Freitag, 22. April 2016

Bertali: La Maddalena (Ricercar)

Maria Magdalena hat, ganz beson- ders in der Zeit des Barock, wie kaum eine andere Figur des Neuen Testa- mentes Künstler aller Genres inspiriert. Auch wenn nicht ganz klar wird, was sie zuvor getan hat – nach Reue und Umkehr jedenfalls gehörte sie zu der Schar, die Jesus begleitete, und zu den Zeugen von Passion und Auferstehung. 
Für die Inszenierung des Leidens- weges Jesu mit den Mitteln profaner Dramatik ist diese Figur aufgrund ihrer Vielschichtigkeit attraktiv: Natürlich ist Maria aus Magdala eine reuige Sünderin, aber sie wird auch gezeigt als eine schöne, sanfte und sinnliche Frau, die Christus möglicherweise ganz besonders nahe stand. Ihr Schmerz angesichts des Leidens Christi findet seinen Ausdruck in einer Vielzahl von Klageliedern. Ein besonders apartes Beispiel dafür, Lagrime Amare von Domenico Mazzocchi (1592 bis 1665), erklingt am Ende dieser CD. 
Mit seinem Ensemble Scherzi Musicali hat Nicolas Achten bei Ricercar aber noch zwei deutlich umfangreichere Werke eingespielt, die Maria Magdalena in den Mittelpunkt stellen. La Maddalena, Sacra Rappresen- tazione wurde 1617 in Mantua aufgeführt – wahrscheinlich zur Hochzeit Ferdinando Gonzagas mit Caterina de'Medici. Dabei handelt es sich um ein Theaterstück, das durch Musik begleitet wurde, die von verschiedenen Komponisten aus dem Umkreis des Hofes geschaffen worden ist. Es erklingen Werke von Claudio Monteverdi, Muzio Effrem, Alessandro Guivizzani und Salomone Rossi. 
Antonio Bertali (1605 bis 1669), ab 1649 Hofkapellmeister in Wien, stellte La Maddalena 1663 in den Mittelpunkt eines bewegenden Sepolcro. Diese Passionsoratorien erklangen in der Karwoche vor einem Nachbau des Heiligen Grabes. Es waren szenische Aufführungen; die Sänger traten im Kostüm auf und agierten entsprechend ihrer Rollen. Diese Tradition, die Bertalis Vorgänger Giovanni Valentini ins Leben gerufen haben soll, wurde bis weit ins 18. Jahrhundert gepflegt. 
Nach der Einspielung der Motetten von Giovanni Felice Sances begann Achten, sich intensiv mit diesen Sepolcri zu beschäftigen, berichtet er im Beiheft zu dieser CD. „Bertalis La Maddalena unterscheidet sich von an- deren Wiener Oratorien in mehr als einer Hinsicht“, schreibt der Sänger. „Suchen wir hier keine spektakuläre Theatralik, voll von allegorischen Figuren, verschiedenen Aposteln und Heiligen, sondern eher einen starken rhetorischen Ausdruck des Schmerzes im Angesicht des Todes, eine gedankliche Auseinandersetzung mit dem Sinn und der Nichtigkeit des Lebens.“ Vorgetragen wird all dies vorbildlich; eine rundum gelungene Aufnahme, stilsicher und mit beeindruckender Sorgfalt wird hier musiziert. Bravi! 

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