„Nur der Ausdruck und der Inhalt
eines Stückes diene dem Harmo- nisten als Richtschnur in der
Registerwahl, nicht aber aus- schließlich die klangliche Eigenart der
Originalfassung eines Satzes“, erklärt Sigfrid Karg-Elert.
„Deshalb glaubte sich der Verfasser im künstlerisch freien Recht,
als er bei sämtlichen Bearbeitungen der Wagnerischen Werke für
Harmo- nium und als Duos für Klavier und Harmonium eine
Orchester- ähnlichkeit überhaupt nicht erstrebte (so gewagt dies auch
erscheinen mag!), sondern, was Satz, Farbe und Technik anbelangt, die
,spezifische Harmoniumwirkung' so stark, als just eben künstlerisch
tunlich, zu erreichen bemüht war.“
Der heutige Hörer schluckt beim
Lesen einer solchen Anweisung: Harmonium?? das war doch quasi ein
Akkordeon im Klaviergehäuse, bei dem die Bälge getreten werden, ein
Orgelersatz für den Hausgebrauch. Doch wenn ein bedeutender
Komponist wie Karg-Elert enorme Mengen an Musikstücken für dieses
Instrument geschaffen hat, dann muss das (Kunst-)Harmonium seinerzeit
durchaus einen wichtigen Platz im Konzertleben gehabt haben. Insofern
sorgt eine Neuerscheinung aus dem Hause Pan Classics spontan für
Neugier: „Auserlesene Stücke aus Opern von Richard Wagner für
Harmonium und Klavier übertragen“, über- schrieb Sigfrid Karg-Elert
1914 seine Sammlung von 30 Bearbeitungen für diese heutzutage
vollkommen ungebräuchliche Duobesetzung.
Jan Hennig, Kunstharmonium, und
Ernst Breidenbach, Klavier, haben eine Auswahl dieser Arrangements
eingespielt. Es erklingen beispielsweise der Einzug der Gäste auf
der Wartburg aus Tannhäuser, das Vorspiel zum 1.Akt und der
Brautchor aus Lohengrin, Siegmunds berühmtes Liebeslied
(„Winterstürme wichen dem Wonnemond“) aus Die Walküre oder das
Spinnerlied aus Der fliegende Holländer. Und die Klangeffekte, die
die Kombination der beiden Duopartner ermöglicht, sind in der Tat schlicht
unglaublich. Das Harmonium kann endlos lange Töne aus dem Pianissimo
heraus aufblühen und wieder verklingen lassen, und es begeistert durch Ausdrucksstärke und durch die breite Palette seiner
Klangfarben. Das Klavier hingegen lässt sich sehr viel virtuoser und
klar akzentuiert einsetzen, was dem Harmonium aufgrund der
Klangerzeugung mit schwingenden Durchschlagzungen nicht in gleicher
Weise gelingen kann. Aus diesen Unterschieden ergibt sich der Reiz
dieser Duobesetzung – und klanglich wirkt das überaus
faszinierend. Hennig und Breidenbach präsentieren hier eine der
schönsten Wagner-Bearbeitungen, die derzeit auf CD zu erwerben ist. Überraschung! Unbedingt anhören!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen