„Die Cuzzoni hatte eine sehr ange- nehme und helle Sopranstimme, eine reine Intonationn und schönen Trillo“, berichtet der Flötenvirtuose Johann Joachim Quantz, der die Sängerin in einigen Partien erlebte. „Der Umfang ihrer Stimme erstreck- te sich vom eingestrichenen c bis ins dreygestrichene c. Ihre Art zu singen war unschuldig und rührend. Ihre Auszierungen schienen wegen ihres netten, angenehmen und leichten Vortrags nicht künstlich zu seyn: indessen nahm sie durch die Zärtlichkeit desselben doch alle Zuhörer ein. Im Allegro, hatte sie bey den Passagien, eben nicht die größre Fertigkeit; doch sang sie solche sehr rund, nett, und gefällig. In der Action war sie etwas kaltsinnig; und ihre Figur war für das Theater nicht allzuvortheil- haft.“
Wer mit ihr arbeiten musste, der fand die Sängerin oft weniger nett; hätte es damals schon eine Boulevardpresse gegeben – die Diva wäre ganz sicher ein Liebling aller Klatschjournalisten gewesen. Francesca Cuzzoni (1696 bis 1778) war die Tochter eines Geigers aus Parma; ihre Gesangsaus- bildung erhielt sie von Francesco Lanzi, dem Organisten der dortigen Kathedrale. 1714 trat sie erstmals öffentlich auf, im Kleinen Hoftheater ihrer Heimatstadt. In den darauffolgenden Jahren sang sie erfolgreich in vielen Opernhäusern Norditaliens; 1717 wurde sie Kammersängerin der Witwe des Erbprinzen der Toskana, Violante Beatrix von Bayern.
Dann gelang es dem Impresario John Jacob Heidegger, die Sängerin nach England zu holen: Im Januar 1723 gab die Cuzzoni ihr Debüt als Teofane in der Oper Ottone von Georg Friedrich Händel. Der Komponist hatte mit der Primadonna so manchen Strauß auszufechten; die Legende besagt, er habe ihr sogar angedroht, sie aus dem Fenster zu werfen, wenn sie weiter mit ihm streiten wolle, statt zu singen. Die Cuzzoni sang – und wurde für die Arie Falsa imagine, die sie zunächst so vehement abgelehnt hatte, vom Publikum einmal mehr gefeiert.
1728 ging Händels Oper pleite; die Cuzzoni reiste weiter, nach Wien, wo man sie allerdings nicht engagierte, weil sie eine astronomische Gage forderte. Von 1734 bis 1737 sang sie noch einmal in London, an der mit Händels Opernunternehmen konkurrierenden Opera of the Nobility, die aber ebenfalls keinen Bestand hatte. Auch wenn die Sängerin noch etliche Jahre weiter durch Europa zog und auftrat – ein längerfristiges Engage- ment an einem Hof zu erlangen, ist ihr nicht gelungen, und ihr Lebens- wandel führte obendrein dazu, dass ihr Vermögen dahinschmolz, ja, dass der einstige Star zeitweise der Schulden wegen im Gefängnis sitzen musste. Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte sie in Bologna, in Armut, als Knopfmacherin.
Auch wenn sie einen schwierigen Charakter hatte – Händel schrieb für die Primadonna einige seiner schönsten Arien und wurde durch sie zu zahlreichen Opernpartien inspiriert. Auf dieser CD ist Hasnaa Bennani zusammen mit dem Ensemble Les Muffatti unter Peter van Heyghen mit einer feinen Auswahl aus dem Repertoire der Sängerin zu hören, von Ottone bis zu Scipione und von Tamerlano bis Siroe, Re di Persia. Die junge französisch-marokkanische Sopranistin freilich hat keines der technischen Probleme, die Quantz seinerzeit bei der Cuzzoni bemängelte. Sie hat sich schon im Studium auf „Alte“ Musik spezialisiert, und seitdem erfolgreich an sehr vielen Projekten und Einspielungen mitgewirkt. Nun legt sie bei Ramée eine Hommage an ihre barocke Kollegin vor. Und die ist, wie sollte es bei diesem Label anders sein, rundum perfekt und gelungen. Bravi!
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