Und da wir gerade über Salvatore Accardo geschrieben haben – bei Eloquence sind jüngst gleich ein halbes Dutzend CD bzw. Doppel-CD erschienen, die berühmte Einspie- lungen des Geigers wieder zugänglich machen. Die Aufnahmen machen zugleich deutlich, wie sehr die Ansichten von Musikern darüber, wie eine Partitur zu interpretieren ist, Veränderungen unterliegen – man ist mitunter beinahe geneigt, es „Moden“ zu nennen. Man höre nur, mit welcher Sorgfalt Accardo Bach spielt. Da wird jeder Ton zu hundert Prozent geformt, jede Phrase aufmerksam gestaltet. Entsprechend langsam sind die Tempi gewählt; doch selbst im Vivace gibt es keine in Rasanz verschwim- menden Tonleitern, keine verhuschten Figurationen. Accardo lässt seine Geige singen – eine Kunst, die man heutzutage suchen kann. Die Bach-Aufnahmen mit dem Chamber Orchestra of Europe entstanden 1985, darunter sind interessante Adaptionen von Cembalokonzerten, teils durch Accardo selbst.
Kombiniert sind Bachs Konzerte auf einer Doppel-CD mit den Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi. Accardos Aufnahme dieser Konzerte mit den I Solisti di Napoli verdankt ihren aufsehenerregenden Klang nicht zuletzt legendären Violinen: Der Musiker spielte 1987 in seinem Konzert auf dem Cremona Festival, bei dem dieser Live-Mitschnitt entstanden ist, gleich drei Geigen von Antonio Stradivari. Zu hören sind im Frühling die Il Cremonese aus dem Jahre 1715, einst ein Instrument von Joseph Joachim und nun der Stadt Verona gehörend, im Sommer die Le Reynier (1727), im Herbst die Firebird ex Saint Exupéry (1718), und im Winter schließlich noch einmal die Le Reynier. Dieses Instrument wird auch als Hart ex Francescatti bezeichnet; es befand sich damals, wie auch die Firebird, im Besitz von Salvatore Accardo. Es ist faszinierend, wie der Geiger es versteht, die individuellen Vorzüge der drei Instrumente voll zur Geltung zu bringen und für seine Interpretation zu nutzen.
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