. Dieses Instrument, 1795 in Wien von Carl Leopold Rölling und Joseph Dohnal konstruiert, erscheint wie ein tragbares Pianoforte, allerdings mit einem deutlich geringeren Tonumfang und einem Rahmen, der an eine Harfe erinnert. Die Orphika sollte wohl wie eine Laute klingen; sie wurde nur in Wien gebaut, und es sind nur einige wenige Exemplare überhaupt erhalten. Das hier vorgestellte, gefertigt nach 1800, klingt ziemlich ätherisch und befindet sich in der Musikinstrumentenabteilung des Deutschen Museums München.
Nicht weniger attraktiv sind aber die anderen beiden Silberscheiben. Denn hier ist zu erleben, wie enorm sich das Klavier im Laufe der frühen Jahre verändert hat. Spielte Beethoven beispielsweise anfangs Instrumente mit einem Tonumfang von lediglich fünf Oktaven, so spiegelt seine Musik auch ein wenig die rapide Weiterentwicklung des Klaviers in jenen Jahren. Denn schon Beethovens Erard-Flügel von 1803 hatte fünfeinhalb Oktaven, das Instrument, das ihm Thomas Broadwood 1817 schenkte, sechs Oktaven. Und der Flügel, den ihm 1826 Conrad Graf leihweise zur Verfügung stellte, konnte bereits mit sechseinhalb Oktaven aufwarten.
Koch zeigt mit seiner Einspielung, dass seinerzeit Klavier keineswegs gleich Klavier war. Die historischen Instrumente unterscheiden sich auch klanglich wesentlich stärker voneinander, als wir das heute von modernen Klavieren gewohnt sind. So manches Werk Beethovens aber lässt sich auf einem „alten“ Instrument viel differenzierter und nuancenreicher vortragen, wie Koch beeindruckend demonstriert. Man entdeckt, wenn man dem farbenreichen Klang dieser Claviere lauscht, insbesondere in den Mittelstimmen so manches Detail, das beim Spiel auf einem Standard-Steinway leicht durch die sehr viel ausgeglicheneren Register verdeckt wird.
Diese musikalische Entdeckungsreise macht durchaus Vergnügen, zumal die sogenannten Bagatellen keineswegs gering zu schätzen sind. Denn sie ermöglichen einen Blick in die Werkstatt des Komponisten: In diesen kurzen Stücken erprobte Beethoven sein Handwerkszeug. Er spielte mit Formen und Kontrasten, die schon in jungen Jahren erstaunlich wir- kungsvoll einzusetzen wusste. Der Zuhörer erhält zudem einen Eindruck davon, wie der Meister wohl einst beim freien Fantasieren gestaltet hat. Sehr gelungen, meine unbedingte Empfehlung!
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