Die Orgelkonzerte von Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759) waren aus der Not geboren: Im Wettbewerb mit der Opera of the Nobility drohte der Opernunter- nehmer 1734 zu unterliegen. Das Publikum blieb aus. In dieser Situation hatte Händel die geniale Idee, den Leuten in den Pausen zur Unterhaltung Konzerte auf der Orgel zu präsentieren. Der Musiker, der als Organist in einem exzellenten Ruf stand, trat damit persönlich gegen Farinelli, den berühmtesten Sänger seiner Zeit, an. Und Händel obsiegte – nach vier Spielzeiten gab das Ensemble der Opera of the Nobility um Nicola Porpora auf.
In späteren Jahrhunderten haben sich etliche Musiker für Händels Orgelkonzerte begeistert. So haben William Thomas Best (1826 bis 1897) und Clément Loret (1833 bis 1909) Bearbeitungen dieser Werke für Orgel solo veröffentlicht. Rudolf Innig stellt auf dieser Doppel-CD eine weitere Version vor. Sie stammt von Samuel de Lange (1840 bis 1911). Der Sohn eines Rotterdamer Organisten studierte in Lemberg Orgel bei dem Liszt-Schüler Alexander Winterberger, und Klavier bei dem Chopin-Schüler Karol Mikuli. Nach einigen Jahren, die er als Virtuose auf Reisen ver- brachte, wirkte er ab 1864 als Organist, zunächst in Rotterdam, dann in Basel, Paris, Köln und Den Haag. Außerdem unterrichtete er Orgelspiel am Konservatorium Stuttgart, das er von 1900 bis 1908 als Direktor leitete. De Lange hat zudem mehr als 800 Kompositionen hinterlassen.
„Samuel de Langes Bearbeitungen der Orgelkonzerte von Händel sind (..) der kühne Versuch, die Musik Händels mit den spiel- und kompositions- technischen Errungenschaften seiner Zeit in Einlang zu bringen“, urteilt Rudolf Innig in einem sehr informativen Aufsatz, den man im Beiheft lesen kann. Der Bielefelder Organist hat für seine Einspielung die Furtwängler & Hammer-Orgel in St. Nicolai Lüneburg aus dem Jahre 1899 ausgewählt. Das Instrument wurde 2002 durch die Firma Orgelbau Lenter restauriert, wobei auch die ursprüngliche pneumatische Traktur wiederhergestellt wurde.
Das Klangbild dieser Orgel passt zu de Langes Händel-Bearbeitungen wirklich gut. Denn bei allem Respekt, mit dem sich der Organist einst dem Werk des „alten Meisters“ gewidmet hat, so ist seine Version doch zutiefst im 19. Jahrhundert verwurzelt. „De Lange erweitert den in der Regel zweistimmigen Orgelpart Händels zu einem vollgriffigen Klaviersatz, er erfindet Neben- und Gegenstimmen (..) und fügt jeweils an den Stellen, bei denen Händel ad libitum schreibt, teils ausgedehnte Kadenzen hinzu (..), in denen sich seine kompositorische Fantasie und seine Virtuosität als Pianist und Organist widerspiegeln“, schreibt Innig. Wer das akzeptieren kann, der wird an dieser fantasievollen Bearbeitung seine Freude haben. Es ist eine echte Entdeckung, die Rudolf Innig hier liebevoll präsentiert – besten Dank zudem an die Soundkünstler von Dabringhaus und Grimm für die ringsum schöne, gelungene Aufnahme.
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