Es ist sehr verdienstvoll, dass cpo mittlerweile bereits mit der dritten Veröffentlichung an Johann Heinrich Rolle (1716 bis 1785) erinnert. Der Kantor und Organist hat nicht nur attraktive Musik geschrieben. Als sich der preußische Hof während des Siebenjährigen Krieges nach Magdeburg zurückzog, inklusive der exzellenten Hofkapelle, etablierte Rolle öffentliche Konzerte, die sehr beliebt waren und denen die Bürgerschaft ebenso wie der Adel lauschte.
Rolle war der Sohn eines Kantors, und wuchs zunächst in Quedlinburg, später in Magdeburg auf. Sein Vater übernahm die musikalische Ausbildung des Knaben, der in jungen Jahren bereits als Komponist und ab 1734 auch als Organist an der Magdeburger Petrikirche wirkte. 1737 begann Rolle in Leipzig mit dem Studium der Jurisprudenz. Ob er während seiner Studienjahre an der Pleiße auch musiziert hat, im Collegium musicum oder beispielsweise bei Kantaten- aufführungen, und ob er Bach kennengelernt hat, darüber ist nichts bekannt.
Nach dem Studium ging Rolle nach Berlin, eigentlich als Justitiar. Doch schon 1740 wurde er als Violinist und Bratschist Kammermusikus in der Hofkapelle Friedrichs II. 1746 erhielt der Musiker einen Ruf als Organist an die Hauptkirche St. Johannis in Magdeburg. Dort befand sich damals eine große dreimanualige Orgel von Arp Schnitger mit 62 Registern. Als sein Vater 1751 starb, wurde Rolle als Kantor am Altstädtischen Gymna- sium sowie als städtischer Musikdirektor dessen Amtsnachfolger.
Rolle hat eine große Anzahl an Liedern, Motetten, Kantaten, Oratorien und Passionsmusiken sowie diverse Instrumentalwerke komponiert. Nach einer Auswahl an Motetten sowie seinem Weihnachtsoratorium ist nun bei cpo auch die Matthäuspassion aus dem Jahre 1748 in Ersteinspielung erschienen. Sie erzählt das Passionsgeschehen in größeren dramatischen Szenen, wobei die einzelne Abschnitte nahtlos ineinander übergehen, gereiht durch Choralstrophen. In Arien und Chören wird zudem, ganz im Sinne der Aufklärung, das Evangelium kommentiert und erklärt.
Die Musik, die Rolle dafür geschaffen hat, ist ausgesprochen reizvoll, originell und wirklich gelungen. Solisten sind Ana-Marija Brkic, Sopran, Sophie Harmsen, Alt, die Tenöre Georg Poplutz, Evangelist, und Joachim Streckfuß, Petrus, sowie die Bassisten Thilo Dahlmann, Jesus, und Raimonds Spogis, Pilatus/Hohepriester. Mit Ausnahme von Streckfuß singen sie auch im Chor der Kölner Akademie, der bei dieser Aufnahme als Doppelquartett agiert – schlank, beweglich, ausdrucksstark und zugleich mit ausreichender Klangfülle. Unter Leitung von Michael Alexander Willens musiziert zudem das Orchester der Kölner Akademie. Und selbst wenn die Arien und die Rahmenchöre mitunter nach Graun klingen und ihre Texte für heutige Ohren etwas schwächeln - sie sind so knapp bemessen, kurz und kompakt, dass man darüber ganz gut hinweghören kann. Auch bei Bach ist schließlich nicht jede Textzeile die reine Poesie. In jedem Falle ist diese Matthäuspassion tatsächlich eine Entdeckung; sie macht sehr neugierig auf die anderen Werke Rolles. Seine Musik würde man gern auch im Konzert wieder hören.
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