„Unausgesetzt beschäftigen mich die Clavierstücke, die von allem, was Sie für Clavier geschrieben haben, so sehr verschieden sind und vielleicht das Gehaltreichste und Tiefsinnigste, was ich in einer Instrumentalform von Ihnen kenne“, schrieb Philipp Spitta 1892 an seinen Freund Johannes Brahms. „Sie sind recht zum langsamen Aufsaugen in der Stille und Einsamkeit, nicht nur zum Nach-, sondern auch zum Vordenken und ich glaube Sie recht zu verstehen, wenn ich meine, dass Sie derartiges mit dem ,Intermezzo' haben aussa- gen wollen. ,Zwischenstücke' haben Voraussetzungen und Folgen, die in diesem Falle ein jeder Spieler und Hörer sich selbst zu machen hat.“
Hardy Rittner hat die späten Klavierwerke des Komponisten als dritte Folge der Gesamtaufnahme bei dem audiophilen Label Dabringhaus und Grimm eingespielt. Diese Musik wird üblicherweise als „innerer Monolog“, in Töne gesetzt, verstanden. In jedem Falle fordern die Stücke vom Interpreten Präzision ebenso wie Raffinesse. Rittner gelingt dieser Balanceakt bestens. Er erweist sich nicht nur im Umgang mit dem Notentext als extrem sorg- sam und aufmerksam. Jede Nuance, jedes kleine Detail beachtet der junge Pianist – und wird so dem Romantiker Brahms in allen Facetten gerecht, die von heftiger Leidenschaft über tiefe Melancholie bis hin zu ironischer Walzerseligkeit reichen. Der Musiker hat auch über Klangfarben gründ- lichst nachgedacht, und für diese Einspielung gleich zwei Instrumente aus der Sammlung von Gerd Hecher, Wien, ausgewählt. Zu hören sind ein Flügel von Johann Baptist Streicher & Sohn aus dem Jahre 1870, wie Brahms ihn besaß, und einer aus der Werkstatt J.M. Schweighofer's Söhne, dort gebaut 1876/77. „Besonders staunenswert am Schweighofer ist sein außerordentliches Klangvolumen, das mit seiner aufbrausenden, schroff-bissigen Charakteristik jenes der meisten Konzertflügel der Zeit übersteigt“, urteilt Rittner. An dem Streicher & Sohn-Flügel hingegen lobt er „poetische Weite und differenzierteste Zartheit“. Beides wird hier benötigt, so der Pianist: „Der Verzicht auf einen der beiden Flügel wäre nicht nur schade im Sinne eines Vorenthaltens der vielfältigsten und für die jeweilige Musik klanglich am besten geeigneten Möglichkeiten der Tasteninstrumente des 19. Jahrhunderts, er wäre als Quasi-Übertragung der heutigen instrumentalen Einheitsklang-Ästhetik auf die Musik einer Zeit, deren Instrumentarium sich dieser Norm mit seiner immensen konstruktiven und klangfarblichen Pluralität diametral entgegengesetzt zeigte, auch schlicht unhistorisch.“
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