Mit ihrem neuen Album „Verismo“ geht Anna Netrebko ihren Weg hin zum dramatischen Sopran ein Stück weiter. Musikalische Unterstützung erhält die Sängerin dabei von Chor und Orchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter Leitung von Antonio Pappano sowie von ihrem Ehemann, dem Tenor Yusif Eyvazov. Letzterer ist insbesondere im vierten Akt von Puccinis Oper Manon Lescaut in aller Breite zu hören – was nicht entzückt, ganz ehrlich; als Sänger ist er jedenfalls nicht Oberliga.
Opern von Giacomo Puccini (1858 bis 1924) stehen im Zentrum dieses Albums. Anna Netrebko singt Un bel di vedremo aus Madame Butterfly, Vissi d'arte, vissi d'amore aus Tosca, In quelle trine morbide sowie den kompletten vierten Akt aus Manon Lescaut, und zwei Arien aus Puccinis letzter Oper Turandot. Damit gibt die Sängerin zwei unterschiedlichen Figuren Gestalt: Liù, eine Sklavin, die den Tatarenherrscher Timur auf der Flucht begleitet – und seinen Sohn Kalaf liebt. Und Turandot, eine chinesische Prinzessin, die sich ganz dem Andenken an ihre Ahnfrau verschrieben hat, die vor Jahrhunderten von den Tataren verschleppt und getötet worden ist. Um sie zu rächen, will die junge Dame jeden Mann hinrichten lassen, der es wagt, um ihre Hand zu werben.
Liù, erfüllt von Demut und Liebe, und Turandot, voll Hass und Hochmut – gegensätzlicher können Opernheldinnen kaum sein. Das würde man gern hören, doch in diesem Punkt wird man enttäuscht. Ausdruck ist nicht die Stärke von Anna Netrebko. Ihre Stimme hat sich entwickelt; sie ist dunkler und schwerer geworden. Aber das Titelbild, das die Sopranistin mit einer unglaublich kitschigen Talmi-Krone und mit verlaufenen Konturen porträtiert, erweist sich in diesem Falle leider als prophetisch. Die einzige Partie aus dieser Auswahl, die die Sängerin auf der Bühne bereits gesungen hat, ist die der Manon. Ob man sich wirklich darauf freuen kann, sie eines Tages als Tosca oder als Nedda zu hören, das wird die Zukunft zeigen.
Wer es hören mag – ergänzt wird diese CD durch Arien aus Adriana Lecouvreur von Francesco Cilea, Andrea Chénier von Umberto Giordano, Pagliacci von Ruggero Leoncavallo, La Wally von Alfredo Catalani. Mefistofele von Arrigo Boito und La Gioconda von Amilcare Ponchielli. Verkaufen wird sich das Album ohnehin, denn Anna Netrebko hat enorm viele Fans. Und wer sich Karten in Salzburg leisten kann, der kauft viel- leicht auch die Luxus-Edition, mit Seidentüchlein von Chopard.
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